Bruce’ Spuren in das „Innere von Afrika“ hineinflüchtete. Doch was Strieder uns
hinterließ, erfüllt noch heute auch Nicht-Hessen mit Bewunderung. Da ist vor
allem seine posthum auf 21 Bände angewachsene „Grundlage einer hessischen
Gelehrten- und Schriftstellergeschichte“ (1781 ff.), die in Lexikonform, aber
durchsetzt von zahllosen Unterartikeln, Anmerkungen und Einschüben, Anga
ben über hessische Persönlichkeiten bringt, die sonst oft fast nicht mehr greifbar
sind. Von größtem Wert seine Literaturangaben, die Bibliographien der Veröf
fentlichungen dieser Personen. Die Fehlerquote ist ganz erstaunlich gering.
Dieser Mann, der sich hart hatte durchkämpfen müssen, der sein schmales Salär
durch Schreibarbeiten in einer Karlshafener Handelsgesellschaft, durch Redak
tion verschiedener Zeitungen etc. hatte aufbessern müssen, verdient unsere größte
Hochachtung. Aus seinen anderen Arbeiten sei nur hervorgehoben, daß er, der
Buchdrucker- und -händlersohn aus Rinteln, vor Panzer und Hain exakte
typographische Angaben über Frühdrucke in Kasseler Bibliotheken machte
(1785ff.). Seine Collectaneen in der Handschriftenabteilung unserer Bibliothek
sind unerschöpfliche Quellen zur Hessischen Geschichte und legen ein fast
bedrückendes Zeugnis ab vom Fleiß eines Bibliothekars und der Gabe, Wissen
aufzubereiten und weiterzugeben.
Selbstverständlich mit in diese Reihe bedeutender hessischer Geschichts
schreiber gehört Christoph (VON) Rommel, den wir auf dem Umweg über sein
Krimabenteuer als klassischen Philologen und Verehrer glutäugiger Schönen
kennengelernt haben. Hier zunächst seine Daten: * 17. 4. 1781 Kassel, Studium
Philologie und Ethnologie Göttingen, 1803 Dr. phil., bis 1804 Privatdozent
Göttingen, 1804 ao. Prof, der Beredsamkeit und der griechischen Sprache
Marburg, 1805 o. Prof., seit 1810 lehrte er Geographie, Ethnographie und
Statistik, griechische und lateinische Sprache, Rhetorik, römische Altertümer,
alte Geschichte, Juli 1810 o. Prof, für römische Literatur, Direktor des
pädagogischen Instituts und Vorsitzender der Akademie in Charkow (Ukraine)
bis Juli 1814, 1815 o. Prof, der Geschichte Marburg, 1820 Direktor des
Hofarchivs Kassel, Historiograph des Hauses Hessen, 1828 kurhessischer
erblicher Adelsstand, 1829 Direktor der Landesbibliothek, f 21. 1. 1859 Kassel.
Immerhin war es, ähnlich wie bei Johann Hermann Schmincke, auch in der ersten
Hälfte des 19. Jh. noch ein sozialer Aufstieg vom Professor zum Archiv- und
Bibliotheksdirektor.
Rommels Hauptwerk, auf das hier im wesentlichen nur eingegangen
werden soll, ist seine zehnbändige unvollendete „Geschichte von Hessen“
(1820-58).
Rommel wurde 1815 nach dem Rußlandabenteuer als Geschichtsprofessor
in Marburg eingestellt, er war also von der Philologie, der „Beredsamkeit“, der
griechischen Sprache, der Geographie, der Ethnographie und Statistik zur
Historie gekommen, und wenn man sich Rommels Artikel „Hessen“ in der
Enzyklopädie von Ersch-Gruber ansieht, kann man feststellen, daß bis auf die
alten Sprachen alle diese Gebiete deutliche Spuren in seiner Arbeitsweise
hinterließen. So hat er in der Geschichtsschreibung sein Bestes geleistet. Er ging
weg von seiner früheren Arbeitsmaxime, die Dinge nicht, wie sie wirklich waren
zu sehen, sondern nach angelesenen theoretischen Maßstäben zu klassifizieren.
Dazu kam, daß Rommel immer ein Mann voller Ehrgeiz gewesen ist, der äußere
Ehren über alles setzte, trotz allem doch immer mehr Hofmann als Gelehrter.
Es ist kein Ruhmesblatt für den Sachverstand des Kurfürsten Wilhelm II.,
daß Rommel 1829, nach dem Ausscheiden Völkels, bei der Besetzung der
Direktion der Bibliothek den Brüdern Grimm vorgezogen wurde, und er zeigte
selbst offenbar wenig Interesse, den Ignoranten auf dem Fürstenthron von der
überragenden Bedeutung der Brüder zu unterrichten. So tritt der paradoxe Fall
ein, daß Rommel in dem Augenblick, in dem er als Bibliothekar die Szene betritt,
sicher ohne Absicht den schmählichsten Schlag eben jener Bibliothek zufügte.
Dieser Schandfleck wird Kassel immer anhaften, und es ist nur ein geringer Trost,