Full text: 125 Jahre Murhardsche Stiftung der Stadt Kassel und ihrer Bibliothek

Das solchergestalt in allen kommenden 
Zeiten in guter Wirksamkeit verbleibende 
Kollegium der für die Murhardsche Stiftung 
bestellten drei Trustees ist kraft dieser Te 
stamentsurkunde von uns bevollmächtigt, 
über die genaue Erfüllung sämmtlicher in 
derselben enthaltenen Verfügungen, soweit 
dasselbe es für dienlich erachtet und sol 
ches nicht schon durch das wohlverstande 
ne eigene Interesse der städtischen Behör 
den, denen die Erhaltung, das Wohl und der 
Flor eines ihrer Commune so sehr zur Ehre 
und zum Ruhme gereichenden großartigen 
Instituts schon an und für sich am Herzen 
liegen muß, bewirkt wird, ein wachsames 
Auge zu haben. Sollten bei der Ausführung 
der Bestimmungen dieser unserer letzten 
Willen Akte Zweifel über die Art und Wei 
se, wie dieselben, dem Wunsche und Willen 
der Testatoren gemäß, in Vollziehung zu 
setzen und in Erfüllung zu bringen, sich dar 
bieten : dann ist unser Wille, daß das Kolle 
gium der drei Trustees in allen solchen Fäl 
len als Ausleger unserer Absicht und Wil 
lensmeinung betrachtet werde und ihm all 
zeit die entscheidende Stimme dabei zukom 
me. Auch soll es diesem Kollegium der Tru 
stees bei unserer Stiftung zustehen, die 
jährlich abzulegenden Rechnungen über 
die den Bestimmungen unsers Testaments 
gemäße Verwaltung des Stiftungsfonds ein 
zusehen und zu moniren; auch hat dasselbe 
im Fall es Zuwiderhandlungen gegen diese 
Bestimmungen wahrnimmt, durch seine 
thätige Einschreitung und Vermittelung für 
die treue Beobachtung, gewissenhafte Be 
folgung und strenge Aufrechthaltung der 
Vorschriften unseres Testaments Sorge zu 
tragen. Nur im alleräußersten Falle wollen 
wir den jeweiligen Testaments-Executoren 
eine Befugniß zur Rekursnahme an die ver 
fassungsmäßig zur Beschützung der pia Cor 
pora verpflichtete höhere Staatsbehörde 
vindiciren. Denn es soll der Regierung kein 
Anlaß zu irgend einer Einmischung in diese 
städtische Anstalt gegeben werden. Da wir 
dieses immer möglichst vermieden und ver 
hütet wünschen; so setzen wir das Verfah 
ren fest, welches jederzeit eintreten soll, 
wenn zwischen unsern Testamentsvoll 
streckern und dem Stadtrath zu Cassel eine 
Discrepanz zum Vorschein käme, über de 
ren Beilegung und Beseitigung es nicht 
glückte, sich zu verständigen und ein güt 
liches Uebereinkommen zu treffen. In ei 
nem solchen vorkommenden Falle eines 
Dissenses ist nemlich ein unpartheiisches 
Schiedsgericht zu bilden, bei dessen Aus 
spruch stets beide Theile sich zu beruhigen 
haben. Dieses Kollegium von Schiedsrich 
tern soll aus drei, dem Stande der Rechtsge 
lehrten angehörigen Mitgliedern zusam 
mengesetzt sein, von denen die fungiren- 
den Testamentsexecutoren eins und der 
Stadtrath zu Cassel das zweite ernennt, die 
se beiden aber sich über die Wahl und Be 
stellung eines dritten Mitglieds vereinba 
ren. 
Alle Differenzen sollen solchergestalt 
durch eine schiedsrichterliche Entschei 
dung ihre völlige Erledigung finden, ohne 
daß es jemals gestattet sein soll, den Weg 
Rechtens bei den Landesgerichten zu betre 
ten und weitläufige kostspielige Processe 
herbeizuführen. Ueberhaupt liegt es in un 
serer Absicht, daß zwischen den städtischen 
Behörden und unseren Testamentsexecuto 
ren ein freundliches Verhältniß obwalte, 
welches durch keine Streitigkeiten getrübt 
und gestört werde. 
Damit über die Legitimation unserer Te 
staments-Executoren und Stiftungshüter 
nie ein Zweifel obwalte, liegt es diesen ob, 
von ihrer Bestellung und der von ihnen ge 
troffenen Wahl ihrer Substituten und Nach 
folger sowie von einer etwaigen Verzichtlei 
stung auf ihr Ehrenamt dem Stadtrathe von 
Cassel Anzeige zu thun. 
§27 
Im Fall die Stadt Cassel Anstand nehmen 
oder auf irgend eine Weise verhindert wer 
den sollte, die ihr durch gegenwärtige Ur 
kunde zugedachte Erbschaft unter den in 
den vorstehenden 26 Paragraphen festge 
setzten Bedingungen und Verbindlichkei 
ten anzutreten, substituiren wir als unsere 
Universalerbin unter gleichen Bedingungen 
und Verbindlichkeiten die freie Stadt Frank 
furt am Main dergestalt, daß diese in sol 
chem Falle ganz an die Stelle der Stadt und 
Commune Cassel tritt. Unsere Stiftung wird 
alsdann nach Frankfurt transferirt werden, 
dort ihren Sitz haben und vom Frankfurter 
Rechnei Amte unter Aufsicht des Senats zu 
verwalten sein. 
§28 
Sollte sich bei dem Tode des letztleben 
den von uns unter dessen Papieren ein ei 
genhändig geschriebenes, mit unserm Fa- 
milienpettschaft versiegeltes und mit der 
Aufschrift 
„Codicill zu dem im Jahre 1845 beim 
Stadtgerichte zu Cassel niedergelegten Te 
stamente von Friedrich Wilhelm August 
Murhard und Johann Karl Adam Murhard,” 
versehenes Codicill vorfinden oder ein sol 
ches Codicill dem Stadtrathe zu Cassel zur 
Aufbewahrung übergeben worden sein: 
dann sollen die in demselben enthaltenen 
Bestimmungen vollkommene Kraft eines 
Testaments haben. 
Indem wir uns der Hoffnung hingeben, 
daß durch das von uns gegebene Beispiel 
Personen von Vermögen in unserem Vater 
lande sowie in andern Ländern zur Errich 
tung ähnlicher Stiftungen aufgemuntert 
werden können, drücken wir schließlich 
den Wunsch aus, daß der Inhalt unseres Te 
staments nach unserem Ableben öffentlich 
bekannt gemacht werden möge. 
Dies ist unser letzter Wille, welcher als 
Testament oder Codicill oder auf jede son 
stige Art zu Recht bestehen soll, und zu des 
sen Gültigkeit wir die gegenwärtige Urkun 
de, nachdem wir solche zuvor wohlbedächt- 
lich überlesen, eigenhändig unterschrieben 
und besiegelt haben, bei dem hiesigen 
Stadtgerichte hinterlegen werden. 
So geschehen, Cassel, am 3ten Junius 
1845
	        
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