Full text: Rede auf Lachmann

Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 206 
die Ilias einer neuen, ungleich weiter als Wolf beabsichtigte, vorrückenden 
prüfung. 
Unter den für beiderlei epos reich aufgethanen beweisen sind einzelne 
schlagend und unwiderlegbar, andere verfehlen nicht des eindrucks. Nur 
hat es schon an sich etwas grausames, den gedichten so ansehnliche in den 
handschriften gegebne stücke abzustreiten, und schwer hält es epische schich 
ten, die alle berechtigt sein können, von kunstfertigeren einschiebseln zu 
unterscheiden, wie sie auch in den erzählenden werken höfischer dichter be 
gegnen. Aus der masse des epos flössen, ich sage lieber tropften auch, wie 
wir wissen, kleinere Volkslieder ab, doch der knappe romanzenstil war seiner 
alten, mehr umfassenden behaglichen breite fremd und zwischen den critisch 
neu zerlegten gesängen und solchen wilderen oft ungeschlachten romanzen wal 
tet fühlbarer un|erschied. Diese critik ist immer raubend und tilgend, nicht 
verleihend, sie kann die Interpolationen fort, das weggefallene echte nim 
mer herbei schaffen. Hauptsächlich aber mufs ich das wider sie einwenden, 
dafs mit unrecht von einer zu grofsen Vollkommenheit des ursprünglichen 
epos ausgegangen werde, die wahrscheinlich nie vorhanden war, und in ihm 
alle flecken zu tilgen, alle wirklichen oder scheinbaren Widersprüche aus 
ihm zu entfernen seien. Gleich anderm dem edelsten menschenwerk wird 
auch die epische dichtung ihre mängel an sich tragen und bei der gewaltigen 
Wirkung, die sie im ganzen erzeugt, um einige Unebenheiten, die sich in ihr 
eingefunden haben, unbekümmert sein dürfen. Wie keine völlig gleich- 
mäfsig gebildete spräche je erscheint, alles licht der abschattungen bedarf, 
macht ein homerisches schlummern oft gefälligeren eindruck als ihn der 
dichtkunst stets wach erhabnes feuer hervor brächte. Wer wollte den bei 
den vor Troja alle kampfestage, der Kriemhild ihre jahre ängstlich nachrech 
nen? Man läuft gefahr durch critisches ausscheiden, das gar kein ende hat, 
auf der einen Seite zu zerreifsen was auf der andern verbunden wurde; warum 
soll es hier nicht gesagt werden? aus Lachmanns zwanzig liedern ist in der 
that eine anzahl schöner, ergreifender und kaum zu missender Strophen weg- 
Lx w * e auc ^ ( ^ er ^ as nlc ^ a ^ es ne hmen lassen möchte was er ihr 
abspricht. W as ich ihm selbst unverholen liefs, von seinem standpunct, auf 
HpV 8, 3Afij den viele sich entschieden stellen, bin, je länger ich nachsann, ich meinerseits 
abgekommen und gedenke diesen gegenständ, welchen angefacht und ins licht 
gesetzt zu haben sein verdienst bleiben wird, einmal ausführlich zu erörtern. 
2* 
9jaS\y tn\ p oet öA/u* wtca) tuU 
3k 3(üwt^> i 
Vor£ .Vtatopt uv*
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.