Full text: 400 Jahre Landesbibliothek

Vorwort 
400 Jahre Landesbibliothek. Das ist eine ehrfurchtgebietende Zeit; ent 
sprechend eingestimmt sehen wir uns die Gebäude an, die diese Institution 
beherbergten: Da ist der Renthof am Altmarkt. Hier wurde sie exakt am 
20. November 1580 so nebenher ins Leben gerufen. Heute ist dort ein Alters 
heim. Dann der Marstall. Dort ist Gemüsemarkt, und das Stadtarchiv soll auch 
bald ausziehen. Dann das Schloß. Es ist schon lange vom Erdboden verschwun 
den. Dann das weltberühmte Museum Fridericianum. Eingeworfene Fenster 
scheiben, kahles Innere, kein richtiger Wiederaufbau bis in jüngste Zeit. Eine 
Schande für Kassel! Allenfalls die documenta erweckt diesen prächtigen Bau 
gelegentlich zum Leben, immerhin. 
Was feiern wir also: Den Geburtstag einer Bibliothek, die es nicht mehr 
gibt? Das Continuum einer Institution? Was ist das hier, die Institution? 
Gegenstände, also Bücher, Bibliothekare, Regeln, Dienstleistungen? Nichts mehr 
ist davon übrig, nur eine ,Geschichte' blieb, die keinen handfesten Gegenwarts 
bezug mehr hat, weil das Handfeste, eben die Bücher, fehlen, verbrannt sind. 
Oder feiern wir ein Fortleben gewisser Rituale in der rauhen Gegenwart einer 
Gesamthochschul-Bibliothek, an der Geschichte bisweilen nur als Epitheton 
ornans angesehen wird? Auch das will nicht recht schmecken. 
Was ist also wirklich geblieben - außer der immer neuen Trauer über die 
entsetzliche Brandnacht vom 8. auf 9. September 1941? Da ist einmal jener 
Schatz, der den Ruhm der alten Landesbibliothek mit begründete: die Hand 
schriften. Gewiß, einige fehlen, sei es, daß sie beim Brand nicht in den 
feuersicheren Schränken im ,Zwehrenturm‘ ruhten oder sonst vernichtet wurden; 
sei es, sie gingen in den Wirren des Kriegsendes an Auslagerungsorten oder auf 
Transporten verloren. Aber immerhin, einige wissen wir wohlverwahrt und 
sorgsam gehütet in einer anderen Bibliothek. Das ist besser als verloren. 
Dann blieben die Kataloge, der alphabetische und der Sachkatalog. Mit 
deren Hilfe kann man immerhin theoretisch den Altbestand rekonstruieren. 
Und dann blieb das, was die Bibliothekare hinterlassen haben, Arbeiten 
durchaus nicht nur mit Bibliotheksbezug, sondern auf allen Feldern der 
Wissenschaft, auch der Literatur, Kunst, Musik. Bibliothekare leben im 
Bewußtsein der Öffentlichkeit als Sammler, Verzeichner und Verwalter von 
Literatur, als Dienstleistende, Helfershelfer für Forschung, Lehre, Lernen und 
Unterhaltung. Das ist auch gut so. Daß ihnen aber durchaus noch eine weitere 
Aufgabe zukommt, nämlich die aktive Beteiligung am literarischen Leben, auch 
wo es über die reine Fachliteratur hinausgeht, das läßt sich hier am Beispiel der 
Kasseler Bibliothek zeigen. 
Am nächsten liegen landeshistorische Themen; so sind es Bibliothekare, 
die die Grundlagen für eine Landesgeschichtsschreibung zusammen mit ihren 
Halbbrüdern, den Archivaren gelegt haben, und nicht Hochschullehrer. Sie 
haben ja die Quellen zum Greifen nahe um sich und wissen sie zu brauchen. 
Doch betrachtet man die Bibliographie der Veröffentlichungen Kasseler Biblio 
thekare - freilich auch Titel, die vor und nach ihrer Kasseler Zeit liegen, diese 
Freiheit habe ich mir genommen -, so wird deutlich, daß das Provinzielle, die 
Beschäftigung sozusagen mit der eigenen Familie bei weitem nicht alles ist: 
Nikolaus Krug war Astronom und Physiker, Arckenholtz schöngeistiger Histo- 
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