gleichen wir die deutsche literatur einem kleinen ort, der nur zwei enge aus-
gänge hat, die classische einer grofsen Stadt, von der sich aus zehn präch
tigen thoren nach allen seiten Vordringen läfst; über ein gewisses ziel fort
wird in die kunstreich gelegte heerstrafse der schmale steig einlaufen und
dann von beiden aus der menschliche geist in gleich ungemessene weite ge
führt werden.
Ein paar altdeutsche bücher mag Lachmann schon auf französischen
boden mitgenommen haben, um sich die langeweile des bivouacs zu ver
treiben. Unterdessen aber war das werk, aus dessen Vorrede vorhin eine
stelle gehoben wurde, erschienen und muste die äugen aller philologen von
fach auf sich ziehen, weil es, neben einigem unhaltbaren und wieder fahren
zu lassenden, die fülle glücklicher emendationen gewährte und einen schwie
rigen text so behandelte, wie es nur auf echt critischer grundlage möglich
war. Mit grofsem geschieh, das ihn auch nachher nie verliefs, hatte der
einundzwanzigjährige jüngling sich gerade auf den schönsten theil der gan
zen lateinischen poesie, auf die elegischen dichter geworfen, und unter ihnen
Properz, den geistigsten derselben, und dem am schlimmsten mitgespielt
worden war, zuerst auserlesen. Dreizehn jahr später folgten, zwar schon
mit gröfserer gewandtheit aber nach gleich scharfer critik der liebliche Ti-
bull, der kräftig ausgelassene Catull. Diese bahn war gebrochen und des
herausgebers verfahren hatte sich in der Zwischenzeit auch an einigen der
wichtigsten altdeutschen dichtungen bewährt, es war ihm völlig zu fleisch
und blut geworden; ich will mich bestreben die art und weise seiner critik
und worauf sie wesentlich beruhte, darzulegen. Seine zahlreichen Schriften
der reihe nach zu nennen kann ich dabei überhoben sein, da dies schon von
andern umsichtig geschieht oder geschehen ist, und werde mich blofs auf
diejenigen darunter beziehen, die jedesmal in meiner betrachtung hervor
stechen. Sie hat es auch nicht mit seinen lebensverhältnissen zu thun,
und wie schon vorhin unerwähnt blieb, dafs er ein oder zwei Semester in
Berlin studierte, brauche ich mich nicht näher darauf einzulassen, dafs er
zuerst eine gymnasiallehrerstelle bekleidete, dann zu Königsberg als pro-
fessor auftrat und von da nach Berlin gerufen wurde, wo nun auch unsere
akademie sich seiner bemächtigen konnte. Mich beschäftigt sein innerer
gang, den allerdings diese äufseren lagen seines lebens vielfach begünstigten.
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