Full text: Brief von Adolf Friedrich Hesse an Louis Spohr

Scalen besteht, können das Interesse nicht fesseln; dabei
werden nicht selten die Gesetze der Harmonie mit
Füßen getreten. Andere Komponisten haben auch schreckliche
Situationen geschildert, dabei haben sie aber die Schönheit
der Kunst nie aus dem Auge verloren; da schwöre ich
doch lieber zur alten Fahne, statt daß ich Hr. Wagner
als einen Reformator der Oper, für den er sich selbst
hält, anerkenne. Wenn dumme Menschen
sagen, Sie, verehrter Freund, modulirten zuweilen
zuviel, so sollen sie nur den Wagner studieren, und sie
werden finden,daß Sie dagegen nur Dreiklänge
geschrieben haben. Wenn ich Don Juan, Zauberflöte etc., Faust,
Jessonda etc. 4händig am Klavier spiele, ganz abgesehen von
Gesang, Bühne, Orchester etc. so habe ich schöne Musik, die
mein Herz erfreut und deren schöne Formen mir
wohl thun; der fliegende Holländer wäre in solcher
Gestalt ein formloses Monstrum. Der 2te Act beginnt
mit einem Spinnerliede, aber welch’ eines! Wie
gequält und schwülstig, ohne Harmlosigkeit; ein
solches Spinnerlied sich vom Volke gesungen zu denken,
ist eine Unnatur; an Haydn’s Jahreszeiten, an
Boieldieus weißer Dame könnte Hr. Wagner lernen
ein heiteres, harmloses Spinnerlied schreiben. Wenn
ich viel solcher Musik wie den fliegenden Holländer
hören müßte, so würde ich Musik verlernen. —
Wie geht es Ihnen sonst? Musiziren Sie viel; wie
sehne ich mich nach einem Quartette in Ihrem Hause!

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