15
glocke, deren preis gleich eingangs ausgesprochen wurde, ist das Beispiel
eines unvergleichlichen gedichts, dem andere Völker von weitem nichts an
die seite zu stellen hätten, durch einen von Göthe nach Schillers abschei
den hinzu gedichteten epilog geht ihr feierlicher eindruck auf einmal ganz
ins tragische über, beide dichter wechseln hier die rolle, der friedliche klang
ward zum trauergeläute. Göthes lyrische fülle und sanfte leichtigkeit bleibt
im ganzen weit mächtiger und auch wirksamer.
Es wäre überflüssig hier auf diesen theil der poesie noch weiter ein
zugehen , nur eine art von gedichten kann nicht unerwähnt gelassen bleiben,
an welchen sich die gemeinschaft der dichter recht wirksam erzeigt, die
xenien. sie sollten in weise von Martials epigrammen einmal in der deut
schen literatur aufräumen und die dicke luft reinigen, was sie ohne zweifei
auch damals geleistet haben, es sind zum groszen theil triftige und schla
gende, oft unbarmherzige kritiken, schnell und wie es hiesz im raptus 5 nieder
geschrieben, die scharfe urtheilskraft und das darstellungsvermögen der ver
einten dichter bezeugend, wie, wenn dieser stahl glühend ward und sprühte,
nicht anders geschieht, auch einigemal ungerecht verwundend, einzelne
können mit Sicherheit weder dem einen noch andern beigelegt werden,
was eben von ihnen beabsichtigt war. Aber auch in gröszeren und eingehen
den beurtheilungen haben beide ihr talent erprobt, Göthe schon frühe in
den Frankfurter gelehrten anzeigen, später in der jenaischen literaturzeitung.
Schillers recensionen bilden jetzt eine zierde seiner gesammelten Schriften,
eine bereits vor Göthes näheren bekanntschaft mit ihm verfaszte, gelungne
des Egrnont, eine von Bürgers gedichten, welche diesem sehr wehe that
und auch manches an ihm verkennt, und eine von Matthisson.
Nun wird es am platze sein über die spräche beider meister einige
Bemerkungen anzufügen und die aufrückende frage nach ihrer popularität
zu erledigen, wie im vorhergehenden verschiedentlich angedeutet worden,
besitzt unleugbar Göthe die gröszere sprachgewalt, ja eine so seltene und
vorragende, dasz insgemein kein andrer unsrer deutschen Schriftsteller es
ihm darin gleichthut. wo er seine feder ansetzt, ist unnachahmlicher reiz
und durchweg fühlbare anmut ausgegossen. eine menge der feinsten und
erlesensten Wörter wie Wendungen ist zu seinem gebot und stets an den
eigensten stellen, seine ganze rede flieszt überaus gleich und eben, reichlich
und ermessen, kaum dasz ein unnöthiges wörtchen steht, kraft und milde,