— 28 —
M
ipse jugo cesaris terram subjugavit
et me de miserie lacu liberavit.
Ich führe die stelle ausdrücklich an, wenn jemand bezweifeln wollte, dafs
das lied von dem Verfasser der acht vorhergehenden ausgegangen sei, deren
art und weise es nirgend verleugnet.
Wir schreiten fort zu dem zehnten lied, dessen reicher inhalt, dessen
eigenthümliche berührung mit dem vierten aufschlüsse über den Verfasser
herbeiführen und uns die ganze art und weise dieser poesie genauer enthüllen
soll. Im vierten nemlich schien sich der dichter vor dem kanzler, der ihn
der Saumseligkeit geziehen haben mochte, zu rechtfertigen. Von den 32 Stro
phen des vierten gedichts kehren nun sechs auch in dem zehnten wieder,
das ihrer überhaupt nur 25 zählt; aufser den sechs ihnen beiden gemein
schaftlichen hat demnach das vierte 26, das zehnte 21 eigne, woraus folgt,
dafs, wäre man berechtigt beide bearbeitungen zu verschmelzen, das ganze
53 Strophen bilden würde. Solche Verschmelzung wäre aber unzulässig,
gleichwol bekennen sich beide recensionen zu demselben dichter, der seinen
ersten entwurf hernach wieder umzugiefsen sich veranlafst fühlte. Beide das
vierte wie zehnte wurden augenscheinlich nur für den erzkanzler gedichtet,
und in jedem ist er ausdrücklich angeredet, die vertheidigung scheint aber im
zehnten ofner und vollständiger angelegt; ich wage nicht zu bestimmen, wel
che fassung als die erste oder zweite anzusehn sei, in der des vierten gedichts
ist mehr rückhalt. Im zehnten klagt sich der dichter selbst an, dafs ihn drei
dinge (*), frauenliebe, spiel und wein zu gründe richten, ohne wein er aber
verse zu machen nicht vermöge. Das vierte äufsert sich ausführlicher gegen
der gemeinen bänkelsänger unwürdigkeit. Alle diese geständnisse sind in
solcher fülle und behendigkeit der spräche abgelegt, dafs sie jeden zweifei
an dem wahrhaftigen beruf ihres Verfassers für die poesie niederschlagen:
sie scheinen mir das vollendetste was mittellateinische mit ihren mittein über
haupt hervorbringen konnte; flufs und wollaut der rede, die gewalt des
reims sind unvergleichlich.
Kaum aber wird einem, der diese Strophen hat vorlesen hören, etwas
nicht einfallen. Einige gerade der schönsten sind unserm gedächtnis lange
eingeprägt, und werden in der literargeschichte, wie wir jetzt erkennen, aus
(*) Die drei bekannten W: weiber, würfel, wein.