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diese Worte durchaus verständlich. Von dem Verwalter einer fürstlichen Biblio- Großer Büchersaal der Landesbibliothek zu
thek erwartete man weniger, daß er den angesammelten Fundus zu einer Kassel im Museum Fridericianum 1892
leistungsfähigen Benutzungsbibliothek organisierte, sondern, wie wir gesehen
haben, daß er sie zum literarischen Ruhme des Landes und des dieses Land
repräsentierenden Fürstenhauses angemessen auswerte, wie die Vorgänger es
getan hatten. Die Brüder Grimm aber hatten das nicht getan. Sie fühlten sich zwar
als gute Ffessen. Ihre Märchensammlung suchten sie noch als „echt hessische“
vorzustellen; aus den Beständen der Bibliothek gaben sie das Hildebrandlied
heraus, wie Casparson es mit dem Willehalm getan hatte. Aber ihre wissenschaft
liche Tätigkeit verselbständigte sich zusehends und ging über den einem
Hofbiliothekar gesteckten Rahmen immer weiter hinaus. Deutsche Sagen,
Deutsche Grammatik, Deutsche Runen, Deutsche Rechtsaltertümer, Deut
sche Heldensage hieß es seit 1816 in den Titeln ihrer Bücher. Und als Jacob
Grimm in Göttingen seine Antrittsrede „De desiderio patriae“, „Über den Trieb
zum Vaterlande“ gehalten hatte, da erläuterte er das dem Freund Lachmann
gegenüber: Unter dem desiderium patriae meinte ich heimlich auch Hessen mit,
führte es aber hauptsächlich auf Deutschland und die deutsche Sprache aus. Dies
rechtzeitig zu verstehen und in der Arbeit der Grimms einen höheren Ruhm zu
sehen, war dem Kurfürsten eben noch nicht gegeben.
Mehr als zwei Jahrhunderte hatten in Kassel die Künstler und Wissen-