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Politik Karl Bernhardi (1799-1874)
5. i.
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§ / des Gesetzes vom 27. 2. 1831, die Bil
dung und Verwaltung des [kurhessischen]
Staatsschatzes betreffend
In dem Kapitel „Philologie“ habe ich schon auf einen der bedeutendsten
Vertreter unseres Berufsstandes in Kassel, Karl Bernhardi, hingewiesen.
Bernhardis Jugend und Studienzeit standen ganz unter dem Eindruck der
Hoffnungen und Enttäuschungen, die alle Welt nach den Befreiungskriegen
bewegten. Das war die Zeit der Gründung der studentischen Bruderbünde, der
Burschenschaften, die sich von den alten Landsmannschaften absetzten; ein
gewisser Ausgleich wurde im Dezember 1816 mit Gründung der ersten Allgemei
nen Deutschen Burschenschaft in Marburg erreicht. Allenthalben an den
deutschen Universitäten, vorab in Jena, brodelte es unter der Studentenschaft, die
sich nach den Befreiungskriegen ihrem Ziel, der Erlangung politischer Freiheiten
und staatlicher Einheit, so nahe gefühlt hatte. Am Wartburgfest (18. 10. 1817) hat
Bernhardi nicht teilgenommen; radikale Reformbestrebungen waren nicht seine
Sache. Eine wegen seiner Teilnahme an der Jenenser Burschentagung eingeleitete
Untersuchung gegen ihn wurde niedergeschlagen, weil ihm nichts Staatsfeindli
ches nachgesagt werden konnte. Das Gedankengut der Burschenschaftsbewegung
jedoch, soweit es seinen idealen Vorstellungen von Einheit und Freiheit ent
sprach, blieb Triebfeder für sein politisches Handeln und Wollen bis zu seinem
Tode.
Bernhardis Rückkehr in die Heimat fiel just in die Zeit der Julirevolution,
die von Frankreich auf Deutschland Übergriff. Die kleinkarierten, erzreaktionä-
ren Kurfürsten hatten sich ihrem Volk vollständig entfremdet, Beamtenwillkür,
übermäßige Steuerlasten, die zerrütteten Familienverhältnisse Wilhelms II,
zerstörten den letzten Rest von Zutrauen zum angestammten Fürstenhaus. Durch
die Juliereignisse in Paris verschreckt, mußte sich der Kurfürst im September 1830
zu gewissen Konzessionen bereiterklären. Die Landstände erreichten es, daß
endlich fürstliches Privatvermögen und Staatsschatz getrennt wurden und vor
allem eine gemäßigt fortschrittliche Verfassung vereinbart wurde. Immerhin
wurden Grundfreiheiten garantiert, Pressefreiheit gewährt, der Ständeversamm
lung die Befugnis zur Steuerbewilligung versprochen. Die Zensurbestimmungen
hatten wie ein Damm Meinungsäußerungen zu aktuellen politischen Themen
zurückgehalten, eine „öffentliche Meinung“ durfte es nicht geben. Nun brach
sich das erwachende Selbstbewußtsein des Bürgertums Bahn, diejenigen, die in
den Befreiungskriegen Kopf und Herz nicht auf Befehl, sondern freiwillig um
eines freien Deutschland willen hingehalten hatten, wollten ihren Teil am Aufbau
des Gemeinwesens tragen, für das sie bereitgewesen waren, ihr Leben zu geben.
Fluten von Broschüren, Flugschriften brachen hervor.
Der Optimismus, den Bernhardi in seiner Studentenzeit gehegt hatte,
schien sich, wenn auch spät, zu rechtfertigen: Er hatte damals in Marburg, als er
sich um einen Zusammenschluß aller Studenten in der Burschenschaft bemühte,
gehofft .. .daß Alle, welche in Deutschland berufen sind, unter den verschiedenen
Fürsten die deutschen Lande zu regieren, während drei bis vier Jahren gemein
schaftlich die Universitäten besuchen. Wenn man es also dahin bringen könne, daß
diese Studirenden während ihres Zusammenlebens auf den Hochschulen sich über
das, was dem deutschen Vaterlande Noth thue, verständigten, so werde man auf
einem friedlichen und naturgemäßen Wege zu einer den Bedürfnissen entspre
chenden Ausbildung der deutschen Verfassungen gelangen. (Lebenserinnerungen;
in: Strieder 20, 1863, S. 28.) Nun wurde im Januar 1831 die Verfassung
verabschiedet, ihre Bestimmungen mußten mit Leben erfüllt werden, es mußte
ein Organ geschaffen werden, in dem offen und gezielt über politische Grund-