Das solchergestalt in allen kommenden
Zeiten in guter Wirksamkeit verbleibende
Kollegium der für die Murhardsche Stiftung
bestellten drei Trustees ist kraft dieser Te
stamentsurkunde von uns bevollmächtigt,
über die genaue Erfüllung sämmtlicher in
derselben enthaltenen Verfügungen, soweit
dasselbe es für dienlich erachtet und sol
ches nicht schon durch das wohlverstande
ne eigene Interesse der städtischen Behör
den, denen die Erhaltung, das Wohl und der
Flor eines ihrer Commune so sehr zur Ehre
und zum Ruhme gereichenden großartigen
Instituts schon an und für sich am Herzen
liegen muß, bewirkt wird, ein wachsames
Auge zu haben. Sollten bei der Ausführung
der Bestimmungen dieser unserer letzten
Willen Akte Zweifel über die Art und Wei
se, wie dieselben, dem Wunsche und Willen
der Testatoren gemäß, in Vollziehung zu
setzen und in Erfüllung zu bringen, sich dar
bieten : dann ist unser Wille, daß das Kolle
gium der drei Trustees in allen solchen Fäl
len als Ausleger unserer Absicht und Wil
lensmeinung betrachtet werde und ihm all
zeit die entscheidende Stimme dabei zukom
me. Auch soll es diesem Kollegium der Tru
stees bei unserer Stiftung zustehen, die
jährlich abzulegenden Rechnungen über
die den Bestimmungen unsers Testaments
gemäße Verwaltung des Stiftungsfonds ein
zusehen und zu moniren; auch hat dasselbe
im Fall es Zuwiderhandlungen gegen diese
Bestimmungen wahrnimmt, durch seine
thätige Einschreitung und Vermittelung für
die treue Beobachtung, gewissenhafte Be
folgung und strenge Aufrechthaltung der
Vorschriften unseres Testaments Sorge zu
tragen. Nur im alleräußersten Falle wollen
wir den jeweiligen Testaments-Executoren
eine Befugniß zur Rekursnahme an die ver
fassungsmäßig zur Beschützung der pia Cor
pora verpflichtete höhere Staatsbehörde
vindiciren. Denn es soll der Regierung kein
Anlaß zu irgend einer Einmischung in diese
städtische Anstalt gegeben werden. Da wir
dieses immer möglichst vermieden und ver
hütet wünschen; so setzen wir das Verfah
ren fest, welches jederzeit eintreten soll,
wenn zwischen unsern Testamentsvoll
streckern und dem Stadtrath zu Cassel eine
Discrepanz zum Vorschein käme, über de
ren Beilegung und Beseitigung es nicht
glückte, sich zu verständigen und ein güt
liches Uebereinkommen zu treffen. In ei
nem solchen vorkommenden Falle eines
Dissenses ist nemlich ein unpartheiisches
Schiedsgericht zu bilden, bei dessen Aus
spruch stets beide Theile sich zu beruhigen
haben. Dieses Kollegium von Schiedsrich
tern soll aus drei, dem Stande der Rechtsge
lehrten angehörigen Mitgliedern zusam
mengesetzt sein, von denen die fungiren-
den Testamentsexecutoren eins und der
Stadtrath zu Cassel das zweite ernennt, die
se beiden aber sich über die Wahl und Be
stellung eines dritten Mitglieds vereinba
ren.
Alle Differenzen sollen solchergestalt
durch eine schiedsrichterliche Entschei
dung ihre völlige Erledigung finden, ohne
daß es jemals gestattet sein soll, den Weg
Rechtens bei den Landesgerichten zu betre
ten und weitläufige kostspielige Processe
herbeizuführen. Ueberhaupt liegt es in un
serer Absicht, daß zwischen den städtischen
Behörden und unseren Testamentsexecuto
ren ein freundliches Verhältniß obwalte,
welches durch keine Streitigkeiten getrübt
und gestört werde.
Damit über die Legitimation unserer Te
staments-Executoren und Stiftungshüter
nie ein Zweifel obwalte, liegt es diesen ob,
von ihrer Bestellung und der von ihnen ge
troffenen Wahl ihrer Substituten und Nach
folger sowie von einer etwaigen Verzichtlei
stung auf ihr Ehrenamt dem Stadtrathe von
Cassel Anzeige zu thun.
§27
Im Fall die Stadt Cassel Anstand nehmen
oder auf irgend eine Weise verhindert wer
den sollte, die ihr durch gegenwärtige Ur
kunde zugedachte Erbschaft unter den in
den vorstehenden 26 Paragraphen festge
setzten Bedingungen und Verbindlichkei
ten anzutreten, substituiren wir als unsere
Universalerbin unter gleichen Bedingungen
und Verbindlichkeiten die freie Stadt Frank
furt am Main dergestalt, daß diese in sol
chem Falle ganz an die Stelle der Stadt und
Commune Cassel tritt. Unsere Stiftung wird
alsdann nach Frankfurt transferirt werden,
dort ihren Sitz haben und vom Frankfurter
Rechnei Amte unter Aufsicht des Senats zu
verwalten sein.
§28
Sollte sich bei dem Tode des letztleben
den von uns unter dessen Papieren ein ei
genhändig geschriebenes, mit unserm Fa-
milienpettschaft versiegeltes und mit der
Aufschrift
„Codicill zu dem im Jahre 1845 beim
Stadtgerichte zu Cassel niedergelegten Te
stamente von Friedrich Wilhelm August
Murhard und Johann Karl Adam Murhard,”
versehenes Codicill vorfinden oder ein sol
ches Codicill dem Stadtrathe zu Cassel zur
Aufbewahrung übergeben worden sein:
dann sollen die in demselben enthaltenen
Bestimmungen vollkommene Kraft eines
Testaments haben.
Indem wir uns der Hoffnung hingeben,
daß durch das von uns gegebene Beispiel
Personen von Vermögen in unserem Vater
lande sowie in andern Ländern zur Errich
tung ähnlicher Stiftungen aufgemuntert
werden können, drücken wir schließlich
den Wunsch aus, daß der Inhalt unseres Te
staments nach unserem Ableben öffentlich
bekannt gemacht werden möge.
Dies ist unser letzter Wille, welcher als
Testament oder Codicill oder auf jede son
stige Art zu Recht bestehen soll, und zu des
sen Gültigkeit wir die gegenwärtige Urkun
de, nachdem wir solche zuvor wohlbedächt-
lich überlesen, eigenhändig unterschrieben
und besiegelt haben, bei dem hiesigen
Stadtgerichte hinterlegen werden.
So geschehen, Cassel, am 3ten Junius
1845