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Conrads andenken frischer war) wirklich aus seiner feder geflossen sei. Die
gelehrte bildung seines Zeitalters hatte er sich früh erworben.
Nirgend gewährt dieser codex den namen archipoeta, wol aber ver-
räth er uns plötzlich, im anziehenden liede 51* einen andern, vielfache erin-
nerungen aufregenden: der dichter, dessen leier in trauern gesenkt ist, hiefs
Walther, gleich jenem englischen Walther Map, gleich unserm deutschen
Walther von der Vogelweide, der ihm beinahe ebenzeitig erscheint, von des
sen liedern einige gerade unter die lateinischen hier gemengt werden. Wer
nichts vom archipoeta wüste und dies lateinische gedieht in einer offenbar
Deutschland und dem beginn des dreizehnten jahrhunderts angehörigen hand-
schrift läse, würde ihm nicht die cithara VTaltheri unbedenklich die unsers
berühmten deutschen Sängers sein? Dennoch ist es blofser schein, den man
alsbald wieder fahren läfst. Der minnesänger, wenn auch vielgewandert, bis
in die Lombardei und vielleicht ins heilige land vorgedrungen, hat sich doch
hauptsächlich an höfen des inneren Deutschlands aufgehalten, der archipo
eta, so viel wir wissen und mutmafsen, fast nur in den Rheingegenden, län
gere zeit in ganz Italien und in Frankreich; von so naher berührung mit den
Welschen, von Friedrich Rothbarts siegeszügen, von Reinald beim Vogel-
weider keine spur. Dieser mag zwanzig, dreifsig jahre später geblüht haben,
seine dichtkunst ist edler, wärmer, feingebildeter, wenn auch nicht kräftiger
und voller als die ausschweifende und zügellose des Vaganten. Noch mehr
entscheidet, dafs Walther von der Vogelweide gar keine lateinische bildung
kund gibt (*), und dem ritterstande angehört, der archipoeta, sei er nun blofs
Scholar oder wirklicher clericus gewesen, dem geistlichen. Wären beide ein
und derselbe dichter, so würde doch wol eins der deutschen lieder jenes
einem der lateinischen dieses begegnen; einzelne gegenstände, z. b. Philipps
ermordung könnte jeder von ihnen besungen haben : bliebe uns von dem
Vogelweider ein gedieht auf sie übrig, wie weit würde es die flachen redens-
arten des lateinischen (52*) hinter sich lassen. Mit dem lateinischen VTalte-
rus (51*) einerlei sein mufs doch der Galtherus (97 ö ), welcher sich scherz
haft einen subprior nennt, oder einen abbas cucaniensis (97 a ). Übrigens ge-
( f ) Das 'set libera nos ä mälo 5 17, 38 wird man nicht anschlagen; die formel war aus
dem pater noster auch dem laien bekannt und wird oft angewandt, z. b. im lied von sacer
dos et lupus 17, 4.
W (V/.^T.nn Gatten);
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