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Fotokopie eines Zeitungsberichtes in der "HNA" über die Not
lage der Bevölkerung im Jahre ^>9^-7
Weihnachtsmarkt der späten 40er Jahre v (Fotos: Eberth)
A dvent 1947: In Kassel ste
hen an einem Mittwoch
alle Räder still. 40 000
Menschen demonstrieren.
Die Angehörigen fast aller Betriebe
einschließlich der Straßenbahn
und des Eisenbahn-Ausbesse
rungswerkes folgen dem Ruf der
Gewerkschaften. Die „Steuerung
der Not" wird gefordert, nachdem
der Gewerkschaftsführer Paul Pfet-
zing wenige Tage zuvor in einer
Betriebsräteversammlung in den
Henschelhallen erklärt hatte, der
Zustand in der Ernährung habe
den Tiefpunkt des Elends erreicht.
Wenn der Polizeipräsident nicht
in der Lage sei, den Schwarzmarkt
abzustellen, müßten die Betriebs
räte an den Schwarzmarktstätten
aufmarschieren und Abhilfe schaf
fen, betont Pfetzing. Hunger, Käl
te, Krankheit, Unterernährung,
Säuglingssterblichkeit - eine bitte
re Zeit,
„Mehr Winterbrand, mehr Klei
dung und Schuhe, gerechte Vertei
lung des Wohnraumes, sofortige
Abgabe von Butter oder Fett, so
fortige Lieferung des zweiten Zent
ners Kartoffeln an die Bevölkerung,
Kampf gegen die Korruption“ -
das sind die Hauptforderungen an
gesichts der großen Not.
„Im Kreis Wolfhagen werden wei
tere 30 kg Kartoffeln pro Kopf der
Bevölkerung zur Einkellerung frei
gegeben, da der Kreis sein bisheri
ges Ablieferungssoll erfüllt hat",
Wurst gestohlen
steht in den „Hessischen Nachrich
ten“ im November 1947, Auf sei
nem Gartengrundstück Schwanen-
weg hat der Kleingartenverein
Schwanenwiese eine Obst- und
Rübenpresserei eingerichtet, um
die gezogenen Zückerrüben und
das Obst zu Brotaufstrich zu verar
beiten.
In der Großstadt ist die Not noch
viel größer als auf dem Lande. Ein
Beweis dafür ist auch diese Kurz
meldung in der Zeitung: „In der
Nacht vom 6. zum 7. November
1947 wurden aus der Metzgerei A.
Hartung in der Sodensternstraße
mehrere hundert Kilogramm Wurst
gestohlen...“
„Hat man uns schon abgeschrie
ben?“ fragt Hermann Müller in ei
nem Leserbrief: „Es wäre auf
schlußreich, einmal zu erfahren,
wie sich die auf dem Papier ste
henden 1500 Kalorien errechnen,
wenn für eine Woche ein halber
Liter Magermilch, vier Pfund Kar
toffeln (beim Einkellern die faulen
mit eingerechnet), 75 Gramm
Fleisch (von 100 Gramm kommen
25 % für Knochen in Abzug), für 14
Tage 40 Gramm Fett und für vier
Wochen ein Handkäse zugeleilt
werden."
Die über 60 Jahre alten Men
schen, so Hermann Müller, „die in
einer Lebensarbeit ihre Kräfte da
hingegeben haben, sind außer
stande, mit den gegenwärtigen
Rationen Kräfte wieder aufzuholen.
Scheinbar hat man diese Men
schen schon abgeschrieben...“
„Kartoffeltragödie auf dem Hö
hepunkt", ist im Dezember '47 der
Bericht einer Stadtverordnetenver
sammlung überschrieben. Die Feh
ler in der Versorgung der Bevölke
rung würden systematisch ge
macht, kritisiert der SPD-Stadtver-
ordnete Wolf, es könne ihr nicht
mehr zugemutet werden, den Rie
men noch enger zu schnallen.
Stadtverordnetenvorsteher Christi
an Wittrock fordert zur Einmütig
keit und wahren Volksgemein
schaft auf. Er hoffe, daß die Besat
zungsmächte helfen würden, „die
schwerste aller Zeiten zu überwin
den".
Heinrich Becker aus Niedermöll
rich (Schwalm-Eder-Kreis) wußte
damals ein Lied davon zu singen:
„Für eine Anfang September
schwer erkrankte Patientin war es
bis heute trotz größter Mühe nicht
möglich, auf die erteilte Bezugs
marke das ärztlich verordnete
Heizkissen zu bekommen. Zwölf
Versuche blieben erfolglos. Es ist
doch unmöglich, sämtliche Ge
schäfte in Hessen zu befragen. Wo
liegt hier eigentlich der Fehler in
der Organisation?“
Dann die nächste Hiobsbot
schaft; Nur 560 Tonnen des Ge
samtfettbedarfs von 1440 t kann
Hessen aus seiner eigenen Butter
erzeugung decken, Davon werden
280 t für die Selbstversorger und
2801 für Säuglinge, werdende Müt
ter, Lungenkranke und Kranken
häuser benötigt...
Ganz andere Sorgen äußert
Weihnachten ’47 der Politiker Ru
dolf Freidhof, damals Landtags
abgeordneter: „Noch immer befin
den sich rund zwei Millionen deut
scher Männer und Frauen, 32 Mo
nate nach Beendigung des Krie
ges, in Kriegsgefangenschaft und
verzehren sich vor Heimweh..."
Manfred Schaake
Die Zwangsdiät der Nachkriegszeit
Magenfahrplan durch die 97.Zuteilungsperiode
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