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zum Teil ganze Familien. Diese Toten wurden gemeinsam auf
dem Friedhof beigesetzt.
Mit dieser Zerstörung wurde Sandershausen zum Heimatkriegsge
biet erklärt. Über 3oo Familien mußten ihr Heimatdorf verlas
sen und wurden in "ruhigere Gebiete" evakuiert. Es ist schon
eine Tragik, wenn in rund 4-5 Minuten zerstört wird, was in
fleißiger Arbeit und oft auch unter Entbehrungen, über Gene
rationen hinweg, aufgebaut und immer der folgenden Generation
als Erbe übergeben wurde und somit das historische Antlitz
von Sandershausen unwiederbringlich verloren war.
An den folgenden Tagen kamen viele Menschen, besonders aus
Kassel, um das Ausmaß der Zerstörung in Augenschein zu nehmen,
ohne zu ahnen, daß wiederum nur wenige Tage später, sie das
gleiche Schicksal treffen würde.
Als noch während der "Bombardierung" der Fehler bemerkt wurde,
wurde die Zielsetzung nach Norden verschoben und Wolfsanger
und Ihringshausen bekamen auch noch die Zerstörungskraft der
abgeworfenen Bomben zu spüren. Im militärischen Sinne war das
Ziel, Kassel zu zerstören, verfehlt worden, was jedoch 19 Ta
ge später nachgeholt wurde.
An diesem o5. Oktober hatte der Tod einen hohen Tribut gefor
dert. Insgesamt wurden 'MS Menschen getötet und rd, 5oo ver
letzt. In dieser grauenvollen Aufstellung sind nicht die je
weils siebenköpfigen Besatzungen der 24- verlorengegangenen
britischen Bomber und die Piloten der abgeschossenen Jäger
enthalten.
Nach diesem großen Angriff hatte die, noch in Sandershausen
verbliebene Bevölkerung, keine Zeit zum Wehklagen oder Erin
nerungen nachzugehen. Der Krieg ging mit großer Heftigkeit
weiter und es wurden ständig neue Anforderungen gestellt. Die
Verpflegung der Bevölkerung wurde von der "NSV" (National
sozialistische Volkswohlfart) übernommen, bis sich ein Jeder
wieder einigermaßen zurecht fand und die Möglichkeit selbst
zu kochen hatte. Die Essensausgabe wurde in der Gastwirtschaft
Hemmelmann vorgenommen.
Am Freitag, dem 22. Oktober 4 94-5 erfolgte ein schwerer Luftan
griff auf Kassel, bei dem die Innenstadt fast vollständig und
die Randgebiete mehr oder weniger zerstört wurden. Unter der
Bevölkerung gab es sehr viele Tote und Verletzte. Noch tage
lang nach dem Angriff wurden Tote aus den Kellern und Trümmern
geborgen. Es war ein furchtbarer Anblick. In langen Reihen
lagen die Toten auf dem Königsplatz, dem Martinsplatz und in
den engen Gassen der Altstadt, soweit sie nicht durch Gebäude
trümmer verschüttet waren.
Bei diesem Großangriff des 22. Oktober 194-5 bekam Sandershau
sen auch noch einmal eine ganze Menge ab.
Von den noch vorhandenen Häuser wurden 17 total zerstört und
weitere beschädigt. 54- Familien verloren Hab und Gut und wie
der mußten 15 Einwohner ihr Leben lassen.
Noch Tage nach dem Angriff flackerte Feuer in den Ruinen und
noch monatelang war der Brandgeruch zu spüren. In unserer Feld
gemarkung gingen unzählige Brand- und Sprengbomben nieder.
Stabbrandbomben steckten zu Tausenden im Boden der Äcker und
Wiesen. Auch viele Bombentrichter waren zu beseitigen.
Bei dem Angriff am 22. Oktober wurde auch das Schulgebäude am
Mühlenweg stark beschädigt. Es wurde nun kein Unterricht mehr
erteilt. Die Schule wurde geschossen. Die Schulkinder kamen,