© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49
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an's Licht treten, zu Einern Bilde zu vereinigen, man würde
das wunderlichste Farbendurchsinander erhalten, welches die
kühnste Phantasie sich jemals ausmalen konnte. Das Seit
sanlste dabei ist, daß man noch immer den Aberglauben gcr
wahrt, als könnte die politische Ueberzeugung, oder besser
gesagt, das politische Gefühlsleben der Bewohner des Reichs
landes plötzlich durch irgend ein -besonderes Ereignis; von
einem Tage zum andern einen radiealen. Umschwung erfahren.
So war es z. B. eine ganz falsche Rechnung, wenn hier und
da die Ansicht auftauchte, daß die französische Gesinnung der
Straßburger durch den in dem Urtheile des Versailler Un-
tersuchungsrathes gegen die ehemalige Nationalgarde dieser
Stadt _ ausgesprochenen Tadel den Todesstoß erhalten habe.
Man sehe sich nur einmal den Protest an, welchen die Straß
burger an Thiers gerichtet haben. Wenden sie sich etiva mit
Abscheu ab von einer Nation, deren parlamentarische Ver
treter das Bedürfniß zu empfinden scheinen, zur Beschöni
gung der Gesunkenheit des eigenen Volkscharakters auch
noch die ehemaligen Staatsgenossen deutschen Stammes in
den Staub zu ziehen, sie, die in den Tagen der Gefahr wirk-
loch in der unverantwortlichsten Weise preisgegeben worden
waren? Keineswegs; sie verlangen nur eine Gegenuntersu
chung, um das „beschimpfte" Sttaßburg in den Augen Frank
reichs zu rehabilitiren. Damit wollen wir freilich nicht be
streiten, daß die Veröffentlichung jenes Urtheils hier wie ein
Donnerschlag gewirkt und nachher gar manchen übereifrigen
Anhänger der verlorenen „mere-patrie“ zu etwas objecti
veren Gedanken veranlaßt hat. Aber wir Deutschen sollten
vor Allem vermeiden, in jene Uebertreibungen der'Franzosen
zu verfallen, von denen uns die Pariser Presse alle paar
Tage die ergötzlichsten Beispiele liefert. So ist Z. V. so eben
von emer ziemlich harmlosen Todtenfeier zum Gedäcbtniß
einer trit vorigen Jahre auf dem Bahnhöfe zu Königshofen,
bei Gelegenhett der Verpflegung zurückkehrender französischer
Kriegsgefangenen, verunglückten Dame in den französischen
Blättern ein Lärm geschlagen, als habe ganz Straßburg der
deutschen'Verwaltung unabänderliche Todfeindschaft in's Ge
sicht geschworen. Wer die Dinge näher tonnst wird über
derartige-Pariser Visionen nur lächeln können. Die Wahr
heit isst daß sich die Verhältnisse int Elsaß bisher im Großen
und Ganzen keineswegs ungünstiger gestaltet haben, als man
billig erweise erwarten könnte. In den Landkreisen unter
halb Straßburg steht es sogar noch besser, als tuan ange
sichts der Oppositionswirren und der Furcht vor der ersten
Mititäraushebung annehmen sollte. Die deutschen Behörden finden
hier vielfach das freundlichste Entgegenkommen und ungeheuckelte
Anerkennung; namentlich die Bemühungen der Verwaltung
um die Hebung der Landwirthschaft durch die Bildung land-
wirthschastlicher Vereine und Anstellung von Wanderlehrern
sind bereits von recht erfreulichem Erfolge gewesen. Ungün
stig dagegen hast besonders in den politisch nicht gebildeten
Klassen, die Verlängerung der Dietaturperiode gewirkt, kei
neswegs aber deshalb, weil man die längere Ausschließung
von der vollen Ausübung der Reichsbürgerrechte so schwer
empfände — nichts liegt dem ganzen VorstellungÄreise des
Elsässers ferner, als ein solcher Gedanke —, sonderit infolge
der seltsamen Täuschung, daß durch die Einführung der Reichs-
Verfassung sämmtliche aus der französischen Zeit herstammende
und in Deutschland nicht bestehende Steuern ohne Weiteres
wegfallen würden. Daß ein derartiger Jrrthutn nickt in den
Köpfen der unwissenden Menge selbst entstanden ist, liegt auf
der Hand; die bekannte deutschfeindliche Agitation bedurfte
dieser Lüge, .um die Prolongationsmaßregel, welche den Es-
Iw.ächrT .VKyr'fU üvedft.ye tiiv .Pichen, wie
»-....Asche Industrie zu dem UmschfMlge der Dinge
Ziffer der an der Wiener Weltausstelluttg sich
betheiligenden Firmen. Dieselbe wird sich auf etwa 120
pellen, also mit der so sehr entwickelten Gewerbthätigkeit un
seres Landes keineswegs in richtigem Verhältniß stehen. Be
denkt man jedoch, daß, ginge es «ach dem Herzen der
Chauvins, kein einziger Elsässer in der deutschen Ab
theilung der Ausstellung sich zeigen dürste, so kann man
mit der in Wirklichkeit angemeldeten Betheiligung immerhin
zufrieden sein. — Ant wärmsten werden der deutschen Ver
waltung zur Zeit wohl. die Herzen unserer Schullehrer ent
gegenschlagen. Der „Niederrheinische Kurier" wird, wie er
erklärt, von elsässischen Lehrern gebeten/ der kaiserlichen Re
gierung in ihrem Namen öffentlich beit herzlichsten und auf
richtigsten Dank für das dem Lehrerstande durch das Gesetz
betr. die Lehrergehalte bezeugte Wohlwollen darzubringen.
Da der „Nied. Kur." ein vollkommen unabhängiges Blatt
isst so werden die Franzosen sich vergebens abmühen, den
Ursprung dieser erfreulichen Kundgebung zu verdächtigen.
Wenn unsere neuen Neichsgenoffen eintnal anfangen, von
Athenische Todtenkrlige.
Im XXIX. Bande der Preußischen Jahrbücher hatte Ernst
Curtius über seine letzte griechische Reise berichtest in der
Sitzung der Archäologischen Gesellschaft am 7. Mai
wurde über die in Griechenland gemachten Ankäufe Aus
kunft gegeben. Den Glanzpunkt dieser Acquisitionen bil
den eine Anzahl hoher, hochhenklicher, vasenartiger Krüge,
auf deren Bauche sich Malereien befinden, die ältesten
Malereien, die wir bis jetzt von athenischen Händen besitzen.
Noch sind sie auf dem Königlichen Museum öffentlich nicht
ausgestellt, deshalb hier einige vorläufige Worte über
ihren Werth und ihre Schönheit.
Sogenannte griechische Vasen besaß unser Museum be
reits in großer und- kostbarer Fülle. Man bewundert auf
diesen Producten des Kunstgewerbes die Freiheit und
Sicherheit, mit der das nachahmende Handwerk Cvpien von
Gemälden, Statuen und Basreliefs ^ — es ist nicht immer
klar, was vorlag — in leichten Umrissen wiedergab. Selbst
die flüchtigsten Zeichnungen dieser Art betrachtet man mit
Vergnügen. In den Ländern griechischer Cultur muß im
Laufe von Jahrhunderten, von' denen wir nichts wissen,
diese die Schönheit nachbildende Fähigkeit langsam gestie
gen sein, bis sie zu einer nationalen, ivie aus sich selbst
'wirkenden Kraft wurde, deren Erfolg eben so sicher war,
als die Vollendung der beim Bau der Bierreu entstehenden
fünfseitigen Zelle.
Die Beweise für diese Fähigkeit jedoch liegen uns sehr
ungleich vor Augen. Lückenhaft zumal ist unsere Kenntniß
dessen, was im eigentlichen Griechenland gethan wurde.
Flalien und die Inseln haben bisher die Muster meistens
geliefert, aus böiftn wir auf das schloffen, was Athen unb
Eorinth in den Lagen ihrer üppigsten Eittwicketnnst prodio
derartigen Thatsachen No! zu nehmen, vielleicht helfen ihnen
dann die Nachrichten üb so manche Fata ihrer nach Frank
reich ausgewanderten Losleute dazu, unbefangener zu er
kennen, von welcher Sei.man mit größerer Gewissenhastig
keit auf ihr Wohl beb t ist. So taucht soeben in der
französischen Presse selbetas offene Geständniß auf, daß es
tu der That eine unvmtwortliche Thorheit gewesen, so
manche Elsässer, Einzelhcndc wie ganze Familien, nach
Algier zu locken. Wer yt noch mit Unterhaltsuütteln aus
der Heimath versehen istverfällt dem baaren Elende. An
Warnungen hat es den tglücklichen seinerzeit nicht gefehlt,
hoffen wir nur, daß ihn die jetzige Lehre schließlich noch
zum Heile gereiche.
* Straßburg, 20. chri. Die zur Zeit hier tagende
elsässijche Pastora'lconfercn-eschästigt sich u. A. mit folgender
Frage: „Welches sind dicliittel, um dem Aberglauben und
der Hexerei zu steuern?" fluch ein charakteristisches Zeichen
der Volksbildung im Elsa
-Metz, 21. Juni. Ls hiesige amtliche Organ, die
„Zeitung für Lothringen wird vom 1. Juli ab in zwei
Ausgaben, Mittags franzisch und Abends deutsch erscheinen.
Bisher erschien das Blatt n beiden Sprachen zugleich. Es
werden wohl technische Swierigkeiten gewesen sein,, welche
von diesem Modus abzug.cn riethen. ' Daß ein in Aletz er
scheinendes Blatt, welches elesen werden will, nicht in deut
scher Sprache allein auftren kann, wird jeder der Verhält
nisse Kundige als selbstvenndlich begreifen?
A r ar k r e i ch.
£ Paris, 20. Jüni. U>cr den Verlauf der Unterredung,
welche die mehrerivähnte 'Deputation der Conservativen heut
Nachmittag mit dem Präventen der Republik gehabt hast
war in der Kammer noch ichts Näheres zu erfahren; weder
die Deputation, noch Herr Thiers, hat sich in der Sitzung
blicken lassen, und von du Letzteren erfuhr man nur, daß
er nach Paris gefahren wce, wo er bei dem Grafen Arnim
diniren sollte. Man darf mit einiger Wahrscheinlichkeit an
nehmen, daß die Herren SintMarc Girardin und Genossen,
wenn es ihnen gelungen lnre, das Herz des Präsidenten zu
bezwingen, nicht gesäumt htten, ihren Freunden; welche eben
bei einer Rede des Geneals Guillemaut über den Frei-
willigen-Dtenst Siesta hielln, die frohe Botschaft brühwarm
zu überbringen; indeß soll es uns nicht darauf ankommen,
positivere Aufschlüsse abzuwarten. Kehren wir also nach
Paris zurück, wo heut wie er ein Marschall von Frankreich,
Forey, das Zeitliche gesegiet hat. Der Sieger von Puebla
führte in seiner bescheidene: Wohnung in der Rue de Morny
schon seit geraumer Zeit ün trauriges Junggesellen- und
Jnvalidenleben; er war an Armen und Beinen gelähmt und
seine ganze Umgebung besttnd aus einem' noch älteren und
noch decrepidern Feldeamercden, dem Oberst Titard, und aus
zwei Hunden, die er eben so närrisch liebte, wie der Mar
schall Billart seinen auf dein Schlachtfelde von Solferino auf
gelesenen Pudel. Forey verdrnkte seine Carriere, wie Mag-
nan und Canrobert, dem 2. Dezember; der Kaiser hielt große
Stücke auf ihn, aber die Armee hatte von dem Mann eine
um so geringere Meinung und im Publicum genoß er kaum
eines besseren Rufes, als sein Nachfolger in der mexikani
schen Satrapie. Neben diesem Todesfall bildet das zelotische
Verhalten des Herrn Guizot auf der protestantischen Synode
den Hauptgegenstand des Tagesgesprächs, i'r Rue Roquöpine
französischen Pietisten ließ -tz^ljgestern in dßrdiges Seitenstück
cv* E. vitieXwV,öeti tm „OstervcktöreRomano" erschienenen Brie
fes Pius IX. an den Cardinal Antonelli ist. „In den letzten
dreißig Jahren", sagte er unter Anderem, „mußten wir eine große
Explosion gelehrter Ungläubigkeit erleben. Der Pantheismus,
welcher nur ein verkleideter Materialismus ist, kam von
Deutschland herüber und nistete sich bei uns ein; die Oppo
sition gegen das Christenthum stützte sich auf kritische Sy
steme, die sehr gelehrt, aber nichtsdestoweniger sehr oberfläch
lich waren und oft den wahren Sinn der'Fragen gxr nicht
begriffen. Diese ganze pantheistische und kritische Bewegung
ist das Anzeichen und zugleich die Wirkung eines krankhaften
Zustandes des tnenschlichen Geistes" u. s. w. Alles das in
dem hofmeisterndcn und apodiktischen Tone vorgetragen, welchen
man an dem Todtengräber der Julimvnarchie kennt. Gestern
ging er noch weiter und argumentirte, wegen seiner Stellung
zur römischen Frage interpellirt, wie folgt: „Die katholische
Kirche hat ein Recht auf den ungeschmälerten Genuß ihrer
Freiheiten; die Uebung dieser Freiheiten setzt die Unabhän
gigkeit des Papstes voraus und diese wiederum ist an' die
weltliche Herrschaft geknüpft; die dissidirenden Kirchen würden
also ein schönes Beispiel von Gerechtigkeit geben, wenn sie
im Namen der Freiheit gegen die Spoliatwn des heiligen
Stuhles protestirten". Diesmal wurde es denn doch der re
trograden Versammlung selbst zu viel und sie schloß sich der
Erklärung eines Mitgliedes der Linken an, daß Hr. Guizot
mit dem Gesagten jedenfalls nur seine persönliche Ansicht
ausspreche. Alan sah in der Synode für heut oder morgen
der Abstimmung über die orthodoxe Glaubensdeclaration ent
gegen; der Sieg der Gnizot'schen Ultras ist unzweifelhaft
und nur in Bezug aus das Stimmenverhältniß gehen die
Vermuthungen noch auseinander.
* Paris, 20. Juni. So hat denn der vielberedete Schritt
der Rechten bei dem Präsidenten der Republik endlich statt
gefunden. Heute Mittag haben sich die Delegtrten der ver
schiedenen Fractionen zu Hrn. Thiers begeben, um ihm „die
Befürchtungen auszudrücken, welche die innere Lage des Landes
t'niider Nd11NNalversamn
cirt haben könnten. Was an diesen Stätten selbst gefun
den wurde, waren vereinzelte Stücke. Wie sicher unterschei
den wir die italienische Arbeit von 1500 von der, welche
50 Jähre später entstand, und diese wieder von der fran
zösischen von 1650 und diese von der 1750 entstandenen.
Bei der Beurtheilung antiker Arbeit wurde das Heraus
finden von Epochenunterschieden dieser Art mit Sicherheit
kaum möglich sein. Daher das Aufsehen begreiflich, das
die von Benndorf publicirten Abbildungen einer Anzahl
athenischer Thongefäße machten. Man kannte soviel, um
sich bereits ein festes Urtheil zutrauen zu dürfen, und nun
fanden sich auf diesen elenden Ueberresten zerbrochener
Töpferwaare Zeichnungen, die das Bekannte weit übertra-,
fcn. Eine Zartheit der Linienführung trat uns hier ent
gegen, die sich in geistreicher Skizzirung der Gestalten den
Handzeichnungen unserer- besten modernen Meister an die
Seite stellen ließ. Und haben Handwerker in Athen das
geleistet, was erst mußten die großen Mäler dort zu schaf
fen im Stande gewesen sein, von deren Werken kein Strich
mehr erhallen ist!
Nach dieser Richtung eröffnen die von Cnrlius in Achen
erworbenen Thongefäße abermals neue, nun aber bei wei-
tem großartigere 2lussichten.
Es war Sitte in Athen, den Todten gemalte Krüge,
Lekythen, ins Grab nachzuwerfen, so daß' sie zerbrechend
mit ihren Scherben über und neben dem Leichnam lagen.
Das Zertrümmern von Gefäßen als Zeichen eines bedeu
tenden Abschlusses im menschlichen Leben, oder des Lebens
überhaupt, ist eige wohl überall verbreitete alte Sitte.
Diese Krüge trugen Malereien, welche auf den Todteneult
Bezug hatten. Heute, wo Gräber sorgfältiger als früher
geöffnet zu werden pflegen und wo man sie nach wissen
schaftlichen Grundsätzen ausraubt, sind aus einigen atheni-
stimmtes (ein Telegramm darüber brachten wir tm gestrigen
Abendblätte. D. Red!) ; daß er aber für die Velleitäten der
Majorität keineswegs ermuthigend ausgefallen, kann schon
aus der ganzen Haltung der'dem Präsidentschastshotel nahe
stehenden Blätter entnommen werden. Namentlich das „Bien
public" bringt einen sehr beachtenswcrthen Artikel, in welchem
die Antwort des Hrn. Thiers antieipirt zu jein scheint. Es
verlohnt sich, die wesentlichsten Stellen dieses Artikels hier
wieherzugeben.
„Es wäre Wohl leicht", sagt das genannte Blatt, „den
wirklichen Grund der Befürchtungen der Rechten zu errathen.
Die letzten 'Wahlen haben den Vorhang zerrissen. Vergeblich
sucht man die Niederlage zu erklären, und man mag sich mit
dem Ruf Nadicalismus trösten; die Wahrheit antwortet:
Republik. Diese Wahlen fanden inmitten von Umständen
statt, welche den Gegnern der Republik zum Nachdenken An-
laß geben konnten. ' Alan kann heute in Frankreich nickt von
Wohlstand sprechen, aber wir übertreiben nichts, wenn wir
sagen, daß die Lage des Landes sich gebessert hat, und daß
ein gewaltiger Unterschied zwischen heute und den Sommer
monaten von 1871 besteht. Selbst die Ernte, welche die be
ruhigendsten Aussichten gewährt, trägt ihr Scherflein zur Be
schwichtigung der Gemüther bei; Gott behüte uns, zu behaup
ten, daß unsere Gegner Um Geheimen diese bessere Lage der
Dinge bedauern, aber wir können wohl jagen, daß sie diese Wohl
thaten auf ganz andere Weise würdigen würden, wenn sie nicht
unter der Republik gekommen wären. Man kann in derThat nicht
läugnen, daß die Republik aus diesen Fortschritten Nutzen
zieht, daß die guten Gesetze und die guten Maßregeln eben
so viele gute Noten für sie in dem Wettstreit sind, von wel
chem Hr. Thiers vor 15 Monaten in Bordeaux sprach. Alan
muß auch anerkennen, daß die Verdienste der monarchischen
Parteien sehr gering sind. Gewiß haben die Deputaten der
Rechten auch nützlicher Weise an dein gemeinschaftlichen Werk
mitgeholfen, aber — und dieses versetzt sie gerade in Erre
gung — sie haben für die Republik gearbeitet. Mas ihnen
als Eigenthum angehört, das sind die drei mißlungenen Ver
suche, die Fusion zu Stande zu bringet* und ein oder zwei
Manifeste, die jedenfalls selm würdig waren, aber für
unsere Zeit nicht payE"' Hr wenig klare De
clarationen, die^tF Tyuren öffneten, aber keine schlossen.
Das £o”\ urtheilt und vergleicht mit seinem gesun.
w Menschenverstände. Es läßt Jedem Gerechtigkeit
widerfahren. Es begreift, daß die Erhaltung der Republik,
( Verbesserung».* gestattet, besser ist) als ein «citer
«nt.2er Monarchie. Eine Gelegenheit bietet sich dar
MMkn diesen Versuch zu Protestiren. Das Land potesürt'
5 '"was Natürlicheres? Die, gegen welche man pro
testirt sind unzufrieden; es ist ihr Recht, aber wenn sie auf
die Regierung böse werden, wenn sie ihr die Schuld ihÄ
Niederlage beuneffen und ihr sagen, sic regiere schleck £
begreifen wir dieses nicht, und wenn dies? Leute ans'
Stimme des Landes hörten, so würden sie finden, das; dE
auch nicht begreift. Wenn sie eine Anklage sormu-
J j ünnten ' knmn |te dem Lande nur sagen könnten, daß
tt fXTt 31 Ehrgeiziger sei, so würden sie
~ a ? cht haben, so zu handeln, wie sie es thun. 2lber tvo
sind diese Anklagen, wo ist das Verbrechen? Der Präsident
glaubt an die Zukunft der Republik; er sagt es: dieses ist
sem Verbrechen; er regiert so, damit man sie liebt und achtet:
das lstz way abjcheulich ist. Wenn man die Krisis untersucht, so muß
sich Gluck wünschen, daß sie eingetreten ist. Die ehrenhaften
Männer, welche sie hervorgerufen, werden wohl bei ihren ersten
Schritten stehen bleiben. Aber wenn sie weiter gehen, wenn
sie öffentliche Erklärungen verlangen sollten, so werden die-
selben für dre, welche sie tadeln, und die Republik ein atlßer-
ordentlicher Tnumph sem; denn sie würde diesen Männern
gestatten, Frankreich, diesem edlen Besiegten von 1870/71, zu
scheu Gräbern die Scherben solcher Krüge wieder beraiiN
gelesen worden. Die alte Zerschmetterung ist durch -str-
sammenlemmng der Stücke wieder gut gemacht, und es
steheri diese ernst vernichteten Symbole des Todes und der
Vergänglichkeit als Zeugen alten Lebens üeu aufaebaut
wieder vor uns. "u,gevaur.
Betrachten wir sie näher.
^ in Gebrauch genonrmen, sondern ihrer Zfft neu
hergestellt und dann wieder zerbrochen, Haben diese T0.ten-
krnge, trotzdem daß sie aus lauter zersplitterten Theilen
sammengefugt worden sitrd, etwas Frisches, Unberührtem
das sich so an keinem anderen Producte antiker Arbeit
beobachten läßt. Offenbar find unsere Exemplare, ein hal
bes nutzend etwa, in übereilter Arbeit hergestellt worden
da sie mehr oder weniger unvollendet dastehen, als hätte
nian fie, wie halbgargebackenes Brod aus dem Ofen un-
fertig aus der Werkstätte genommen. Auf einigen schon
wir die Figuren fast nur in den angelegten Umrissen (roih-
braune Linien ans glattpolirtem weißen Grunde), auf an-
oern find einige Theile der Figuren bemalt. Fertig aus
geführt ist keine dieser Malereien.
Es versteht sich von selbst, und schon die Flüchtigkeit der
Herstellung deutet es an, daß man in diesen Kriigen den
Todten keine Kunstwerks von Bedeutung nachwerfen wollte.
Die Raschheit der Zeichnung, die meist sehr roh ausgetragene
Farbe heftäftgt dies. Solche Krüge mögen in Rtassen da-
nials angefertigt ivorden sein, nichts als Dutzendarbeit
haben wir in ihnen vor Llugen. Welche Arbeit aber!
WOch eine Höhe des allgemeinen künstlerischen BermSatns
delften fie an! Wie vortrefflich sind Hände und Füße die
ser Figuren gezeichnet! Kein Ateister brauchte sich dvser
Umriffe zu schämen. Geben uns die Reste achenisher
Scnlptur, die ans den heften Tagen der Stadt erhaben
zeigen, was sie für es mit Hülfe und unter der Aegide der
Republik sollen thun können .... Sie werden das, was
geschehen ist, mehr als persönliche Dienste darstellen, aber als
den Beweis, was ein Land vollbringen kann, welches selbst
an seiner Regeneration arbeitet, und sie werden das Recht
haben, Frankreich zu fragen: „Ist die Bahn, die wir verfolgt
hüben, so schlecht, um sie zu verlassen und aus neue Aben
teuer auszugehen?" Und was die Männer anbelangt, welche
die Erklärungen hervorgerufen, so wird die Regierung das
Recht habeir, ihnen zu sagen: „Sic klagen uns an, nicht mit
Ihnen zu regieren; hier ist, was wir zusammen für Frank
reich gethan haben. Ach! es ist wahr, daß wir für Parteien
nichts gethan haben, aber wurdet ihr dafür gewählt und
habt ihr mich dafür ernannt?"
An Deutlichkeit läßt diese Erklärung jedenfalls nichts zu
wünschen übrig. 2Ran kann gespannt darauf fein, was nun
die Rechte einer derartigen Antivort gegenüber, die sie unter
keinen Umständen befriedigen kann, unternehmen wird.
Ueber die Anlehensprojerte der Regierung geben die Blät
ter heut so bunte und widersprechende Mittheilungen, daß
sie sämmtlich den Stempel der Erfindung oder leeren Ver
muthung an der Stirn tragen. Bald heißt es, die Anleihe
von drei Milliarden solle sofort, bald, sie solle nach der
Ernte während der Kammerserien. (im August oder Septem
ber) ausgelegt werden; die Hälfte sei bereits an ein Syndi
kat von Bankhäusern des In- und Auslandes vergeben;
„La Presse" weiß sogar schon die Emissionsziffer und zwar
auf 82,50 anzugeben. Das Wahrscheinlichste ist wohl, ^daß
die Regierung zunächst die Rückäußerung des Berliner Cabi-
nets auf ihre detaillirten Vorschläge abwartet, ehe sie für die
Modalitäteii der Operation selbst einem definitiven Ent
schluß faßt.
Die Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Pa
riser Municipalrathe über die Zmückerstattung der Pariser
Kriegscontribntion von 200 Millionen Frs. ziehen sich sehr
in die Länge. Die Regierung ist bis jetzt nur zur Zahlung
von 140 Billionen bereit, der dNunicipalrath ist aber keines
wegs geneigt, auf dies Llnerbieten einzugehen.
Am nächsten Vtontage soll, wie man heute hört, endlich
einmül die Steuerdebatte ans die Tagesordnung kommen.
Man hält für wahrscheinlich, daß die Regierung neue Steuern
bis zu denl Ertrage von 200 Millionen statt der von der
Commission vorgeschlagenen 146'Millionen für nothwendi g
erklären werde, da sich herausgestellt habe , daß die bereits
fungirenden neueren Steuern hinter der erwarteten Ertrags
fähigkeit bedeutend zurückblieben. Das Resultat war nicht
.chwer vorherzusehen.
In der gestrigen Sitzung der protestantischen Synode kam
es wieder einmal zu einem scandalösm Vorfalle. Herr Ela-
mageran aus dem liberalen und Herr Mettetal aus dem
orthodoxen Lager geriethen heftig aneinander und als Ersterer
den Letzteren einen „Mann des 2. December" nannte, wurde
der Tumult so arg, daß die Sitzung aufgehoben werden
mußte.
Mit dem heute ÄKorgen 8 Uhr in Paris gestorbenen
Marschall Foreh ist wiederum einer der Getreuesten des Ex
kaisers aus dem Leben geschieden. Ferry war am 10. Januar
1801 geboren und im Jahre 1822 in die Militärschule'von
Saint-Cyr eingetreten. Im Jähre 1848 zum General er
nannt, hatte er an dem Staatsstreich vom 2. December 1851
einen wesentlichen Antheil. Ein Jahr darauf beförderte ihn
der danMre Kaiser zum Divisionsgeneral, irr welcher Eigen
schaft er eine Zeit lang die Truppen vor Sebastopol anführte.
Den Marschallstab erwarb er sich als Oberbefehlshaber der
mexikanischen Expedition. Er war seit mehreren Jahren ge
lähmt und konnte daher in dem letzten Kriege nicht mehr
verwendet werden.
Außer in Bordeaux stehen auch in drn Departements
Vosges und Jndre-et-Loire dieuwahlen in Aussicht. Im
ersteren ist von den Republikanern Hr. Mangeot, Präsident
dec>-Oeneralraths dieses Departemens, aufgestellt. Im letzte
ren plaidirt die gleiche Partei für Hrn. Calmon, Unter-
staatssecretär im Ministerium des Innern, welcher auch von
der Regierung unterstützt wird. Candidatcn der übrigen
Parteien sind noch nicht aufgetaucht.
In der unabhängigen Presse wird seit einiger Zeit die
Lage in Algerien in immer ungünstigerem Lichte geschildert.
Die Regierung scheint diesen Berichten keine eingehende Wi
derlegung entgegensetzen zu können. Was das amtliche Blatt
ab und zu über Colonie veröffentlicht, ist sehr dürftig. Das
heute in demselben erschienene Bulletin lautet wie folgt:
Nationalversammlung. , Sitzung vom 20. Juni. Es
herrscht große Unruhe und Unaufmerksamkeit in der Versamnrlmlg.
Alles unterhält sich über den vermuthlichen Ausgang der Audienz,
ivelchen die Delegation der Rechten. soeben bei Thiers hat. Zu
Lern gestern mitgetheilten Artikel 55 des Rekrutirungsgesetzes hat
blieben, eine Idee deffdn, was höchste griechische Kunst zu
liefern im Stande tvar, so lassen uns diese Denkmale ge
wöhnlicher Handwerksarbeit nicht weniger tief in den künst
lerischen Geist des athenischen Volkes einblicken. Sie zei
gen eine Durchschnittshöhe der allgemeinen Leistungen, die
erstaunlich ist. Es leuchtet eine individuelle Begabung aus
den Zeichnungen heraus, die sie tragen, deren Umfang
erst dann ganz klar werden kann, wenn man mit ihnen
euva die' Malereien italienischer Majoliken vergleichen
wollte, welche in den besten Zeiten des Cinquecento irach
den besten Mustern angefertigt worden sind, und die weit
dahinter zurückstehen.
2luf etwas Anderes noch Null ich aufmerksam machen.
Wenn wir an den Resten der Parthenonfiguren (deren
2lbgüsse im griechischen Saale des Neuen Museums stehen)
diejenigen Theile aufsuchen, welche durchaus unversehrt er
halten blieben, so genügen dieser Anforderung nur einige
an der Rückseite einiger Figuren sichtbare Theile der Dra
perie, die, vor Licht und Witterung geschützt, die Oberfläche
intakt erhalten haben. Nun aber betrachten lvie die äußerst
sorgfältige Vollendung dieser 2lrbeit und fragen, für wes
sen' Blicke stellte der Künstler , sie so her? Er, der sein
Werk für die Ewigkeit an seine Stelle in den Giebel des
Parthenon gestellt zu haben glaubte, durfte nicht daran
denken, es würden hyperborüische Hände einst diese Götter
beravnehmen, fortführen, und aus ihrem Aussehen Schlüffe
ziehen auf ihn und seine Zeiten. Nur zu seinem eigenen
Genügen verbreitete der Künstler diese Vollendung über
alle Theile der Arbeit gleichmäßig. Wie die Statur selber
bei Millionen und Millionen Schneeflocken, die eine einzige
Minute auf die Erde schüttet, jede einzelne dennoch nach
Mn Gesetzen ihrer Schönheit vollendet gestaltet, als khWte
sie gerade berufen sein, Zeugniß ablegen zu müssen über
Herr v. Guillemant ein Amendement gestellt, wonach
die Zahl der Freiwilligenzulassnngen in jeden; Departement jährlich
in einem dem Gesanunteontingent entsprechenden Verhältnisse firirt
werden soll. Nach einer sehr verworrenen Debatte wird Artikel 55
mit diesem Amendement angenommen. Es folgt Art. 56, welcher
folgendermaßen lautet: „Der einjährige Freiwillige kleidet, eqtlipirt
und unterhält sich auf seine Unkosten. Indeß kann der Kriegsmi
nister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei ihrer Prüfung
Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den wom Regle
ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten beweisen, daß sie in der Un
möglichkeit sind, die aus dem vorstehenden Artikel entsprin
genden Kosten zu bestreiten, theiliveise öder ganz von den-
selberr entbinden." Herr Duvergicr de Hauranne, stellt hier-
hierzu ein Amendement, wonach die betreffenden jungen Leute auch
ein Zeugniß über sittlichen Lebenswandel beibringen sollen. Dieser
Antrag wird verworfen, ein anderer V»rschlag desselben Antragstellers
dagegen, nämlich die Worte „ansnahnisweise" und „großer" (Fähig
keit) zu streichen, angenommen. Mehrere andere auf die Bevorzugung
einzelner Klassen gerichtete Amendements^ bleiben ohne Zustiunriung.
Algier. Vorkehrungen werden im Süden getroffen, um
die Karawanen, die sich'nach dem Mzab begeben, gegen einen
Handstreich der unterworfenen Stämme von Galeh zu be
schützen. Der Gesilndheitszustand ist befriedigend. Indeß
wird über ziemlich zahlreiche Pockenkrankheilen aus dem Di'
stricte Tezr-Uzou gemeldet. — Dran. Die größte Ruhe
herrscht in dem Militärbezirke. Die Bevölkerungen sind mit
den Ernte-Arbeiten beschäftigt; zahlreiche Arbeiter sind ans
Maroceo gekommen und ihr Zudrang hat ein bedeutendes
Fallen des Lohnes zur Folge gehabt. — Constantine.^ Die
Ruhe ist vollständig in den Stämmen und an der tunesischen,
Grenze; stur hat die Nachricht von der bei Methlili ausge
führten Razzia zur Folge gehabt, daß die Handelsbeziehungen
mit dem Mzab unterbrochen wurden. Das Einthun der Gerste
hat ans allen Punkten begonnen und die Heerden finden im
Tell einen Ueberfluß an Weiden.
Großbritannien und Irland.
London, 21. Juni. In der gestrigen Sitzung des Unter
hauses fragte das Mitglied für Waterford, Bernal Osborne,
den Führer der Opposition, wann er seinen bereits angekün
digten Antrag über den Stand der Verhandlungen tnit2lme-
ritä einzubringen gedenke. Disraeli, der sich jedes Angriffs auf die
Regierung enthielt, sagte, daß er sich bei der Stellung seines 2ln-
träges nicht von Parteirücksichten, sondern von dem LLohle Eng
lands leiten lassen würde. Er habe vor 10 Tagen
noch geglaubt, die Verhandlungen wären dem vollstän
digen Bruche nahe und sei nicht wenig überrascht ge
wesen, als' die Regierung neue Verhandlungen zum 2lb-
schlusse eines Vertrages angeknüpft habe. So lange diese noch
im Gange seien, halte er es für geboten, der Regierung
keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Die Erklärung Disraeli's
wurde von beiden Seiten des Hauses mit großer Befriedi
gung vernommen. Betreffs des Theiles des Washing
toner Vertrages, welcher Canada berühre, sagte Glad-
stone, daß England ilnd Canada ihre Pflicht gethan hätten,
und man abwarten müsse, bis der Congreß m seiner nächsten
Sitzung darüber berathen haben würde. Die schottische Schul-
frage wurde in einer Comitösitzung des Hauses durchberathen
und der Sprecher angewiesen, sie in der amendirten Fassung
demnächst vorzulegen.
Die Toryblätter besprechen das von dem Reichstag ange
nommene Jesuitengesetz. Der Standard sieht _ in demselben
einen Schlag, welcher ausschließlich gegen die Commissare
der Curie gerichtet ist. Die deutschen Staatseinrich
tungen, die große Macht, welche sie der Polizei ge
währen, machen es natürlicher, summarische Schritte
gegen die Llngriffe dieser Partei zu thun, als es in
anderen Ländern sein würde, wo der Staat nicht in
so unmittelbarer Weise von religiösen 2Ingelegenheisen dllotiz
nimmt. Wenn sich aber die Ansicht Deutschlands. über die
von Rom endgültig eingeschlagene Politik als richtig erweist,
so ist die Zukirnst für alle Älationen beklemmend, unter ivel-
chen die römische 2Nacht eine starke und ernste Organisation
besitzt. Auch ivir in England dürfen wohl die Politik im
Auge behalten, welche so scharfe Mittel nothwendig gemacht
hat, und sorgen, daß nicht durch Fahrlässigkeit od.er schwache
Parteiintriguen bei uns die 2Nacht der Jesuiten den Halt
gewinnt, gegen den das strengere System Deutschlands in so
energischer Weise vorgeht.
Die gestern aus Genf eingetrofsenen Depeschen
der verschiedensten Berichterstatter vermögen zivar nichts über
den Inhalt der bisher stattgefundenen Berathungen mitzu
theilen, stimmen jedoch allefammt in dem einen Gedanken
überein, daß die eingetretene achttägige Vertagung als günsti
ges Omen betrachtet iverden könne. Zudem sei es möglich,
daß das Schiedsgericht seine Berathungen schon am Montage
wieder aufnehme. Es hänge dies lediglich von den erwarteten
Depeschen aus Washingtou ab.
den Geist und die Kraft, die ihre Form schuf, so trieb es den
Griechen, was erschuf, in seinem Sinne vollendet zu schaffen.
Diese versteckten Gewandfalten formte die unermüdliche
Hand des Künstlers, als seien die Tauben, die zwischen den
Marmorgöttern davben vielleicht ihre Rester bauten, kritische
Spione der großen Mutter 2iatur, der fie Kunde bringen
könnten über jede Vernachlässigung. Und so: aus die, kaum
entstanden, zum Zersplittern und Vegrabenwerden verur-
theilten Todtenkrnge zeichnete der Kürtstler Figuren mit der
selben Sorgfalt, als sei die Bestimmung der Gefäße gewesen,
als kostbarer Hausrath Jahre lang vor dem Zerbrechen
gehütet und an sichtbarer Stelle in Ehren gehalten zu
werden.
In biefem Geiste der Vollendung, aus dem sie erstanden,
liegt der Werth der griechischen Kunstwerke für die Mensch
heit. Unserer Zeit zumal, in der oberflächliche Production
sich zu verbreiten beginnt, ist der Anblick dieser Arbeiten
dienlich. 2ln den Kunstwerken unserer besten Meister, Dü
rers vor allen Dingen, gewahren lvir eine gleiche religiöse
Gewissenhaftigkeit. Wie die griechische Sprache, was den
Bau der Sätze und die Wendmrg der Gedanken anlangt,
der unseren näher steht als jede andere, so steht griechische
Gesinnung in Bildung von Kunstwerken uns als reinstes
Muster vor Augen.
Es ist im Reichstage darauf angetragen worden, nach
dem Muster der deutschen Institute auf dem Capitol zu
Rom ein gleiches in Athen zu errichten. Möge sich das
verwirklichen. Möge, wenn von diesen Dingen vor der
Vertretung des deutschen Volkes die Rede ist, auch von de
nen, denen dergleichen ferner liegt, empfunden werden, um
welche Interessen es sich hier handelt.
Lselch ein Staat war 2lthen! Welch ein Gefühl unver
gänglicher Größe mochte seine streitbaxen Bürger erftluen,
Aus Washington wird der „Times" vom 20. telegraphirt:
„Es heißtz daß der-Staatssecretär Fish heute an den amerh"
kanischen Vertreter in Genf telegraphische Instructionen ge
sandt habe, der vorgeschlagenen Vertagung kein Hinderniß
in den Weg zu legen. — Der Präsident hat zu einem vier-
zehntägigen Ferienausfluge Washington verlassen."
Ein englischer Unterthan, welcher kürzlich aus Canada gelockt
und beim Betreten der amerikanischen Grenze verhaftet wurde,
ist durch Vermittelung der englischen Behörden wieder frei
gelassen worden.
Berliner Nachrichten.
Berlin, 22. Juni.
Der Oberst und Commandeur der 1. Garde-Cavallerie-
Brigade v. Krosigk hat sich mit Urlaub auf kurze Zeit nach
Dessau begeben.
Im ÄNonat April er. sind von der gesammten preußischen
Armee und dem 13. (königl. Württembergischen) Armeecorps
ca. 42,000 Mann und 135 Invaliden in Lazarethen und im
Revier ärztlich behandelt worden. Es sind hiervon circa
129,000 Mann und ca. 40 Invaliden gepeilt, 158 Mann
incl. Invaliden gestorben, als invalide ca. 175 und als
dienstuntauglick ca. 250 Mann entlassen und als Kranken
bestand auf den Monat Mai er. ca. 12,400 Mann und
93 Invaliden übernommen worden. Demnach sind circa
69 pCt. der Kranken der immobilen Armee und 28 pCt.
der erkrankten Invaliden geheilt, gestorben sind 0,4 pCt. der
Kranken der immobilen Armee und 2,2 pCt. der erkrankten
Invaliden.
An Typhus, Lungenentzündung und Lungenschwindsucht
sind die meisten Kranken gestorben, wogegen Brustfellentzün
dung, Pyämie re. weniger Opfer gefordert haben.
Von den Kranken der Oecupati'onsarmee in Frankreich sind
in Feld-, Kriegs- und Kantonnements-Lazarethen in Behand
lung gewesen: am 10. April er. 1379 Allann, am 20. April cr.
1368 Mann und am 30. April er. 1341 Mann.
W o l l m ä r k t e.
Lübeck, 20. Juni. Zu dem am heutigen Tage eröffneten Welt
märkte ivaren ca. 20,000 Stein au den Markt gebracht, nur um ein
Geringes weniger als im vergangenen Jahre, und zwar weil ein
paar den hiesigen Markt besuchende Producenten fehlten, welche schon
vor der Schur zu einem damals ihnen annehmbaren Preise verkauft
hatten. Die Qualität wie auch die Wäsche der vsserirten Wolle war
durchgängig befriedigend, und daher das Geschäft lebhafter als ans
irgend einem der vorausgegangenen diesjährigen Märkte. Besonders
stark war die Nachfrage!nach feiner Waare und diese auch schon bis
heute Mittag vollständig geräumt: es ivurden für Prima ll5—68
Bk.-Sch. p. Ctr. bewilligt, ein Posten ganz hochfeiner Wolle erzielte
sogar 75 Bk.-Sch. Außer den regelmäßig hier kaufenden Tuchfabrik
kauten aus Neumünster und den Händlern auä Hamburg und aus
Dänemark waren diesmal auch die seit mehreren Jahren nicht mehr
erschienenen Käufer aus Schiveden hier, und deren Älnwesenheit na
mentlich hob die Preise so, daß sie die vorjährigen durchschnittlich
um 10—12 Bk:-Sch. überstiegen.
Handel und Industrie.
Berlin, 22. .Juni. Bericht für Hypothekeil und Grundbesitz von
Emil Salomon. Die Umsätze in Hypotheken waren wie immer
gegen Schluß des Quartals von keiner großen Bedeutung, es fehlte
an Offerten zum Juli-Termin und blieben vielseitig Capitalien an
geboten. — Der Züisfuh für feinste Gegeiwen und erste Stellen
stellte sich auf ’ 4^4Z pCt. je nach der Größe der Beträge, für gute
Alittelgegend 4£—5 pCt., für entfernte Gegenden 5 pCt. Zweite
Hypotheken, sofern solche noch pupillarisch, lvurderl in guten Gegenden
gern 5s—6 pCt. genommen. — Hypotheken auf Rittergüter zur ersten
Stelle innerhalb der Pupillarischen Grenzen fehlen, die Course der
Landschafts-Pfandbriefe sind so günstig, daßUmwandlmtgen erschwert
werden. — Kreisobligationen beliebt und grit zu lassen, Posener
5proc. 99£ Geld Schlesische 5proc. 100 Br. — In bebauten Grund
stücken sowohl als in Baustellen und Parzellen war das Geschäft in
verflossener Woche ohne Belang und macht sich in diesem Geschäft
die stille Sommerzeit bemerkbar.
Usancen. Der Erscheinungstag der mit 50 pCt. eingezahlten
Aktien der Oesterreichisch-Jtalicnischen Bank ist auf den 23. Juni
d. I. anbcramilt und sind die 8 Tage nach Erscheinen gchandsltcn
Stücke am 1. Juli c. zu reguliren. Die Actien lauten über 500 FrS.
(mit 50 ^Ct. Emzahlrmg), tragen 5 pCt. Zinsen vom 1. Juli ab,
indem die bis dahin anfgelaufenen Stückzinsen bei Ausgabe der
Titres mit L. 1.50 vergütet werden, und wird die Valuta zu 7ttj
Pr. 300 Frs. umgerechnet.
Von Georg Marieit Bergwerks- und Hüttenvereins-Aetien fifeft»
Stamm-Actien und Stamm-Prioritäten lieferbar, da beide gleiche
Rechte genießen.
Oesterreichische Hypothckar-Rentenbank in Wien. Ein
lösung der 5,f proe. Wiener Silber rmd Silber-Pfandbriefe vom 24.
d. M. ab. (Siehe Inserat.)
Berliner Gemeinnützige Bau-Gesellschaft. Einlösung des
Dividendenscheins Nr. 9 bei M. Borchardtsim. hier. Näheres in der
heutigen Frühnummer.
Actien-Bau-Gesellschafk „Alexandra-Stiftung". Ein
lösung des Dividendenscheins Nr. 5 bei M. Borchardt jun. hier.
Näheres in der heutigen Frühnummer.
wenn jie, von siegreicher Fahrt heimkehrend, vom Meere aus
in der Ferne die goldene Lanzenspitze der Athene im Strahl
der Sonne entzündet, plötzlich aufleuchten sahen, lvie ein
Stern, auf den sie bei lichtem Tage zusteuerten. Noch ehe
man Athen erblickte, soll dieser Glanz von der Akropolis
aus sich auf zwei Stunden Weges hin gezeigt haben. Mit
welchem Stolze die Erinnerung einer langen glorreichen
Geschichte sie da erfüllte,- mit welcher Sicherheit sie ewige
Zeiten weiteren Fortschrittes so vor Augen sahen! Und heute
wurde uns der Bericht all dieser Größe wie eine bedenkliche
unsichere Sage klingen, für deren tönende Worte nichts recht
Greifbares den gültigen Beweis abgäbe, ständen die Werke
der Künstler und Dichter und Gelehrten nicht wie eine nn-
verrückliche Schutzwehr da, an der alle Zweifel über die
wahrhaftige Größe dieses Volkes zu nichte werden.
. Im Mai 1872. —m.
Um Scepter rmd Kronen.
Zeitroman von Gregor Samarotv.
Unter diesem Titel erscheint in der Wochenschrift „Ueber
Land und Meer" und lieferungsweise bei Hallberger in Stutt
gart ein Zeitroman, der sich die Allfgabe gestellt hat, die in
timen Vorgänge des Jahres 1866 in belletristischen Gedan
ken dem großen Publikum vorzuführen. Der Herr Verfasser
rühmt sich durchgreifender Kenntniß der damaligen geheimen
Geschichte und bewährt dieselbe, wie wir bei einzelnen uns
zufällig bekannten intimeren Vorgängen jener Zeit eontrol-
liren konnten, in der That in nicht geringem Maße. Der
Roman spielt wechselnd in Berlin, Wien, Paris sind Hannover und
zeigt bezüglich der letzteren Residenz und seiner damaligen In
sassen zugleich eine Detailkenntniß und eine Voreingenommenheit
welche den ivahren Namen des Verfassers ziemlich durchsichf
erscheinen lassen und die Loyalität mancher seiner Beha'
Lungen sehr zweifelhaft machen,' Novellistisch ist das Buch sch'