© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 204
Jacob Grimm
nur unbefriedigenden, stückhaften Untersuchung aus dem nothgedrungnen
abgang aller bildlichen darstellungen und jedweder sonst hier verschwende
risch dargereichten augenweide gar einen vortheil bereiten.
Plato hat in einem seiner geistreichsten und gewandtesten dialoge, im
Symposium das wesen des Eros unvergleichlich besprochen, eine gesellschaft
ron freunden war verwundert, dafs unter allen göttern allein Eros unbesun-
gen und ohne preis bleibe; man kam überein, jeder nach der reihe solle
auftreten und ihm die lobrede halten. Zuerst spricht Phaedrus und führt
aus, Eros sei einer der gröfsten und ältesten götter, den Hesiod alsogleich
hinter dem chaos neben der erde nenne, er treibe und feuere alle we
sen an. Pausanias besteht darauf, dafs man zwei Erote, den himmlischen
und gemeinen zu unterscheiden habe, wie es eine himmlische und ge
meine Afrodite gebe ( 1 ). Havcavlov navtrafj.ivov, heifst es wortspielend,
soll Aristophanes reden, der aber eben vom schlucken befallen wird und
dessen stelle Eryximachus einnimmt, er trägt vor, dieser doppelte Eros walte
in allen dingen der ganzen natur, wovon manche sinnreiche anwendung ge
macht wird; nun hat des Aristophanes schlucke nachgelassen und der redner
verdeutlicht des gottes grofse macht durch eine sagenhaft klingende fabel
von drei menschengeschlechtern, die anfangs vorhanden gewesen, einem
männlichen, weiblichen und mannweiblichen, deren seltsame gestalt ge
schildert wird, die aber Zeus unter Apollons beistand umgeschaffen habe,
bei welchem anlafs dann die leidenschaft der liebe entsprungen sei. Auf
diese wunderbare erzählung folgt Agathons gelungne rede, die nicht sowol
des gottes einflufs und Wirkung sondern ihn selbst darstellen will als den
schönsten, seligsten aller, den jungen, zarten, allerzeugenden gott, der den
menschen friede, dem meer stille, den winden ruhe schaffe, er sei %a^iroov 9
ifjiE^ovy 7roSw TTctr^y alle zuhörer stimmen diesem beredten preise laut bei.
Endlich erhebt sich Sokrates, der nicht eigentlich seine meinung zum besten
gibt, vielmehr hinterbringt, was ihm einmal die Weissagerin Diotima mitge-
theilt hatte, weder schön und gut sei Eros, weder gott noch mensch, son
dern zwischen beiden stehend ein daemon, kein seliger gott, weil ihm ja
das gut mangle, göttlichkeit mangel ausschliefse. Diotima erzählt eine sage (*)
(*) vom himmlischen Eros leitet er die liebe zu verständigen Jünglingen ah; man ver
gleiche über den gegensatz der frauenliebe und knabenliebe die reden des athenischen
Charikles und korinthischn Kallikratides in Lucians Amores.