Full text: 400 Jahre Landesbibliothek

19 
diese Worte durchaus verständlich. Von dem Verwalter einer fürstlichen Biblio- Großer Büchersaal der Landesbibliothek zu 
thek erwartete man weniger, daß er den angesammelten Fundus zu einer Kassel im Museum Fridericianum 1892 
leistungsfähigen Benutzungsbibliothek organisierte, sondern, wie wir gesehen 
haben, daß er sie zum literarischen Ruhme des Landes und des dieses Land 
repräsentierenden Fürstenhauses angemessen auswerte, wie die Vorgänger es 
getan hatten. Die Brüder Grimm aber hatten das nicht getan. Sie fühlten sich zwar 
als gute Ffessen. Ihre Märchensammlung suchten sie noch als „echt hessische“ 
vorzustellen; aus den Beständen der Bibliothek gaben sie das Hildebrandlied 
heraus, wie Casparson es mit dem Willehalm getan hatte. Aber ihre wissenschaft 
liche Tätigkeit verselbständigte sich zusehends und ging über den einem 
Hofbiliothekar gesteckten Rahmen immer weiter hinaus. Deutsche Sagen, 
Deutsche Grammatik, Deutsche Runen, Deutsche Rechtsaltertümer, Deut 
sche Heldensage hieß es seit 1816 in den Titeln ihrer Bücher. Und als Jacob 
Grimm in Göttingen seine Antrittsrede „De desiderio patriae“, „Über den Trieb 
zum Vaterlande“ gehalten hatte, da erläuterte er das dem Freund Lachmann 
gegenüber: Unter dem desiderium patriae meinte ich heimlich auch Hessen mit, 
führte es aber hauptsächlich auf Deutschland und die deutsche Sprache aus. Dies 
rechtzeitig zu verstehen und in der Arbeit der Grimms einen höheren Ruhm zu 
sehen, war dem Kurfürsten eben noch nicht gegeben. 
Mehr als zwei Jahrhunderte hatten in Kassel die Künstler und Wissen-
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.