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warteten hinter einem langen
Tisch, daß ich ihnen die gewünsch
ten Kapseln heraussuchte. Diese
Tätigkeit erforderte eine besondere
Kenntnis des Aufbaus und der Ei
genarten des Sachkatalogs, der ei
nen besonders intensiven Ausbau
erfuhr und dadurch ein besonders
aussagekräftiges Instrument war.
,Ich habe schon viele Sachkataloge
gesehen, aber der Ihre ist der
Beste!’, sagte einmal ein Besucher
zu Direktor Schnurre.
Es war meine Hauptaufgabe, die
sen Katalog weiterzuführen. Die
Titel der neuen Bücher wurden
möglichst an mehreren Stellen ver
zeichnet. Dazu gehörte natürlich
auch die Beratung der Benutzer.
Entsprechend einer gewissen Ar
beitsteilung zwischen Landesbi
bliothek und Murhard hatten wir
weniger Bücher zu Literatur und
Geschichte als zu Staats-, Rechts-,
Wirtschafts- und Naturwissen
schaften. Haupt,künden’ waren die
ältere Generation und Schüler der
Oberklassen. Die jüngere Genera
tion stand ja im Felde.
An den Katalograum schloß sich
die Leihstelle an, die Sofortdienst
versah. Wir hatten ein junges,Lauf
mädchen’, aber auch die beiden Bi
bliothekarinnen dort holten gele
gentlich das Gewünschte. Die Ent-
leihung war sehr liberal. Von der
bzw. hinter der Ausleihtheke ging
es unmittelbar ins Büchermagazin
mit 4 Stockwerken. Das Magazin
hatte noch Platz für einigen Zu
wachs. Es gab darin einige einge
baute, durch Türen abgetrennte
Zimmer, um Sonderaufstellungen
zu ermöglichen. Ein solches Zim
mer befand sich im 3. (oder 4. ? )
Stock und enthielt die Bücher- und
Musikaliensammlung von Hans
Altmüller, die wohl ein paar Jahre
zuvor gekauft worden, inventari
siert, aber noch nicht katalogisiert
war. Ich erinnere mich an zahlrei
che Notenausgaben, Klavieraus
züge von Opern, Konzertstücken,
Liederbüchern etc. Der Sammler
war wohl Musikjournalist, Kritiker
oder ähnliches gewesen. . . Ausge
liehen wurden diese Bestände noch
nicht. Das war also das,Altmüller-
Zimmer’.
Sie fragten nach dem ,Kasseler-
Zimmer’. Dazu ist mir leider nichts
mehr eingefallen. . .
Von der Ausleihe nach rechts
schloß sich das Beamtenzimmer
an, in dem Bestellung, Lieferung,
Titelaufnahme etc. abgewickelt
wurden. Dort standen auch die 2
Feldbetten für die abwechselnden
Nachtwachen. Wir waren außer
dem Direktor etwa 10 Mitarbeiter.
Der Haupteingang (das ist der
derzeitige Eingang) wurde nur
geöffnet, wenn im darüberliegen
den Vortragssaal eine Veranstal
tung stattfand. Alles in allem: Es
war ein schön und übersichtlich
gegliedertes Haus, in dem ich gerne
arbeitete.
Schon bei meinem Dienstantritt
eröffnete mir Dir. Schnurre, daß
man den dauernden Bestrebungen,
die beiden Kasseler Bibliotheken
zusammenzulegen, immer ener
gisch entgegentreten müsse! Er
ging Anfang September (1941) ein
paar Tage in Urlaub, und leider
ereignete sich gerade da der Unter
gang der Landesbibliothek. Am
Tag nach dem Angriff erschien Dir.
Hopf bei mir als Vertreter des Di
rektors (Schnurre), ob die Mur-
hard-B. bereit sei, Reste der La(n-
des)-Bi(bliothek) aufzunehmen.
Ich wollte dies in Abwesenheit von
Dir. Schnurre nicht unbedingt Zu
sagen, und dieser lehnte dann auch
energisch ab. - Aber die Zusam
menlegungspläne nahmen immer
mehr Gestalt an. In einem Brief
nach Hause schrieb ich am 28. 4.
42: ,Noch ist nichts entschieden.
Nächste Woche kommt eine Kom
mission aus Berlin ... und will sich
hier umsehen . . .’
Die Zusammenlegung war nun
fast schon beschlossene Sache, und
Dir. Schnurre hatte keine Chance
mehr, sich zu wehren. Am 16. 1. 43
schrieb ich nach Hause: ,Gestern
ist die Urkunde unterzeichnet wor
den, nach welcher die Murh.-Bibl.
an die La-Bi übergeht. Dir. Schnur
re läuft herum wie ein Gespenst
und behauptet, sein ganzes Le
benswerk sei vernichtet.’
Am 24. 3. 43 schrieb ich dann:
,Am 1. 4. ziehen die Leute von der
La-Bi. bei uns ein. Wir haben schon
viel umgeräumt.’ Da von nun an
Dir. Theele weitgehend das Kom
mando übernahm, wurden die Ver
hältnisse in der Bibliothek uner
freulicher.
Ich fing an, mit meinem Weg
gehen zu rechnen, wozu aber auch
noch private Gründe kamen. Ich