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Karl Heldmann (1869-1943)
Johann Arckenholtz (1695-1777)
Ernst Wilhelm Cuhn (1756-1809)
Orts- und Landesgeschichte sind, wie gesagt, ex officio fast Tummelplätze
für Landesbibliothekare; grenzüberschreitend arbeiten nur wenige. Anlässe für
diese Machterweiterung bieten meist äußere Umstände: Heldmann (s. Philologie)
wurde Professor für mittelalterliche Geschichte, Arckenholtz (s. u.) ist Schwede
und interessiert sich für den hessisch-schwedischen Landgrafen-König Friedrich
I. - Landesgeschichte also mit europäischer Aura -, Völkel (1762-1829) kommt
dahin qua Kunstgeschichte, für die er sich auch von Amts wegen als Museumslei
ter zu interessieren hat.
Karl Heldmanns (1869-1943) Weg führte, wie schon erwähnt, folge
richtig vom Marburger Geschichtsstudium, Promotion über ein regional
begrenztes, doch im gesamtdeutschen Rahmen stehendes Thema „Geschichte der
Deutschordensballei Hessen...“ zur Landesbibliothek Kassel (1894-98) und
schließlich zum Extraordinariat für mittelalterliche Geschichte in Halle. Er war
ein politisch unbequemer Mann, dem 1917 sein Vorprellen gegen annexionisti-
schen Nationalismus Suspendierung einbrachte, die nach Kriegsende aufgehoben
wurde; schon frühe 1933 nahm er seinen Hut, weil er, der alte Föderalist, im
völligen Dissens mit dem hitlerschen Nationalismus lebte, die sich anbahnende
Katastrophe voraussah, ahnte, daß sich die Vorgänge aus dem Kriege wiederholen
würden, nur viel schrecklicher.
Auf die Suspendierung von 1917, die ein böses Licht auf die politischen
Verhältnisse des in der Agonie liegenden Kaiserreiches wirft, müssen wir hier
eingehen; überhaupt ist die Anzahl von Veröffentlichungen Heldmanns, die sich
mit der aktuellen politischen Situation befassen, nicht unbedeutend. Sein Mut, für
sittliche, christliche und möglicherweise gelegentlich etwas weltfremde politische
Ideale ohne Rücksicht auf seine Person einzustehen, muß uns die größte
Hochachtung abnötigen. Seine Zivilcourage, gegen den preußischen Militaris
mus, die Indoktrination politisch Andersdenkender aufzustehen, ist bemerkens
wert und höchst aktuell, von welchem Lager aus auch betrachtet. Sein Ideal ist es,
... den geistigen Starrkrampf zu lösen (Heldmann: Kriegserlebnisse eines deut
schen Geschichtsprofessors in der Heimat. Ludwigsburg 1922, S. VI.) Man gerät
ins Nachdenken, wenn man liest, daß es Heldmann darum geht, an diesem
Beispiel ... die geistig verheerenden und praktisch verhängnisvollen Wirkungen
historischer, politischer und militärischer Zwangsvorstellungen aufzuzeigen, deren
Opfer insbesondere auch die akademisch gebildeten Kreise der deutschen Intelli
genz ... (a. a. O.) geworden sind.
Zur Sache: In einem Brief vom 30. 7. 1917 aus Kassel berichtet sein
Freund Bruno Jacob (1881-1954), Journalist und dem hessischen Landeshistori
ker wohlbekannter Schriftsteller, über den aufwendigen Haushalt der Kaiserin im
Schloß Wilhelmshöhe, während die Bevölkerung Hunger leide. Er zitiert dabei
Volkes Stimme in Gestalt seiner Putzfrau, die da gesagt hatte: Jetzt will ich mein
Marinefett (Margarine) holen, die Butter frißt ja das Mensche da oben wieder.
Heldmann schrieb zurück, nicht ahnend, daß seine Post seit einiger Zeit
zensiert wurde, und gebrauchte ebenfalls das verdächtige Wort, wenn auch in
Anführungszeichen: ...über Ihre Zeilen erfreut u.z.T. höchlich amüsiert.
Namentlich über die Bürofrau. Ich hatte erwartet, ,das Mensche‘ würde in diesem
Jahr bleiben, wo es hingehört. Aber die mens conscia recti ist diesen Leuten längst
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