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Es sei gestattet einen augenblick und ganz kurz den blick rückwärts
nicht weiter als in den beginn des vorigen jahrhunderts zu richten, wenn man
Gellerts poesielose Orgons und Damonsstücke liest (und ich lese sie schon der
sauber gehaltenen spräche wegen nicht ohne vergnügen), so zeigt sich darin,
selbst in seinen schäferspielen, dramatisches geschieh, vollen gegensatz zu
ihm macht Klopstock, dieser geniale dichter konnte sich nie aus dem pathos
losreiszen und seine biblischen trauerspiele wie die Hermannschlacht sind im
mer undramatisch, die gemiedenen verse statt der gewählten prosa, woneben er
unaufhörlich öden einschaltet, würden ihm weniger hinderlich sein, die
Hermannschlacht gemahnt dennoch zuweilen an Göthes Götz, dem sie nur
ein paar jahre vorausgieng. desto entschiedner und von eingreifender, hin
haltender Wirkung ist Lessings hohe gäbe, bei ihm sind nicht blosz funken,
die flamme des drama glüht bis herab auf seine unnachahmlichen bedienten
und zofenrollen, die er so fein aus dem leben greift, während in Minna,
Emilia und im Nathan durchgehends eine bisher unerhörte kraft der Ver
wicklung bewundert werden musz. sichtbar zu sehen ist schon in Schillers
Fiesko einflusz der Emilia, noch stärkern hatte Nathan auf don Carlos, das
erste von Schiller in versen geschriebne stück, und diese verse, so weit
hinter den flüssigen der braut von Messina sie bleiben, sind doch beträcht
lich besser gebaut als die lessingischen. an sich aber that seiner ausnehmen
den dramatischen begabung gleich von anfang an die prosaische form weder
in den räubern noch in kabale und liebe den geringsten eintrag; in allen tra-
gödien, die er dichtete, liegt sie eben so ungeschwächt am tage, ja der von
ihm widerwillig vollendete, vielmehr liegen gelassene roman des geister-
sehers erregt durchgehends anhaltende drastische Spannung. Man kann nur
sagen, dasz Schiller im Wallenstein, zumal dem lager, hernach im Teil die
höchsten ziele erreichte und wahre befriedigung zu wege bringt; nicht ganz
gleich stehen ihnen Maria Stuart, die jungfrau und die feindlichen brüder,
zum theil aus gründen, die hier unerörtert bleiben müssen; es ist kein Zu
fall (wie der freilich grosze, dasz er auf einen und denselben tag mit Luther
geboren war), dasz auch ohne es zu wissen, noch darauf auszugehn, die
einheimischen Stoffe ihm allermeist, minder die aus fremder geschichte ent
lehnten gelangen, für komödie zeigte er weder neigung noch beruf, er war
vollkommen ein tragischer dichter, was aus seinen unvollendet hinterlasse-
nen, fast nur entworfnen stücken, dem Demetrius, Warbeck und den Mal-