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auf denen Wagenschlitten geschoben werden konnten, wurden ge
nau paralell zur Säge verlegt. Auf den Wagenschlitten, die
mit einer Maßeinteilung versehen waren, wurde der aufzuschnei
dende Baumstamm fest gelagert und durch Schieben vorbei an der
Säge, lotrecht auf Maß geschnitten. So wurde von dem "Unter
nehmer" Wilhelm Decker, mit zwei Helfern, über einen längeren
Zeitraum aus Baumstämmen Kantholz für den Bau geschnitten. Es
war zwar ein etwas umständliches System, half aber in der vor
handenen Notlage ungemein weiter.
In seiner Sitzung am 17» o9« 194-6 hatte die Gemeindevertretung
beschlossen, daß Wilhelm Decker, für die Mitbenutzung des We
ges als Sägeplatz, eine Anerkennungsgebühr von RM 5^00 monat
lich an die Gemeindekasse zu zahlen habe.
Aufgrund einer Anordnung der Militärregierung hatten sich die
Bürgerinnen und Bürger der sogenannten "Entnazifizierung" zu
unterziehen. Für die Durchführung der Entnazifizierung waren
regionale "Spruchkammern" eingerichtet worden. Diese Spruch
kammern hatten über "Schuld" oder "Unschuld" und über eine
Einstufung als "Aktivist", "Mitläufer" o.ä. zu befinden. Bei
vielen Sandershäuser Einwohnern wurde auf eine Vorladung zur
Verhandlung vor der Spruchkammer verzichtet. Sie wurden auf
grund von Angaben bewertet und eingestuft. Nachdenklich machte
allerdings, daß keiner der Einwohner mehr ohne Druck und Zwang,
also freiwillig, Mitglied der NSDAP-Partei, der SA oder SS und
auch der Jugendorganisation, der Hitlerjugend (HJ) gewesen
sein wollte. Auf Namen zu nennen, die im Dorf von "aktiven Na
zis" plötzlich zu den "Demokraten" wurden, soll verzichtet
werden. Der größte Teil der Dorfbewohner ist wohl als "Mit
läufer" eingestuft worden.
Die gesamte Ernährungslage war sehr, sehr schlecht. Was es
wöchentlich auf die Abschnitte der Lebensmittelkarten in den
Läden zu kaufen gab, reichte zum Leben kaum aus und war auch
bei einer "Schwerstarbeiterzulage-Karte" noch zu wenig. Da
konnte der sich glücklich schätzen, der, wenn auch noch so
kleines Stückchen Land besaß und so für die Familienernährung
zusätzlich etwas ernten konnte. Wo es räumlich irgendwie mög
lich war, wurde eine Kleintierhaltung, besonders Kaninchen,
betrieben. Um für die Tiere das notwendige Futter zu beschaf
fen, wurden oft weite Wege gegangen und für gemeindeeigene
Wiesenwege und Wegraine weit überhöhte Beträge für Pacht be
zahlt. Um in kleinen Mengen selbst angebauten und geernteten
Hafer als Lebensmittel zu verwenden, kam es vor, daß mit ei
nem Säckchen Frucht auf dem Gepäckträger des Fahrrades, mit
dem Rad bis nach Melsungen gefahren wurde, um in der Hafer
quetschmühle den Hafer gegen Haferflocken einzutauschen.
Im Jahre ^946 brachte ein schöner Sommer eine verhältnismäs
sig gute Ernte. Es gab aber auch eine vergrößerte Kartoffel
käferplage. Im Dorf fehlten landwirtschaftliche Geräte und
Wagen. Es wurden daher von der Gemeinde in Bad Wildungen für
RM 1o.ooo,oo gebrauchte Wagen, Geräte und ein Trecker ange
kauft. Der Winter 194-6/47 war sehr streng. Es gab aber nur
eine geringe Zuteilung an Holz und Kohle. Die Einwohner konn
ten sich, nach Angaben der Forstverwaltung, im Wald, in klei
nen Mengen, Holz selbst schlagen. Der "Galgen" wurde abgeholzt.
In 1947 wurde ein großer Teil der Felder mit amerikanischen
Saatkartofflen ausgestellt. Ein heißer und regenarmer Sommer
brachte eine schlechte Ernte. Das Gras auf den Wiesen war ver
dorrt, Die Halmfrüchte, wie Roggen, Hafer, Weizen und Gerste
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