Full text: Geschichte II (3)

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zum Teil ganze Familien. Diese Toten wurden gemeinsam auf 
dem Friedhof beigesetzt. 
Mit dieser Zerstörung wurde Sandershausen zum Heimatkriegsge 
biet erklärt. Über 3oo Familien mußten ihr Heimatdorf verlas 
sen und wurden in "ruhigere Gebiete" evakuiert. Es ist schon 
eine Tragik, wenn in rund 4-5 Minuten zerstört wird, was in 
fleißiger Arbeit und oft auch unter Entbehrungen, über Gene 
rationen hinweg, aufgebaut und immer der folgenden Generation 
als Erbe übergeben wurde und somit das historische Antlitz 
von Sandershausen unwiederbringlich verloren war. 
An den folgenden Tagen kamen viele Menschen, besonders aus 
Kassel, um das Ausmaß der Zerstörung in Augenschein zu nehmen, 
ohne zu ahnen, daß wiederum nur wenige Tage später, sie das 
gleiche Schicksal treffen würde. 
Als noch während der "Bombardierung" der Fehler bemerkt wurde, 
wurde die Zielsetzung nach Norden verschoben und Wolfsanger 
und Ihringshausen bekamen auch noch die Zerstörungskraft der 
abgeworfenen Bomben zu spüren. Im militärischen Sinne war das 
Ziel, Kassel zu zerstören, verfehlt worden, was jedoch 19 Ta 
ge später nachgeholt wurde. 
An diesem o5. Oktober hatte der Tod einen hohen Tribut gefor 
dert. Insgesamt wurden 'MS Menschen getötet und rd, 5oo ver 
letzt. In dieser grauenvollen Aufstellung sind nicht die je 
weils siebenköpfigen Besatzungen der 24- verlorengegangenen 
britischen Bomber und die Piloten der abgeschossenen Jäger 
enthalten. 
Nach diesem großen Angriff hatte die, noch in Sandershausen 
verbliebene Bevölkerung, keine Zeit zum Wehklagen oder Erin 
nerungen nachzugehen. Der Krieg ging mit großer Heftigkeit 
weiter und es wurden ständig neue Anforderungen gestellt. Die 
Verpflegung der Bevölkerung wurde von der "NSV" (National 
sozialistische Volkswohlfart) übernommen, bis sich ein Jeder 
wieder einigermaßen zurecht fand und die Möglichkeit selbst 
zu kochen hatte. Die Essensausgabe wurde in der Gastwirtschaft 
Hemmelmann vorgenommen. 
Am Freitag, dem 22. Oktober 4 94-5 erfolgte ein schwerer Luftan 
griff auf Kassel, bei dem die Innenstadt fast vollständig und 
die Randgebiete mehr oder weniger zerstört wurden. Unter der 
Bevölkerung gab es sehr viele Tote und Verletzte. Noch tage 
lang nach dem Angriff wurden Tote aus den Kellern und Trümmern 
geborgen. Es war ein furchtbarer Anblick. In langen Reihen 
lagen die Toten auf dem Königsplatz, dem Martinsplatz und in 
den engen Gassen der Altstadt, soweit sie nicht durch Gebäude 
trümmer verschüttet waren. 
Bei diesem Großangriff des 22. Oktober 194-5 bekam Sandershau 
sen auch noch einmal eine ganze Menge ab. 
Von den noch vorhandenen Häuser wurden 17 total zerstört und 
weitere beschädigt. 54- Familien verloren Hab und Gut und wie 
der mußten 15 Einwohner ihr Leben lassen. 
Noch Tage nach dem Angriff flackerte Feuer in den Ruinen und 
noch monatelang war der Brandgeruch zu spüren. In unserer Feld 
gemarkung gingen unzählige Brand- und Sprengbomben nieder. 
Stabbrandbomben steckten zu Tausenden im Boden der Äcker und 
Wiesen. Auch viele Bombentrichter waren zu beseitigen. 
Bei dem Angriff am 22. Oktober wurde auch das Schulgebäude am 
Mühlenweg stark beschädigt. Es wurde nun kein Unterricht mehr 
erteilt. Die Schule wurde geschossen. Die Schulkinder kamen,
	        

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