Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 215
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sich zu geschickte, politik und zu philosophischem nachdenken aufgelegt,
der geschickte führte ihn schon seine äuszere Stellung nachher in Jena ent
gegen und beim Fiesco, Carlos, Wallenstein und den meisten übrigen dra-
men hatte es vielfacher historischer forschung bedurft; es ist wahr, dasz er
gern wieder davon abbrach, sobald das nöthige erlangt war und er ausschliesz-
lich zur dramatischen arbeit selbst zurücklenken konnte, die historische
schule gesteht ihm in ihrem fach nichts eigenthümliches von werth und gehalt
zu, ist aber doch nachzugeben gezwungen, dasz eben durch ihn in Deutsch
land der geschichtliche vortrag lebendiger und dasz dem groszen publicum
vorher wenig bekannte gegenstände, die begebenheiten des abfalls der Nie
derlande und des dreiszigjährigen krieges nunmehr geläufiger wurden, was
sodann auch gründliche forschung anderer gelehrten zur folge haben muste.
Grüner in seinem briefwechsel mit Göthe erzählt, dasz er diesem einmal den
dreiszigjährigen krieg habe leihen müssen, hernach ihn bis zu thränen darü
ber bewegt angetroffen habe: durch erneute lesung des buchs mochte das
andenken an den verstorbnen freund überaus lebhaft erregt worden sein,
bemerkenswerth ist, welchen unverwischbaren eindruck die dramatische aus-
prägung historischer gestalten überhaupt hinterläszt, so wie Shakspeare eng
lische könige, Schiller Wallenstein, Teil, Maria, Johanna dargestellt haben,
haften sie in der leute gedanken, allen erinnerungen der geschichtforscher
zum trotz, die eingebung des dichters schreitet über diese hinaus und es
kann nicht anders sein, auch die griechischen tragiker haben gewalt über das
was wirklich geschah und geben uns gleichsam eine verklärte, höhere Wahrheit.
Das gebiet der philosophie beschritt Schiller, nachdem ihm schon
früher Spinoza zu thun gemacht hatte, mit gröszerem eindruck und erfolg,
seit, wie bereits oben erwähnt wurde, Kants lehren sich immer stärker bahn
brachen, namentlich in Jena durch Reinhold verbreitet waren, die kritik
der ästhetischen urtheijskraft veranlaszte Schillers briefe über die ästhetische
erziehung des menschen und hernach die schöne abhandlung über naive und
sentimentale dichtkunst, worin, was bereits Gervinus angemerkt hat, der
volle gehalt des bald darauf berschend werdenden Unterschieds zwischen
classischer und romantischer poesie steckte, diese bedeutungsvollen, von
lebhafter denkkraft zeugenden grundlagen lieszen sich gern auf anwendungen,
wie sie nur der dichter machen konnte, ein, sie waren es, die Göthes auf-
merksamkeit nicht entgiengen und den engen bund beider männer heranführ-