Uber
zwei entdeckte Gedichte aus der Zeit des
deutschen Heidenthums.
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Indem ich bei mir überlegte, welcher Gegenstand aus dem Bereiche mei
ner Arbeiten, wenn ich zum erstenmal die Ehre hätte vor dieser Versamm
lung zu reden, würdig wäre ihrer Nachsicht theilhaft zu werden; enthob
mich allen Zweifeln ein jüngst gemachter so überraschender Fund, dafs des
sen ungesäumte mir anvertraute Bekanntmachung selbst dann ihren Werth
zu behaupten im Stande sein wird, wenn die zuerst angesetzten Kräfte noch
nicht hinreichen sich seiner völlig zu bemächtigen. Ich meine die Entdek-
kung zweier Gedichte, deren Abfassung über die christliche Zeit unsers va
terländischen Alterthums weg noch in die heidnische zurückweicht. Von
Umfang nur gering, scheinen sie durch erwünschtesten Aufschlufs, den sie
plötzlich über verdunkelte Lagen und Verhältnisse an Hand bieten, ange
strengte Sorgfalt zu verdienen, falls man überhaupt geneigt ist diese dem
einheimischen so eifrig wie dem ausländischen zu erweisen.
Vor allem jedoch habe ich den Zoll der Dankbarkeit dem Finder die
ser unschätzbaren Denkmäler zu entrichten. Und wie durch die pertzischen
monumenta historica Germaniae regerer Sinn für deutsche Geschichtsquellen
überhaupt unter uns auflebt, haben auch über das eigentliche Feld unsrer
Geschichte hinaus die andern Wissenschaften das davon getragen, dafs die
älteren Handschriften aller Bibliotheken fleifsiger und kenntnifsreicher un
tersucht werden, als zuvor geschah. Vorzüglich wurde aber der Geschicht-
forscher Aufmerksamkeit auf altdeutsche Sprachquellen gelenkt, seit man
endlich zu der verspäteten Einsicht gelangt war, dafs älteste Geschichte und
Geographie ohne Erlernung unsrer alten Sprache in ihren meisten Fort-
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