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Grußwort
Landgraf Wilhelm IV. schrieb im Jahre 1580 im Zusammenhang mit der
Fertigstellung des neuerrichteten Kanzleigebäudes in Kassel in einem Brief, daß er
die neue Kanzlei außer mit anderen Schmuckgegenständen auch mit einer
schönen Bibliothek von Büchern aller Art geziert habe.
Die Gründung der ehrwürdigen Kasseler Landesbibliothek vor 400 Jahren
war demnach - neben anderen - von so bildungs- und wissenschaftsfremden
Motiven wie Erhöhung des höfischen Glanzes und Stärkung des fürstlichen
Ruhmes begleitet.
Daß die Landesbibliothek trotz dieser - aus heutiger Sicht - etwas
trivialen Begleitumstände der Gründung auch mit der Ruhm- und Prachtliebe
ihrer fürstlichen Gründer nicht schlecht gefahren ist, zeigt ein Blick auf die
kostbaren Bestände der Handschriftenabteilung, die in diesem Umfang ohne die
Begeisterung der Landesherren für seltene, schön und kostbar ausgestattete
Bücher nicht vorhanden wären.
Die Landesbibliothek ist in der Folgezeit bei den Landesherren nicht
immer auf gleichmäßiges und ungeteiltes Interesse gestoßen und doch ist einer
von ihnen - Landgraf Moritz, der „Gelehrte“ - dafür verantwortlich, daß die
Bibliothek überhaupt noch in Kassel vorhanden ist. Indem er in seinem Testament
die Unteilbarkeit der Bibliothek festlegte, vereitelte er den 1653 entstandenen
Plan, bei der Rückverlegung der Universität von Kassel nach Marburg auch die
Bibliothek nach Marburg zu verlegen und nur die Bücher in Kassel zurückzube
halten, die die Universität für ihren Lehrbetrieb nicht brauche.
Es erscheint durchaus beziehungsvoll, daß die Landesbibliothek - nach
dem dies im Jahre 1653 verhindert werden konnte - 1976 doch noch Universitäts
bibliothek geworden ist, allerdings jetzt ohne Kassel verlassen zu müssen, da sie
in das Bibliothekssystem der Gesamthochschule Kassel übernommen wurde.
Die neue „Gesamthochschul-Bibliothek Kassel - Landesbibliothek und
Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel“ steht damit in einer gewichtigen
Tradition, die sich sowohl aus der Geschichte der Landesbibliothek - einer
landesherrlichen Gründung - wie auch aus der Geschichte der Murhardschen
Bibliothek - einer Stiftung des bürgerlichen Zeitalters - herleitet. Daraus ergeben
sich Verpflichtungen sowohl der Wissenschaft als auch den Bürgern der Region
gegenüber.
Am Beginn der Geschichte der Landesbibliothek vor 400 Jahren stand ein
Neubau, das landgräfliche Kanzleigebäude, der heute noch in Kassel zu
besichtigende und nach Zerstörung wiederaufgebaute „Renthof“.
1980, zum Zeitpunkt des 400jährigen Bestehens, befinden sich, nachdem