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Jacob Gkimm
meilenlangen strecke aus, so dafs der gröfste häufe am fernsten, der kleinste
am nächsten dem hause des todten liegt, hierauf sammeln sich alle, die im
land die schnellsten pferde besitzen, wenigstens fünf oder sechs meilen von
dem ausgelegten gut und reiten nun zusammen um die wette darnach, wer
das schnellste pferd hat, erlangt den gröfsten häufen und so jeder nach dem
andern, bis alles weg genommen ist, der geringste fällt dem zu, welcher
dem hause zunächst bleiben muste. Ist auf solche weise des todten ganze
habe ausgetheilt, so trägt man ihn aus und verbrennt ihn mit seinen waffen
und kleidern. Durch das lange einlager und auslegen der güter auf dem
weg wird die habe schnell verschwendet. Übrigens verbrennen die Esten
alle ihre leichen und w t o man ein unverbranntes gebein findet, mufs starke
hufse dafür erlegt werden, sie verstehn sich aber darauf kälte hervor zu
bringen und darum können die todten bei ihnen lange liegen ohne zu faulen.
Diese Zauberei sieht eher lappisch und finnisch als deutsch aus und
auch die grofse güterverschwendung scheint dem geregelten erbrecht unsres
geschlechts widerstrebend; doch wem wird Vulfstans beobachtung ganz ge
nügen? leichenmale, leichenw r achen und spiele waren auch unserm alter-
thum gemäfs. das Wettrennen, wen mahnt es nicht ans pferderennen bei
Patroklus leiche? aber um Beovulfs brandhügel ritten gleichfalls die hei-
den (6332).
Vierhundert jahre später kann es nur undeutsche, finnisch redende
Esten geben. Heinrich der Lette (f um 1228) (*) meldet zum j. 1210: sed
Estones tristia funera multis diebus colligentes et igne cremantes, exsequias
cum lamentationibus et potationibus multis more celebrabant. und zum
j. 1225: et receperunt uxores suas tempore christianitatis suae demissas, et
corpora mortuorum suorum in coemeteriis sepulta de sepulchris effoderunt
et more paganorum pristino cremaverunt. wie man sonst verbrannte leichen
begrub, werden begrabne hier wieder ausgegraben um sie des heiligen bran-
des theilhaft werden zu lassen. Auch von den Kuren wird das verbrennen
der todten p. 68 zum j. 1209 versichert: Curones a civitate recedunt et col-
lectis interfectis suis ad naves revertuntur et transita Duna triduo quiescentes
et mortuos suos cremantes fecerunt planctum suum super eos. In diesen
kurzen nachrichten Heinrichs ist nichts was denen Vulfstans widerspräche,
(*) In Grubers origines Livomae sacrae et ciyilis. Francof. et Lips. 1740 p. 58. 155.