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Jacob Grimm
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deutlich fassenden, bestimmt greifenden, gegliederten spräche entgegen, im
gesang aber tritt sie gesprochnen Worten hinzu und gibt ihnen feierliches ge
leit. Solchen menschengesang vergleichen mag man dem der vögel, welcher
über das bedürfnis thierischer schreie hinaus tiefere, anhaltende empfindung
bekundet, wie auch einzelne gelehrige vögel ihnen oft wiederholte weisen
ablauschen und herpfeifen, dennoch, so beseelt er scheine, ist der süfse
nachtigallenschlag immer derselbe und nur angeborne, unwandelbare fertig-
keit, unsre musik aber aus dem gefühl und der phantasie der menschen her
vorgegangen, überall verschieden. In Zeichen gesetzt kann das lied nach
gesungen, die musik nachgespielt, wie das wort aus dem buch gelesen werden.,
Die sprachmaschine, von der ich oben redete, gieng davon aus die menschen-
sprache weniger im gedanken als im wortschall nachzuahmen und physiolo
gisch hinter den mechanismus der grundlaute zu kommen.
Darin aber dafs musik, was ihr name andeutet, und poesie einer hö
heren eingebung beigelegt, göttlich oder himmlisch genannt werden, Zeug
nis für der spräche übermenschlichen Ursprung zu suchen, scheint schon
darum unstatthaft, weil die spräche, bei welcher eine gleiche annahme ge
bricht, jenen beiden nothwendig voran gieng. denn aus betonter, gemesse
ner recitation der worte entsprangen gesang und lied, aus dem lied die andere
dichtkunst, aus dem gesang durch gesteigerte abstraction alle übrige musik,
die nach aufgegebnem wort geflügelt in solche höhe schwimmt, dafs ihr
kein gedanke sicher folgen kann. Wer nun Überzeugung gewonnen hat, dafs
die Sprache freie menschenerfindung war, wird auch nicht zweifeln über die
quelle der poesie und tonkunst in Vernunft, gefühl und einbildungskraft des
dichters. viel eher dürfte die musik ein Sublimat der spräche heifsen als die
spräche ein niederschlag der musik.
Traun geheimnisvoll und wunderbar ist der spräche Ursprung, doch
rings umgeben von andern wundern und geheimnissen. schwerlich ein kleine
res liegt in dem der sage, die bei allen Völkern über den ganzen erdboden in
gleicher unermessenheit und abwechselung zuckt und auftaucht, durch lange
gemeinschaft der menschen erwachsen und weit fortgepflanzt worden sein mufs.
Nicht sowol in ihrem wesen selbst beruht das räthsel der spräche, als viel mehr
in unsrer schwachen künde von dem ersten Zeitraum ihrer erscheinung, da
sie noch in der wiege lag, den ich dadurch mir zu verdeutlichen strebte,
dafs ich kunstlose einfachheit sinnlicher entfaltung als sein merkmal setzte: