über den Ursprung der spräche.
9
r
und leicht ist wahrzunehmen, dafs je ausgebildeter jener kunsttrieb sich ent
faltete, desto weniger solches abrichten von statten geht, die biene oder
ameise wären für alle menschliche lehre unempfänglich, aber hund, pferd,
rind, falke nehmen sie bis auf einen gewissen grad an und ergeben sich dem
willen des menschen. alle jedoch, erliefse man sie dessen, würden gern
in ihre natürliche Ungezwungenheit zurück kehren und das angelernte ver
gessen. Das ganze thierleben scheint eine nothwendigkeit, aus der zuckende
richtungen oder blicke der freiheit sie nicht vermögen loszureifsen.
Die stimme mit welcher die thierweit für alle einzelnen geschlechter
einförmig und unabänderlich ausgestattet wurde, steht demnach in unmit
telbarem gegensatz zur menschlichen spräche, die immer abänderlich ist,
unter den geschlechtern wechselt und stets erlernt werden mufs. Was der
mensch nicht zu lernen braucht und alsobald in das leben tretend von selbst
kann, das bei allen Völkern sich gleich bleibende wimmern, weinen und
stöhnen oder jede andern ausbrüche leiblicher empfindung, das allein könnte
dem schrei der thierischen stimme mit recht an die Seite gesetzt werden,
das gehört aber auch zur menschensprache nicht, und läfst mit deren Werk
zeugen sich eben so wenig als der thierlaut genau ausdrücken, nicht einmal unf*?
vollständig nachahmen.
Wir wollen dem für des naturlauts unverrückbarkeit beigebrachten r
fall einen andern für das unangeborensein der menschensprache gegenüber °
halten und einmal setzen, dafs auf einem Schlachtfeld das neugeborne kind
einer französischen oder russischen mutter aufgenommen und mitten in
Deutschland erzogen würde; es wird nicht französisch, nicht russisch, son
dern gleich allen andern hindern, unter welchen es erwächst, deutsch zu
sprechen anheben, seine spräche war ihm nicht angeboren.
Dieselben gleichgearteten menschen, die heute uns geboren bald alle
laute und eigenheiten unsrer jetzigen spräche sich erwerben, würden vor
fünfhundert oder tausend jahren zur weit gebracht eben so leicht und un
vermerkt in den besitz alles dessen gelangt sein, was unsrer Vorfahren sprä
che von der heutigen unterscheidet, die besonderheit jeder einzelnen spräche
ist also abhängig von dem raum und der zeit, in welcher die sie übenden
geboren und erzogen werdeu, raum und zeit sind anlafs aller Veränderungen
der menschensprache, aus ihnen allein läfst sich die manigfaltigkeit und ab-
weichung der einem quell entstammenden Völker begreifen, der heutige