Full text: Zwei Jahrhunderte Haarkunst-Handwerk in Cassel

den hiesigen Peruquenmachermeistern nur durch die Heiratslust gedachter 
Witwe das Brod für die Zukunft geschmälert werden wird, auch sei 
Heister aus Bonn und somit ein Ausländer.« 1835 beträgt die Wander* 
zeit der Gesellen 3 Jahre. 1836, Die Zunft geht weiter zurück, es sind 
noch 14 Meister, haben wenig zu tun, 4 davon haben sich um Konzessions* 
ertheilung einer Wirtschaft oder Kramhandels beworben, 1838. Die un* 
verehelichte Zerline Bicard flechtet einigen hießigen Damen die Haare, die 
Zunft erwirkt 1 Thlr. Strafe oder 24 Stunden Gefängniß, Ihre Beschwerde 
dagegen wird abgewiesen weil Zöpfe flechten zu den Obliegenheiten der 
Zunft gehört. 1841 hat sie wieder gepfuscht. Die Gilde erwirkt 2 Tage 
Gefängnis die sie jetzt absitzen muß. 1840. Gesuch der Zunft um Festsetzung 
der Meister auf 12. Bescheid: Abgeschlagen, 1849 bittet der Perrückenmacher 
Vilmar um Errichtung einer Fabrik für Hautscheitel und Wirbel. Diese Sachen 
verfertige nur er, und kein Meister hier könne dies nachmachen. Die Behörde 
bestimmt zu dieser Sache einen Fachausschuß, dem der Obermeister Specht, 
ferner Siegner, Schäffer, Plümer, Vogel, Fischer und Grüning angehören. Nur 
Grüning konnte die Arbeit des Vilmar nachmachen, also kann er es nicht 
alleine, und wird abgeschlagen. 1853 bittet die Zunft um Festlegung der Zahl 
auf 12, Die Gutachten sind dafür günstig und wird 1855 genehmigt. 1855 
ist die Zahl 12 erreicht. Es sind dies Specht <GiIdemeister>, Fischer, 
Flindt, Grüning, Hartdegen, Heister, Kersten, Plümer, Rothstein, Siegner 
<dessen Sohn heute noch tätig ist), Vogel und Zinn, Zwei sind nach 
Amerika ausgewandert, zwei haben sich in anderen Städten etabliert, 
einer ist im Siechenhofe, einer Gepäckträger an der Bahn und Barchfeld 
trug nebenher das Casseler Tage* und Gewerbeblatt aus. Die Innung 
beschäftigte nur 3 Gesellen und 8 Lehrlinge, Plümer hatte große Schwierig* 
keiten zu überwinden, ehe er die Genehmigung zur Etablierung bekam, 
weil er 1848 Mitglied des Turner*Chors war und als Revolutionär galt. Er be* 
saß als erster die »neue Erfindung« der amerikanischen Kopfwäsche in Cassel. 
1866 hatte sich die Zunft aufgelöst, aber die Innung wurde 1886 neu gebildet. 
Die heute in ihr vereinigten Perückenmacher genießen als Fach* 
männer einen guten Ruf in Stadt und Land. Die Innung beschäftigt z. Zt, 
ca. 80 Gehilfen und Gehilfinnen und 46 Lehrlinge. Wie sie im Ausbau 
und im Betrieb der Geschäfte in modernem Sinne vorwärtsstreben, sehen 
die Besucher am besten aus eigener Anschauung,- jede für unser Fach 
bekannt werdende Anregung findet Aufnahme sobald ihr praktischer Wert 
sachlich erprobt ist. Wir können in Cassel mit ruhiger Sicherheit den 
kritischen Zeitläuften folgen, indem wir die Tüchtigkeit pflegen und bemüht 
bleiben einen leistungsfähigen Nachwuchs heranzubilden, damit der neue 
Name unserer Haarformer*Innung seinen ehrenvollen Klang behält. 
(Nach den Quellen des Staatsarchivs in Marburg bearbeitet.) 
Cassel, im Juli 1921 Heinrich Krug, Obermeister 

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