25. Jahr Der Selbsterzieher Blatt 5
Euer «WissenMollen ist es, das Euch vom Er
kennen ferne hält! ' Euer Wissen-Wollen ist es, das
«Euch nicht erwachen läßt!
Euer Wissen-Wollen ist es, das Euch zu Sklaven
Eurer Götzen macht, wie immer Ihr sie auch mit
Namen Kennen mögt!
Solange Ihr aber einem selbstgeschaffenen
Götzen unterworfen seid, auch wenn Ihr ihn „beu
einen, wahren Gott" zu nennen Pflegt, kann nie-
mals lebendiger Geist sich selbst in Euch zu Eurem
„lebendigen Gott" gebären.
*
Bevor der „lebendige Gott" in 'Dir geboren ist,
mußt Du notwendigerweise ein „gottloser Götzen
diener Deiner Traumwelt" sein.
Bevor der „lebendige Gott" in .Dir geboren
ist, bist Du tot, und ahnst noch nicht in Deinen
kühnsten Träumen, was Dein Leben in Wahrheit
ist — Dein Leben, das Du träumend längst zu
kennen glaubst.
Bevor der „lebendige Gott" in Dir geboren ist,
muß das Wissen Deiner Traumwelt Dich am Gän
gelbande führen, und alles, was Dir wahrer scheint
als früheres Bedünken, ist nur neuer Irrtum,
neuer Traum.
Dein Wille zum Erwachenwollen nur kann
Dich aus Deinen Träumen reißen und denen, die
bereits erwachten, helfen, Dich aus deinem Schlafe
zu befreien.
Nur in erwachten Seelen kann der „lebendige
Gott" sich aus „Geist und Wasser" gebären.
Noch möchtest Du nur erwachen; allein Du
willst noch Deine Träume weiter träumen.
Noch bindet Dich die Traumwelt, die dich seit
der Jugendzeit umgab.
Noch fesseln Dich der andern Träume allzusehr,
und Du wagst es nicht. D>eine eigenen Wege zu be
schreiten; denn Dich schreckt die Einsamkeit, durch
die Du unermüdlich wandern mußt, wenn Du die
neuen Gefährten der Welt der Wirklichkeit dereinst
erreichen willst.
Doch all diese Hemmnisse wirst Du überwinden
müssen, willst Du jemals zur Klarheit des wachen
Tages gelangen.
Ich rate Dir: kasie heute, während Du diese
Worte liest, den festen Willen, Dich nicht mehr
länger dem gemeinsamen Schlafe Deiner Schlaf-
und Traumaenoüen hinzugeben!
Ich rate Dir: fasse heute noch den festen
Willen, alles aufzubieten, um im Lichte meiner
Lehre Deine Träume als solche zu erkennen!
Ich rate Dir: überlasse Dein ganzes bisheriges
Wissen in Rübe der Traumwelt, die es Dir gab; ge
brauche es ruhig weiter, soweit Du auch weiter mit
Träumenden verbunden bleibst; doch erwarte nicht
mehr von ihm die Lösung jener letzten Fragen, die
das Menschenherz bewegen!
Und ich rate Dir ferner: mißtraue jedem from
men Glauben, der Dich in Deiner Traumwelt je
erreichte: mißtraue mehr noch allen, die da allen
Glaubenswahn der Träumenden in einem alles ver
mischenden neuen Glaubenswahn vereinigen wollen.
70
Mißtraue jenen, die durch neue ,-Wissenschaft"
den alten Glauben ihrer Träume übertünchen!
Suche Dich loszureißen von jeder Vorstellung,
die andere Träumende in Deine Träume brachten
auf Deine Frage nach den letzten Dingen!
Wohl steckt in jedem Glaubenswahn ein Körn
chen Wahrheit, wie auch den Träumen Deiner
Erdennächte oft ein äußerliches Geschehen oder ein
körperlicher Zustand ihre Auslösung schafft; aber ge
rade wegen dieser geringen und gut verhüllten
Wahrheit kann Dir jeder Glaübenswayn der Traum
welt, in der Du seither Dich wachend glaubst, zum
Verhängnis werden.
Hüte Dich, was Du nun zu erlangen strebst,
die Wahrheit des lichten Tages der Wirklichkert,
durch Dein Denken erschließen oder nach den Dir
bekannten Denkgesetzen überprüfen zu wollen!
Was Du nun erlangen Nullst, steht über dem
Denken, und Du kannst erst, wenn Du es erlangtest,
Dein Denken zu ihm erheben.
Was Du nun erlangen willst, mußt Du selber
werden; es kann Dir niemals durch die Formen
Deiner seitherigen Versuche, die Wahrheit zu fassen,
sich erschließen.
Dein erstes Beginen muß darauf gerichtet sein,
eine weite Leere in Dir zu schaffen, damit das
Neue, das Dich erfüllen soll, auch Raum in Dir
finde.
Erwarte nicht, daß sich von heute auf morgen
das Neue zeigen werde!
Es ftnb Jahre nötig, bis Du so bereitet bist,
daß man Dich aus dem Schlafe reißen kann, ohne
Dich zu gefährden.
Nur Dein beharrlicher Mut kann Dich führen
im Anfang Deines Weges.
Wenn Du aber ernsthaft bestrebt bist, Dich aus
den Fesseln Deiner Träume und der Traumwelt
der andern zu erlösen, dann werden Dir gar bald
die Dinge, die Du jetzt noch träumend zu erkenen
meinst, bald diese, bald jene andere Seite zeigen
und Dich so belehren, daß Du auf dem rechten
Wege bist.
Glaube nicht, daß plötzlich die erträumten Wun
der, die man in Deiner bisherigen Traumwelt für
Zeichen der Erweckung hält, Dein Leben erfüllen
werden!
Es werden Zeichen und Wunder auf Deinem
neuen Lebenswege geschehen; aber ich zweifle sehr
daran, daß Du sie bemerken wirst, bevor sich „das
dritte Auge auf Deiner Stirne geöffnet haben wird."
Es ist auch nicht nötig, daß Du sie vorher be
merkst.
Gar mancher war dem Erwachen nahe und
fiel zurück in Schlaf und Traum, weil er dem ge
heimnisreichen Wunderweben über seinem Wege
noch nicht gewachsen war und sich betäuben ließ
durch wundersame Stimmen.
*
Je nüchterner und von Romantik freier Du
Deine Straße wandelst, desto besser!
Du sollst nichts erwarten und nichts erstreben,
außer dem Einen: aus Deinem Schlafe, aus der
Traumwelt der andern, erwachen zu wollen!