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genutzt. Um die trotzdem immer unerträglicher werdende Woh
nungsnot etwas zu mildern, wurden von der Gemeinde Wellerode
dreißig Wohnbaracken angekauft und hier im Dorf an interes
sierte Bürger zur Aufstellung und Nutzung weiterverkauft.
In den ersten ca. fünf Wochen nach Beendigung der Kampfhand
lungen, war für die Einwohner von Sandershausen erschwerend,
daß täglich etwa 4oo bis 600 Personen, die in Richtung Westen
geflüchtet waren, durch das Dorf kamen, um in ihren Heimatort
zurückzukehren. Einige von ihnen blieben immer auch für eine
Nacht in Sandershausen und wurden in der Schule untergebracht.
Eür diesen Zweck waren im Schulgebäude zwei Kochstellen ein
gerichtet worden.
Mit einer weiteren Schwierigkeit hatten die Bürgerinnen und
Bürger von Sandershausen zu kämpfen, und die hieß Fremdar
beiter und ehemalige Kriegsgefangene.
Fremdarbeiter und ehemalige Kriegsgefangene lebten jetzt zu
sammen in größerer Zahl in den Kasernengebäuden auf der Ha
senhecke in Kassel-Wolfsanger. Es kamen aber auch ehemalige
Kriegsgefangene, die in Sandershausen im Lager untergebracht
und in Richtung Osten verlegt worden waren, nach hier in das
Dorf zurück. Von allen diesen Fremdarbeitern und ehemaligen
Kriegsgefangenen waren Anschläge auf "Leib und Leben" der Be
völkerung und deren noch vorhandenes "Hab und Gut" an der Ta
gesordnung. Verschiedenlich sollen sogar Morde vorgekommen
sein. Gegen diese, plündernd, raubend und im Extremfall auch
mordend sich betätigenden "Fremdlinge", hatten die, nur mit
Knüppeln bewaffneten Hilfspolizisten, natürlich keine Mög
lichkeit einzugreifen. Zudem auch bekannt war, daß diese, ihr
Unwesen treibenden Personen mit Schußwaffen ausgerüstet wa
ren. Von Seiten der Besatzungstruppen oder der Militärregie
rung wurde gegen diese Übergriffe nichts unternommen. Mitte
Juni 194-5, nach einem gewaltsamen Übergriff auf Hilfspolizi
sten in Sandershausen, auf der Spiekershäuser Straße, wurden
die im Dorf noch wohnenden, ihr Unwesen treibenden Fremdar
beiter und ehemaligen Kriegsgefangenen per Lastkraftwagen auch
zur Kasenhecke transportiert. Eine gewisse Ruhe stellte sich
ein, nachdem der Bretter-Laufsteg über das Nadelwehr an der
Schleuse Wolfsanger/Sandershausen entfernt worden war. Ent-
gültige Ruhe gab es aber erst, nachdem die Fremdarbeiter und
ehemaligen Kriegsgefangenen in ihre Heimat zurückgekehrt wa
ren. Trotz vieler Übergriffe auf Menschen, Diebstähle, Sach
beschädigungen u.ä., war in Sandershausen glücklicherweise
kein Menschenleben zu beklagen.
Nicht unerheblich war auch die Schwierigkeit, die Einwohner
mit den allernotwendigsten Lebensmitteln versorgen zu können.
Lebensmittelkarten wurden zwar weiterhin ausgegeben, aber auch
etwas dafür kaufen zu können, war eine reine Glücksache. Alle
Grundnahrungsmittel waren, wenn überhaupt beschaffbar, nur in
geringen Mengen verfügbar. Es kam aber auch vor, daß nicht
einmal mehr Mehl um Brot zu backen vorhanden war. Kurzum, die
gesamte Ernahrungsläge war katastrophal. Etwas besser waren
nur diejenigen Einwohner gestellt, die noch "Wertsachen" be
saßen und gegen Lebensmittel tauschen konnten und auch woll
ten, oder solche, die, wenn auch nur ein kleines Stückchen
Land besaßen, um möglicherweise etwas zu ernten.. Für Geld
und zu regulären Preisen war so gut wie nichts zu bekommen.
Der bekannt, berüchtigte "Schwarzmarkt" mit all seinen Auswir
kungen nahm seinen Anfang.