Full text: Rede auf Lachmann

©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 206 
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regeln gezügelt, an denen seine arbeit geprüft, nach denen sie gereinigt 
werden kann. 
Hatte Lachmann bei einem autor, was überall das erste ist, die ge- 
schlechter der handschriften, die einzelnen abschreiber und ihre weise er 
mittelt; so unterliefs er nicht eine etwa noch unbekannte Zerlegung des gan 
zen werks in bücher oder abschnitte an den tag zu bringen und dann deren 
zu yerschiedner zeit erfolgten Ursprung zu bestimmen. Hierzu muste ihn 
die beschäftigung mit den lyrischen und elegischen gedichten der Griechen 
und Römer, die begreiflich nicht chronologisch geordnet und der Interpola 
tion am leichtesten ausgesetzt sind, unmittelbar führen; schwieriger macht 
sich die annahme, dafs ein erzählendes gedieht seinen eignen flufs unterbro 
chen habe und erst in der mitte oder gar am schweif auszuarbeiten begon 
nen, ihm zuletzt der köpf angehängt worden sei. Doch ist nicht unwahr 
scheinlich, dafs der prolog zu Hartmanns Iwein (wie wir noch heute die 
yorrede eines buchs zuletzt schreiben) erst nach Vollendung des ganzen 
zugefügt wurde, und ob auch andere einzelne theile dieses werks zu ver- 
schiedner zeit gedichtet seien? fragte Lachmann, ohne es nachzuweisen, des 
Parzival sechzehn bücher, die neun des Wilhelm scheinen auf natürliche 
weise ganz nach einander abgefafst, eine stufenmäfsige zeit der abfassung liefs 
bei mehrern des Parzival sich deutlich aufzeigen. Auch für Otfrieds werk 
scheint ihm ein beweis gelungen, dafs zuerst das erste, dann das fünfte buch, 
zuletzt die mittleren theile gedichtet sind, und es wird auf einen anfangs 
nachlässigen, hernach fortschreitenden versbau geschlossen. 
Das sorgfältigste und feinste Studium des verschiednen Versbaus trat 
nun ein, und im alterthum der hochdeutschen dichtkunst waren noch nach- 
wirkungen der quantität auf den berschenden grundsatz der betonung zu 
spüren, welcher in zwei akademischen abhandlungen über das Hildebrands 
lied und althochdeutsche betonung lichtvoll und eindringlich erläutert wurde, 
wogegen die mittelhochdeutsche theorie der hebungen im commentar zu 
dem Iwein und den Nibelungen, etwas schwierig und allzu gedrungen, sich 
erörtert fand. Nächst der mittelhochdeutschen hatte Lachmann vorzugs 
weise die ihm zumal wollautende althochdeutsche spräche angebaut, der 
älteren und formgewaltigeren gothischen sich minder zugewandt, weil in ihr 
keine verse vorhanden, also für sie nur prosodische, keine metrische regeln 
zu gewinnen sind, wenigstens weifs ich mir seine mehrmals vorblickende 
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