Full text: 125 Jahre Murhardsche Stiftung der Stadt Kassel und ihrer Bibliothek

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1863) überlebten Bernhard!, Hart 
wig, Henkel und Nebelthau. Hart 
wig (t 1. März 1863) war zu dem 
Zeitpunkt Oberbürgermeister der 
Stadt Kassel, konnte also wegen 
dieser Funktion nicht Testaments 
wächter werden. Ob Nebelthau, 
sein Nachfolger im Oberbürger 
meisteramt, das Ehrenamt über 
haupt antrat, ist nicht bekannt. 1872 
wurde neben Bernhardi und Hen 
kel als dritter Testamentswächter 
der Geheime Rat Wiegand genannt. 
Das Testamentswächterkollegi 
um hat die Verwaltung der Mur- 
hardschen Stiftung gemäß den Vor 
schriften englischer Trustees als 
vorletzte Entscheidungsinstanz zu 
begleiten. Die zusätzliche Vorgabe 
des Testaments, bei unterschiedli 
cher Meinung ein unter der Verant 
wortung der Stadt Kassel stehendes 
Schiedsgericht als letzte Instanz an 
zuerkennen, erzwingt gütliche 
Übereinkunft. 
Die Stadt Kassel und der Verwal 
ter der Murhardschen Stiftung ha 
ben durchweg alle wichtigen oder 
auch nur wichtig erscheinenden 
Abänderungen vom Testament mit 
den Testamentswächtern bespro 
chen. In der Regel erhielten sie de 
ren Zustimmung. Umgekehrt ga 
ben die Testamentswächter Anre 
gungen betreffend Stiftungs- und 
Bibliotheksverwaltung. Fast durch 
weg war einer der drei Testaments 
wächter Nichtjurist, meist ein Lan 
deshistoriker. Diesem Umstand ist 
es zu verdanken, daß die Testa 
mentswächter bei ihren Erörterun 
gen, verstärkt nach Wegfall der 
finanziellen Grundlagen, das Te 
stament im Wissen um die Zeitver 
hältnisse von 1830-1866 pragma 
tisch beurteilten. Die Zustimmung 
der Testamentswächter zur ge 
meinsamen Verwaltung zuerst von 
Murhardscher Bibliothek der Stadt 
Kassel und Landesbibliothek Kas 
sel 1957, später auch der Gesamt- 
hochschul-Bibliothek Kassel wird 
so verständlich (35). Nicht gebeugt 
haben die Testamentswächter sich 
jedoch dem Diktat der nationalso 
zialistischen Gauleitung Kurhes 
sens im Jahr 1943, die eine Auflö 
sung der Murhardschen Bibliothek 
vorsah. Sie erreichten freilich nur 
den geschlossenen Erhalt des 
Buchbestandes der Murhardschen 
Bibliothek innerhalb der Landesbi 
bliothek, außerdem den Verbleib 
desselben auf Dauer in Kassel. Die 
vom Regierungspräsidenten ge 
nehmigte, mit den Testaments 
wächtern angesprochene Abände 
rung des Stiftungszweckes der 
Murhardschen Stiftung für eine an 
dere kulturelle Aufgabe kam wegen 
der Kriegszustände nicht zur Aus 
wirkung. 
Die Testamentswächter bestim 
men gemäß Testament nach An 
tritt des Ehrenamtes ihren Nachfol 
ger, in der Regel einen Rechtsge 
lehrten am Ort. Wenige Testa 
mentswächter haben, infolge be 
ruflicher Versetzung, das Ehren 
amt von auswärts aus wahrgenom 
men. Sollte durch widrige Umstän 
de, z. B. fast gleichzeitiger Tod ei 
nes Testamentswächters und sei 
nes Nachfolgers, die Nachfolgefra 
ge offen sein, bestimmen gemäß 
Testament die übrigen Testaments 
wächter den Nachfolger. Aufgrund 
dieser Bestimmung ergänzte ein 
Testamentswächter als vermuteter 
letzter Überlebender des Kolle 
giums 1953 dieses um zwei neue 
Mitglieder. Der spätere Einspruch 
eines zweiten überlebenden Testa 
mentswächters führte zum Aus 
scheiden eines der irrtümlich neu 
berufenen Kollegiumsmitglieder. 
Die folgende Aufstellung der Te 
stamentswächter und ihrer Stell 
vertreter verzeichnet nur die wich 
tigsten Lebensdaten. (*) am Ende 
der Namenszeile bedeutet, ein Bild 
ist im Buch mit abgedruckt. 
Es wäre sicher sehr interessant, 
das Leben der Testamentswächter 
ähnlich ausführlich wie das der Bi 
bliothekare zu beschreiben. Für die 
Erhebung biographischer Daten 
bin ich Herrn Helmut Bernert, Kas 
sel, sehr zu Dank verpflichtet. 
Dr. phil. Karl Bernhardi (1799-1874) 
1845 benannter Testamentswächter, Testa 
mentswächter 1863-1874, 1. Leiter der Mur 
hardschen Bibliothek der Stadt Kassel 1863- 
1872, Murhardscher Testamentsvollstrecker. 
Bild aus Albert Duncker, Der Verein für hessische 
Geschichte und Landeskunde in den ersten fünfzig 
Jahren seines Bestehens 1834-1884. Kassel 1884,
	        
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