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Da nun der Handel das Arbeitsfeld der Hochfinanz darstellt, so reagiert
der Handelsapparat auf den von oben angeschlagenen Ton. Die Kon
kurrenz im Handelsgewerbe wird nach Bedarf beseitigt, da die Schwä
cheren durch Geldknappheit beseitigt werden können. Auf diese Weise
wird eine gewisse Disziplin im Handel gewahrt. Der im Verband zu
sammengeschlossene Produzent oder Industrielle ist abhängig von der
Handelsbörse und setzt mit dem Großhändler die Preise gemeinschaft
lich fest. Die Ware gehört heute im Herstellungsprozeß zum Teil schon
dem Großhändler, da er auch Aktionär ist. Der Großhändler gibt diese
Ware nicht an den Verbraucher ab, sondern sorgt dafür, daß auch der
Zwischenhändler nochmal an der Ware verdient. Auf diese Weise wird
der Kettenhandel geschützt. Wenn wir uns nun fragen, warum unser
Staat diese Ausbeutung nicht verbietet, dann überlegen wir uns eben
nicht, daß dieser Handel auch Steuern einbringt und den Warenaustausch
mit dem Auslande tätigt. Der kapitalistische Staat steht
dem kapitalkräftigen Steuerzahler näher, als dem
Konsumenten. Er kann in diesem System den Zwischenhandel
nicht beseitigen. Diese Aufgabe kann nur der geschlossene Konsumenten
kreis lösen, indem er einstimmig erklärt: „Alle Produktionsmittel sind
Gesamteigentum. Nur der Konsum ist Privateigentum. Das Beamten
recht wird allen in der Produktion tätigen zuerkannt. Lohnarbeiter
sind dann nur noch Sträflinge oder Bevormundete. Aber jeder ohne
Ausnahme hat das Recht auf Pension, wenn er arbeitsunfähig ist, oder
wenn er das pensionsberechtigte Alter erreicht hat. Er hat seine Ar
beitskraft in den Dienst der Allgemeinheit gestellt. Er tat also
genau dasselbe wie der heutige Beamte, während bisher der Daseins
kampf des Arbeiters unendlich schwerer war. Wie begründet die Ge
sellschaft von heute diese unsoziale Klasseneinteilung? Es könnte ange
nommen werden, daß der körperlich arbeitende Mensch zurückgesetzt
wird, weil er ein Nachkomme von unaufgeklärten Menschen ist, der
nun bis in alle Ewigkeit unaufgeklärt bleiben muß. Eine Begründung
dieser Ideologie gibt es im Sinne der Gerechtigkeit nicht. Man kann
höchstens einwenden, daß diese Gesellschaftsordnung schon im Feudal
system nachweisbar ist, als der wirklich produzierende Arbeiter damals
Zwangsarbeit verrichten mußte, während er heute ein freier Mann ist,
das heißt er kann sich Arbeit suchen (ob er sie findet ist fraglich) oder
er kann mit seiner Familie verhungern. Zu allem Überfluß wird noch
von gewisser Seite behauptet, daß ein Reich Gottes auf Erden undenkbar
ist und bleiben wird. Und trotz alledem leiern diese Menschen das
„Vaterunser“ mit frommem Augenaufschlag so oft herunter, wie es die
„fromme Sittenlehre“ verlangt. Ihre eigenen Worte verneinen das Reich
Gottes auf Erden und ihr so beschmutzter Mund bringt es fertig, das
schönste Gebet, den schönsten Wunsch der Welt, den Christus als sein
Ziel hier auf Erden ausdrückt, als Wolf in Schafskleidern herunter^
zuplappern wie die Götzenpriester. Aber auch die unterjochten Volks
schichten sind an ihrem Schicksale selbst viel mitschuldig. Fragen wir
uns, ob eine Aufklärung von unten her möglich ist. Würde heute der
große Mensch Christus uns belehren wollen über Nächstenliebe, über
die Verdummungslehre des Zeremonienwesens und über die Heuchelei
der Schriftgelehrten, wem würde m. n mehr glauben, den Obersten und
Gewaltigen, oder dem besitzlosen Christus? Wir beten alle den Götzen
Mammon an, der im Dienste der Zauberer steht. Hier gilt das Wort:
„Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“ An uns liegt es,
alle Wissenschaft, die uns einredet, daß das freie Spiel der Kräfte,
also die Gewalt und Rücksichtslosigkeit die Welt für immer beherrscht,
als volksfeindlich und kastenfreundlich von uns zu weisen. Diese
armen Gelehrten sind endlich von einem aufgeklärten Volke zu bemit-