©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 207
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anspruch, kraft dessen ihm zustehe nach seinem freien belieben zu schalten
und namentlich alle meier an solchen orten anzuordnen, was der abtei zu
wider sein muste. Durch Reinfrieds, wie sich ergeben wird, im jahr 1092
erfolgten frühen tod gewann die angelegenheit für das geistliche Stift günsti
gere gestalt, Erkanbert drückt sich aus, manifesto dei judicio eo Morsacio
interfecto, das dunkle wort ist keine Reinfrieden herabsetzende bezeichnung,
wie man auf den ersten blick denken könnte, sondern gibt den ort an, wo
er, der ablei höchst willkommen, mit tod abgegangen war. Er hatte einen an
der mutterbust liegenden sohn hinlerlassen, dem abt Marcward das väterliche
officium und beneficiurn wieder zu verleihen keinen anstand nahm, das kind
starb aber bald darauf und nun wurden vom slift beide, amt und leben, zu
rückgezogen. Die mutter jedoch that hernach für sich und den kleinen Go
defried, unter dem schütz ihrer freunde, einspruch, es bleibt in der urkunde
ungesagt, ob Godefried neben jenem erstbelehnten und gleich gestorbnen
Säugling ein noch jüngerer und gar erst nachgeborner sohn Reinfrieds war,
eins von beiden mufs man nothwendig voraussetzen, wie ihm auch sei, Rein
frieds witwe erreichte damit nichts als dafs ihr das beneficiurn unter der be-
dingung gelassen wurde, dem officium für ewige Zeiten zu entsagen. Das
geschah, mutter und sohn schwiegen anfangs, Godefried, heran wachsend,
übernahm, das beneficiurn, ohne von dem unterdessen auf Marcward gefolg
ten Erkenbert, jedenfalls mithin nach 1106, das officium neu zu begehren,
im verlauf der zeit aber heiratete er und scheint dadurch die zahl seiner
freunde und gönner gemehrt zu haben, auf welche vertrauend er sein altes,
dreifsig jahre lang vernachlässigtes recht auf das officium wieder anregte. Er
kenbert unterhandelte jetzt und bot ihm geld, wenn er ganz abstände, doch
Godefried weigerte und wollte es auf einen rechtspruch ankommen lassen,
der ihm gleichwol ungünstigen bescheid brachte. Godefried muste sich
entschliefsen sieben mark anzunehmen und feierlich auf jenes amt zu ver
zichten. Sieben mark silbers bilden heute eine kleine summe, damals liefs
sich schon ein ordentliches grundstück dafür erwerben; dennoch scheint sie
für das aufgegebene amt nur ein winziger ersatz.
Nach dem canonischen grundsatz 'beneficiurn traditur propter officium 3
sollte man annehmen, dafs kirchliche beneficien notwendig auf ein officium
binweisen: das slift fand im vorliegenden falle seinen vortheil darin, dem mi-
nisterial das benefiz zu lassen, durch entziehung des amts den einflufs auf