Full text: Brief von Adolf Friedrich Hesse an Louis Spohr

schon gegen Abend ½ 6 Uhr an Barrikaden zu bauen,
nahm unter anderem dazu auch einen Postwagen, der
eben ankam. Die Barrikaden wurden dann sofort
verlassen, und wenn das Militair sie nehmen wollte,
wurde auf dasselbe aus den Fenstern meuchlings
geschossen und viele davon getötet. Ich kam gerade
aus einer Lektion in die Nähe des Pelotonfeuers
und sah, wie man Dachziegel auf die Soldaten
warf; um nach Hause zu kommen, mußte ich
selbst eine Barrikade übersteigen. Der Kampf dauerte
an vielen Punkten der Stadt bis nach 11 Uhr. Mehrere
der feigen Mörder sind von den Soldaten aus den
Häusern geholt und nach Gebühr vorläufig
maltraitirt worden. Kein Bürger hat sich indeß
bei diesem Krawall betheiligt sondern nur Plebs
und Fremde, meistens Polen. Die Herren Leiter
und Wühler waren indeß nirgends zu finden,
sondern saßen im Bierkeller und warteten dort
den Erfolg ihrer Bestrebungen ruhig ab, wodurch
sie sich die Volkswuth zuzogen und ihres
Lebens nicht mehr sicher sind. Einige davon haben
auch schon das Weite gesucht, wie z. B. der ehe-
malige Oberst der Bürgerwehr Engelmann, der
noch Tags vorher so unvorsichtig war, das
Militair zu ermahnen, nicht auf das Volk
zu schießen, und dafür Stöße bekam und in das
Wasser geworfen werden sollte, wovon ihn noch
ein Offizier rettete. Über 200 Personen sind


Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.