Full text: Zeitungsausschnitte über sonstige Veröffentlichungen

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49 
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an's Licht treten, zu Einern Bilde zu vereinigen, man würde 
das wunderlichste Farbendurchsinander erhalten, welches die 
kühnste Phantasie sich jemals ausmalen konnte. Das Seit 
sanlste dabei ist, daß man noch immer den Aberglauben gcr 
wahrt, als könnte die politische Ueberzeugung, oder besser 
gesagt, das politische Gefühlsleben der Bewohner des Reichs 
landes plötzlich durch irgend ein -besonderes Ereignis; von 
einem Tage zum andern einen radiealen. Umschwung erfahren. 
So war es z. B. eine ganz falsche Rechnung, wenn hier und 
da die Ansicht auftauchte, daß die französische Gesinnung der 
Straßburger durch den in dem Urtheile des Versailler Un- 
tersuchungsrathes gegen die ehemalige Nationalgarde dieser 
Stadt _ ausgesprochenen Tadel den Todesstoß erhalten habe. 
Man sehe sich nur einmal den Protest an, welchen die Straß 
burger an Thiers gerichtet haben. Wenden sie sich etiva mit 
Abscheu ab von einer Nation, deren parlamentarische Ver 
treter das Bedürfniß zu empfinden scheinen, zur Beschöni 
gung der Gesunkenheit des eigenen Volkscharakters auch 
noch die ehemaligen Staatsgenossen deutschen Stammes in 
den Staub zu ziehen, sie, die in den Tagen der Gefahr wirk- 
loch in der unverantwortlichsten Weise preisgegeben worden 
waren? Keineswegs; sie verlangen nur eine Gegenuntersu 
chung, um das „beschimpfte" Sttaßburg in den Augen Frank 
reichs zu rehabilitiren. Damit wollen wir freilich nicht be 
streiten, daß die Veröffentlichung jenes Urtheils hier wie ein 
Donnerschlag gewirkt und nachher gar manchen übereifrigen 
Anhänger der verlorenen „mere-patrie“ zu etwas objecti 
veren Gedanken veranlaßt hat. Aber wir Deutschen sollten 
vor Allem vermeiden, in jene Uebertreibungen der'Franzosen 
zu verfallen, von denen uns die Pariser Presse alle paar 
Tage die ergötzlichsten Beispiele liefert. So ist Z. V. so eben 
von emer ziemlich harmlosen Todtenfeier zum Gedäcbtniß 
einer trit vorigen Jahre auf dem Bahnhöfe zu Königshofen, 
bei Gelegenhett der Verpflegung zurückkehrender französischer 
Kriegsgefangenen, verunglückten Dame in den französischen 
Blättern ein Lärm geschlagen, als habe ganz Straßburg der 
deutschen'Verwaltung unabänderliche Todfeindschaft in's Ge 
sicht geschworen. Wer die Dinge näher tonnst wird über 
derartige-Pariser Visionen nur lächeln können. Die Wahr 
heit isst daß sich die Verhältnisse int Elsaß bisher im Großen 
und Ganzen keineswegs ungünstiger gestaltet haben, als man 
billig erweise erwarten könnte. In den Landkreisen unter 
halb Straßburg steht es sogar noch besser, als tuan ange 
sichts der Oppositionswirren und der Furcht vor der ersten 
Mititäraushebung annehmen sollte. Die deutschen Behörden finden 
hier vielfach das freundlichste Entgegenkommen und ungeheuckelte 
Anerkennung; namentlich die Bemühungen der Verwaltung 
um die Hebung der Landwirthschaft durch die Bildung land- 
wirthschastlicher Vereine und Anstellung von Wanderlehrern 
sind bereits von recht erfreulichem Erfolge gewesen. Ungün 
stig dagegen hast besonders in den politisch nicht gebildeten 
Klassen, die Verlängerung der Dietaturperiode gewirkt, kei 
neswegs aber deshalb, weil man die längere Ausschließung 
von der vollen Ausübung der Reichsbürgerrechte so schwer 
empfände — nichts liegt dem ganzen VorstellungÄreise des 
Elsässers ferner, als ein solcher Gedanke —, sonderit infolge 
der seltsamen Täuschung, daß durch die Einführung der Reichs- 
Verfassung sämmtliche aus der französischen Zeit herstammende 
und in Deutschland nicht bestehende Steuern ohne Weiteres 
wegfallen würden. Daß ein derartiger Jrrthutn nickt in den 
Köpfen der unwissenden Menge selbst entstanden ist, liegt auf 
der Hand; die bekannte deutschfeindliche Agitation bedurfte 
dieser Lüge, .um die Prolongationsmaßregel, welche den Es- 
Iw.ächrT .VKyr'fU üvedft.ye tiiv .Pichen, wie 
»-....Asche Industrie zu dem UmschfMlge der Dinge 
Ziffer der an der Wiener Weltausstelluttg sich 
betheiligenden Firmen. Dieselbe wird sich auf etwa 120 
pellen, also mit der so sehr entwickelten Gewerbthätigkeit un 
seres Landes keineswegs in richtigem Verhältniß stehen. Be 
denkt man jedoch, daß, ginge es «ach dem Herzen der 
Chauvins, kein einziger Elsässer in der deutschen Ab 
theilung der Ausstellung sich zeigen dürste, so kann man 
mit der in Wirklichkeit angemeldeten Betheiligung immerhin 
zufrieden sein. — Ant wärmsten werden der deutschen Ver 
waltung zur Zeit wohl. die Herzen unserer Schullehrer ent 
gegenschlagen. Der „Niederrheinische Kurier" wird, wie er 
erklärt, von elsässischen Lehrern gebeten/ der kaiserlichen Re 
gierung in ihrem Namen öffentlich beit herzlichsten und auf 
richtigsten Dank für das dem Lehrerstande durch das Gesetz 
betr. die Lehrergehalte bezeugte Wohlwollen darzubringen. 
Da der „Nied. Kur." ein vollkommen unabhängiges Blatt 
isst so werden die Franzosen sich vergebens abmühen, den 
Ursprung dieser erfreulichen Kundgebung zu verdächtigen. 
Wenn unsere neuen Neichsgenoffen eintnal anfangen, von 
Athenische Todtenkrlige. 
Im XXIX. Bande der Preußischen Jahrbücher hatte Ernst 
Curtius über seine letzte griechische Reise berichtest in der 
Sitzung der Archäologischen Gesellschaft am 7. Mai 
wurde über die in Griechenland gemachten Ankäufe Aus 
kunft gegeben. Den Glanzpunkt dieser Acquisitionen bil 
den eine Anzahl hoher, hochhenklicher, vasenartiger Krüge, 
auf deren Bauche sich Malereien befinden, die ältesten 
Malereien, die wir bis jetzt von athenischen Händen besitzen. 
Noch sind sie auf dem Königlichen Museum öffentlich nicht 
ausgestellt, deshalb hier einige vorläufige Worte über 
ihren Werth und ihre Schönheit. 
Sogenannte griechische Vasen besaß unser Museum be 
reits in großer und- kostbarer Fülle. Man bewundert auf 
diesen Producten des Kunstgewerbes die Freiheit und 
Sicherheit, mit der das nachahmende Handwerk Cvpien von 
Gemälden, Statuen und Basreliefs ^ — es ist nicht immer 
klar, was vorlag — in leichten Umrissen wiedergab. Selbst 
die flüchtigsten Zeichnungen dieser Art betrachtet man mit 
Vergnügen. In den Ländern griechischer Cultur muß im 
Laufe von Jahrhunderten, von' denen wir nichts wissen, 
diese die Schönheit nachbildende Fähigkeit langsam gestie 
gen sein, bis sie zu einer nationalen, ivie aus sich selbst 
'wirkenden Kraft wurde, deren Erfolg eben so sicher war, 
als die Vollendung der beim Bau der Bierreu entstehenden 
fünfseitigen Zelle. 
Die Beweise für diese Fähigkeit jedoch liegen uns sehr 
ungleich vor Augen. Lückenhaft zumal ist unsere Kenntniß 
dessen, was im eigentlichen Griechenland gethan wurde. 
Flalien und die Inseln haben bisher die Muster meistens 
geliefert, aus böiftn wir auf das schloffen, was Athen unb 
Eorinth in den Lagen ihrer üppigsten Eittwicketnnst prodio 
derartigen Thatsachen No! zu nehmen, vielleicht helfen ihnen 
dann die Nachrichten üb so manche Fata ihrer nach Frank 
reich ausgewanderten Losleute dazu, unbefangener zu er 
kennen, von welcher Sei.man mit größerer Gewissenhastig 
keit auf ihr Wohl beb t ist. So taucht soeben in der 
französischen Presse selbetas offene Geständniß auf, daß es 
tu der That eine unvmtwortliche Thorheit gewesen, so 
manche Elsässer, Einzelhcndc wie ganze Familien, nach 
Algier zu locken. Wer yt noch mit Unterhaltsuütteln aus 
der Heimath versehen istverfällt dem baaren Elende. An 
Warnungen hat es den tglücklichen seinerzeit nicht gefehlt, 
hoffen wir nur, daß ihn die jetzige Lehre schließlich noch 
zum Heile gereiche. 
* Straßburg, 20. chri. Die zur Zeit hier tagende 
elsässijche Pastora'lconfercn-eschästigt sich u. A. mit folgender 
Frage: „Welches sind dicliittel, um dem Aberglauben und 
der Hexerei zu steuern?" fluch ein charakteristisches Zeichen 
der Volksbildung im Elsa 
-Metz, 21. Juni. Ls hiesige amtliche Organ, die 
„Zeitung für Lothringen wird vom 1. Juli ab in zwei 
Ausgaben, Mittags franzisch und Abends deutsch erscheinen. 
Bisher erschien das Blatt n beiden Sprachen zugleich. Es 
werden wohl technische Swierigkeiten gewesen sein,, welche 
von diesem Modus abzug.cn riethen. ' Daß ein in Aletz er 
scheinendes Blatt, welches elesen werden will, nicht in deut 
scher Sprache allein auftren kann, wird jeder der Verhält 
nisse Kundige als selbstvenndlich begreifen? 
A r ar k r e i ch. 
£ Paris, 20. Jüni. U>cr den Verlauf der Unterredung, 
welche die mehrerivähnte 'Deputation der Conservativen heut 
Nachmittag mit dem Präventen der Republik gehabt hast 
war in der Kammer noch ichts Näheres zu erfahren; weder 
die Deputation, noch Herr Thiers, hat sich in der Sitzung 
blicken lassen, und von du Letzteren erfuhr man nur, daß 
er nach Paris gefahren wce, wo er bei dem Grafen Arnim 
diniren sollte. Man darf mit einiger Wahrscheinlichkeit an 
nehmen, daß die Herren SintMarc Girardin und Genossen, 
wenn es ihnen gelungen lnre, das Herz des Präsidenten zu 
bezwingen, nicht gesäumt htten, ihren Freunden; welche eben 
bei einer Rede des Geneals Guillemaut über den Frei- 
willigen-Dtenst Siesta hielln, die frohe Botschaft brühwarm 
zu überbringen; indeß soll es uns nicht darauf ankommen, 
positivere Aufschlüsse abzuwarten. Kehren wir also nach 
Paris zurück, wo heut wie er ein Marschall von Frankreich, 
Forey, das Zeitliche gesegiet hat. Der Sieger von Puebla 
führte in seiner bescheidene: Wohnung in der Rue de Morny 
schon seit geraumer Zeit ün trauriges Junggesellen- und 
Jnvalidenleben; er war an Armen und Beinen gelähmt und 
seine ganze Umgebung besttnd aus einem' noch älteren und 
noch decrepidern Feldeamercden, dem Oberst Titard, und aus 
zwei Hunden, die er eben so närrisch liebte, wie der Mar 
schall Billart seinen auf dein Schlachtfelde von Solferino auf 
gelesenen Pudel. Forey verdrnkte seine Carriere, wie Mag- 
nan und Canrobert, dem 2. Dezember; der Kaiser hielt große 
Stücke auf ihn, aber die Armee hatte von dem Mann eine 
um so geringere Meinung und im Publicum genoß er kaum 
eines besseren Rufes, als sein Nachfolger in der mexikani 
schen Satrapie. Neben diesem Todesfall bildet das zelotische 
Verhalten des Herrn Guizot auf der protestantischen Synode 
den Hauptgegenstand des Tagesgesprächs, i'r Rue Roquöpine 
französischen Pietisten ließ -tz^ljgestern in dßrdiges Seitenstück 
cv* E. vitieXwV,öeti tm „OstervcktöreRomano" erschienenen Brie 
fes Pius IX. an den Cardinal Antonelli ist. „In den letzten 
dreißig Jahren", sagte er unter Anderem, „mußten wir eine große 
Explosion gelehrter Ungläubigkeit erleben. Der Pantheismus, 
welcher nur ein verkleideter Materialismus ist, kam von 
Deutschland herüber und nistete sich bei uns ein; die Oppo 
sition gegen das Christenthum stützte sich auf kritische Sy 
steme, die sehr gelehrt, aber nichtsdestoweniger sehr oberfläch 
lich waren und oft den wahren Sinn der'Fragen gxr nicht 
begriffen. Diese ganze pantheistische und kritische Bewegung 
ist das Anzeichen und zugleich die Wirkung eines krankhaften 
Zustandes des tnenschlichen Geistes" u. s. w. Alles das in 
dem hofmeisterndcn und apodiktischen Tone vorgetragen, welchen 
man an dem Todtengräber der Julimvnarchie kennt. Gestern 
ging er noch weiter und argumentirte, wegen seiner Stellung 
zur römischen Frage interpellirt, wie folgt: „Die katholische 
Kirche hat ein Recht auf den ungeschmälerten Genuß ihrer 
Freiheiten; die Uebung dieser Freiheiten setzt die Unabhän 
gigkeit des Papstes voraus und diese wiederum ist an' die 
weltliche Herrschaft geknüpft; die dissidirenden Kirchen würden 
also ein schönes Beispiel von Gerechtigkeit geben, wenn sie 
im Namen der Freiheit gegen die Spoliatwn des heiligen 
Stuhles protestirten". Diesmal wurde es denn doch der re 
trograden Versammlung selbst zu viel und sie schloß sich der 
Erklärung eines Mitgliedes der Linken an, daß Hr. Guizot 
mit dem Gesagten jedenfalls nur seine persönliche Ansicht 
ausspreche. Alan sah in der Synode für heut oder morgen 
der Abstimmung über die orthodoxe Glaubensdeclaration ent 
gegen; der Sieg der Gnizot'schen Ultras ist unzweifelhaft 
und nur in Bezug aus das Stimmenverhältniß gehen die 
Vermuthungen noch auseinander. 
* Paris, 20. Juni. So hat denn der vielberedete Schritt 
der Rechten bei dem Präsidenten der Republik endlich statt 
gefunden. Heute Mittag haben sich die Delegtrten der ver 
schiedenen Fractionen zu Hrn. Thiers begeben, um ihm „die 
Befürchtungen auszudrücken, welche die innere Lage des Landes 
t'niider Nd11NNalversamn 
cirt haben könnten. Was an diesen Stätten selbst gefun 
den wurde, waren vereinzelte Stücke. Wie sicher unterschei 
den wir die italienische Arbeit von 1500 von der, welche 
50 Jähre später entstand, und diese wieder von der fran 
zösischen von 1650 und diese von der 1750 entstandenen. 
Bei der Beurtheilung antiker Arbeit wurde das Heraus 
finden von Epochenunterschieden dieser Art mit Sicherheit 
kaum möglich sein. Daher das Aufsehen begreiflich, das 
die von Benndorf publicirten Abbildungen einer Anzahl 
athenischer Thongefäße machten. Man kannte soviel, um 
sich bereits ein festes Urtheil zutrauen zu dürfen, und nun 
fanden sich auf diesen elenden Ueberresten zerbrochener 
Töpferwaare Zeichnungen, die das Bekannte weit übertra-, 
fcn. Eine Zartheit der Linienführung trat uns hier ent 
gegen, die sich in geistreicher Skizzirung der Gestalten den 
Handzeichnungen unserer- besten modernen Meister an die 
Seite stellen ließ. Und haben Handwerker in Athen das 
geleistet, was erst mußten die großen Mäler dort zu schaf 
fen im Stande gewesen sein, von deren Werken kein Strich 
mehr erhallen ist! 
Nach dieser Richtung eröffnen die von Cnrlius in Achen 
erworbenen Thongefäße abermals neue, nun aber bei wei- 
tem großartigere 2lussichten. 
Es war Sitte in Athen, den Todten gemalte Krüge, 
Lekythen, ins Grab nachzuwerfen, so daß' sie zerbrechend 
mit ihren Scherben über und neben dem Leichnam lagen. 
Das Zertrümmern von Gefäßen als Zeichen eines bedeu 
tenden Abschlusses im menschlichen Leben, oder des Lebens 
überhaupt, ist eige wohl überall verbreitete alte Sitte. 
Diese Krüge trugen Malereien, welche auf den Todteneult 
Bezug hatten. Heute, wo Gräber sorgfältiger als früher 
geöffnet zu werden pflegen und wo man sie nach wissen 
schaftlichen Grundsätzen ausraubt, sind aus einigen atheni- 
stimmtes (ein Telegramm darüber brachten wir tm gestrigen 
Abendblätte. D. Red!) ; daß er aber für die Velleitäten der 
Majorität keineswegs ermuthigend ausgefallen, kann schon 
aus der ganzen Haltung der'dem Präsidentschastshotel nahe 
stehenden Blätter entnommen werden. Namentlich das „Bien 
public" bringt einen sehr beachtenswcrthen Artikel, in welchem 
die Antwort des Hrn. Thiers antieipirt zu jein scheint. Es 
verlohnt sich, die wesentlichsten Stellen dieses Artikels hier 
wieherzugeben. 
„Es wäre Wohl leicht", sagt das genannte Blatt, „den 
wirklichen Grund der Befürchtungen der Rechten zu errathen. 
Die letzten 'Wahlen haben den Vorhang zerrissen. Vergeblich 
sucht man die Niederlage zu erklären, und man mag sich mit 
dem Ruf Nadicalismus trösten; die Wahrheit antwortet: 
Republik. Diese Wahlen fanden inmitten von Umständen 
statt, welche den Gegnern der Republik zum Nachdenken An- 
laß geben konnten. ' Alan kann heute in Frankreich nickt von 
Wohlstand sprechen, aber wir übertreiben nichts, wenn wir 
sagen, daß die Lage des Landes sich gebessert hat, und daß 
ein gewaltiger Unterschied zwischen heute und den Sommer 
monaten von 1871 besteht. Selbst die Ernte, welche die be 
ruhigendsten Aussichten gewährt, trägt ihr Scherflein zur Be 
schwichtigung der Gemüther bei; Gott behüte uns, zu behaup 
ten, daß unsere Gegner Um Geheimen diese bessere Lage der 
Dinge bedauern, aber wir können wohl jagen, daß sie diese Wohl 
thaten auf ganz andere Weise würdigen würden, wenn sie nicht 
unter der Republik gekommen wären. Man kann in derThat nicht 
läugnen, daß die Republik aus diesen Fortschritten Nutzen 
zieht, daß die guten Gesetze und die guten Maßregeln eben 
so viele gute Noten für sie in dem Wettstreit sind, von wel 
chem Hr. Thiers vor 15 Monaten in Bordeaux sprach. Alan 
muß auch anerkennen, daß die Verdienste der monarchischen 
Parteien sehr gering sind. Gewiß haben die Deputaten der 
Rechten auch nützlicher Weise an dein gemeinschaftlichen Werk 
mitgeholfen, aber — und dieses versetzt sie gerade in Erre 
gung — sie haben für die Republik gearbeitet. Mas ihnen 
als Eigenthum angehört, das sind die drei mißlungenen Ver 
suche, die Fusion zu Stande zu bringet* und ein oder zwei 
Manifeste, die jedenfalls selm würdig waren, aber für 
unsere Zeit nicht payE"' Hr wenig klare De 
clarationen, die^tF Tyuren öffneten, aber keine schlossen. 
Das £o”\ urtheilt und vergleicht mit seinem gesun. 
w Menschenverstände. Es läßt Jedem Gerechtigkeit 
widerfahren. Es begreift, daß die Erhaltung der Republik, 
( Verbesserung».* gestattet, besser ist) als ein «citer 
«nt.2er Monarchie. Eine Gelegenheit bietet sich dar 
MMkn diesen Versuch zu Protestiren. Das Land potesürt' 
5 '"was Natürlicheres? Die, gegen welche man pro 
testirt sind unzufrieden; es ist ihr Recht, aber wenn sie auf 
die Regierung böse werden, wenn sie ihr die Schuld ihÄ 
Niederlage beuneffen und ihr sagen, sic regiere schleck £ 
begreifen wir dieses nicht, und wenn dies? Leute ans' 
Stimme des Landes hörten, so würden sie finden, das; dE 
auch nicht begreift. Wenn sie eine Anklage sormu- 
J j ünnten ' knmn |te dem Lande nur sagen könnten, daß 
tt fXTt 31 Ehrgeiziger sei, so würden sie 
~ a ? cht haben, so zu handeln, wie sie es thun. 2lber tvo 
sind diese Anklagen, wo ist das Verbrechen? Der Präsident 
glaubt an die Zukunft der Republik; er sagt es: dieses ist 
sem Verbrechen; er regiert so, damit man sie liebt und achtet: 
das lstz way abjcheulich ist. Wenn man die Krisis untersucht, so muß 
sich Gluck wünschen, daß sie eingetreten ist. Die ehrenhaften 
Männer, welche sie hervorgerufen, werden wohl bei ihren ersten 
Schritten stehen bleiben. Aber wenn sie weiter gehen, wenn 
sie öffentliche Erklärungen verlangen sollten, so werden die- 
selben für dre, welche sie tadeln, und die Republik ein atlßer- 
ordentlicher Tnumph sem; denn sie würde diesen Männern 
gestatten, Frankreich, diesem edlen Besiegten von 1870/71, zu 
scheu Gräbern die Scherben solcher Krüge wieder beraiiN 
gelesen worden. Die alte Zerschmetterung ist durch -str- 
sammenlemmng der Stücke wieder gut gemacht, und es 
steheri diese ernst vernichteten Symbole des Todes und der 
Vergänglichkeit als Zeugen alten Lebens üeu aufaebaut 
wieder vor uns. "u,gevaur. 
Betrachten wir sie näher. 
^ in Gebrauch genonrmen, sondern ihrer Zfft neu 
hergestellt und dann wieder zerbrochen, Haben diese T0.ten- 
krnge, trotzdem daß sie aus lauter zersplitterten Theilen 
sammengefugt worden sitrd, etwas Frisches, Unberührtem 
das sich so an keinem anderen Producte antiker Arbeit 
beobachten läßt. Offenbar find unsere Exemplare, ein hal 
bes nutzend etwa, in übereilter Arbeit hergestellt worden 
da sie mehr oder weniger unvollendet dastehen, als hätte 
nian fie, wie halbgargebackenes Brod aus dem Ofen un- 
fertig aus der Werkstätte genommen. Auf einigen schon 
wir die Figuren fast nur in den angelegten Umrissen (roih- 
braune Linien ans glattpolirtem weißen Grunde), auf an- 
oern find einige Theile der Figuren bemalt. Fertig aus 
geführt ist keine dieser Malereien. 
Es versteht sich von selbst, und schon die Flüchtigkeit der 
Herstellung deutet es an, daß man in diesen Kriigen den 
Todten keine Kunstwerks von Bedeutung nachwerfen wollte. 
Die Raschheit der Zeichnung, die meist sehr roh ausgetragene 
Farbe heftäftgt dies. Solche Krüge mögen in Rtassen da- 
nials angefertigt ivorden sein, nichts als Dutzendarbeit 
haben wir in ihnen vor Llugen. Welche Arbeit aber! 
WOch eine Höhe des allgemeinen künstlerischen BermSatns 
delften fie an! Wie vortrefflich sind Hände und Füße die 
ser Figuren gezeichnet! Kein Ateister brauchte sich dvser 
Umriffe zu schämen. Geben uns die Reste achenisher 
Scnlptur, die ans den heften Tagen der Stadt erhaben 
zeigen, was sie für es mit Hülfe und unter der Aegide der 
Republik sollen thun können .... Sie werden das, was 
geschehen ist, mehr als persönliche Dienste darstellen, aber als 
den Beweis, was ein Land vollbringen kann, welches selbst 
an seiner Regeneration arbeitet, und sie werden das Recht 
haben, Frankreich zu fragen: „Ist die Bahn, die wir verfolgt 
hüben, so schlecht, um sie zu verlassen und aus neue Aben 
teuer auszugehen?" Und was die Männer anbelangt, welche 
die Erklärungen hervorgerufen, so wird die Regierung das 
Recht habeir, ihnen zu sagen: „Sic klagen uns an, nicht mit 
Ihnen zu regieren; hier ist, was wir zusammen für Frank 
reich gethan haben. Ach! es ist wahr, daß wir für Parteien 
nichts gethan haben, aber wurdet ihr dafür gewählt und 
habt ihr mich dafür ernannt?" 
An Deutlichkeit läßt diese Erklärung jedenfalls nichts zu 
wünschen übrig. 2Ran kann gespannt darauf fein, was nun 
die Rechte einer derartigen Antivort gegenüber, die sie unter 
keinen Umständen befriedigen kann, unternehmen wird. 
Ueber die Anlehensprojerte der Regierung geben die Blät 
ter heut so bunte und widersprechende Mittheilungen, daß 
sie sämmtlich den Stempel der Erfindung oder leeren Ver 
muthung an der Stirn tragen. Bald heißt es, die Anleihe 
von drei Milliarden solle sofort, bald, sie solle nach der 
Ernte während der Kammerserien. (im August oder Septem 
ber) ausgelegt werden; die Hälfte sei bereits an ein Syndi 
kat von Bankhäusern des In- und Auslandes vergeben; 
„La Presse" weiß sogar schon die Emissionsziffer und zwar 
auf 82,50 anzugeben. Das Wahrscheinlichste ist wohl, ^daß 
die Regierung zunächst die Rückäußerung des Berliner Cabi- 
nets auf ihre detaillirten Vorschläge abwartet, ehe sie für die 
Modalitäteii der Operation selbst einem definitiven Ent 
schluß faßt. 
Die Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Pa 
riser Municipalrathe über die Zmückerstattung der Pariser 
Kriegscontribntion von 200 Millionen Frs. ziehen sich sehr 
in die Länge. Die Regierung ist bis jetzt nur zur Zahlung 
von 140 Billionen bereit, der dNunicipalrath ist aber keines 
wegs geneigt, auf dies Llnerbieten einzugehen. 
Am nächsten Vtontage soll, wie man heute hört, endlich 
einmül die Steuerdebatte ans die Tagesordnung kommen. 
Man hält für wahrscheinlich, daß die Regierung neue Steuern 
bis zu denl Ertrage von 200 Millionen statt der von der 
Commission vorgeschlagenen 146'Millionen für nothwendi g 
erklären werde, da sich herausgestellt habe , daß die bereits 
fungirenden neueren Steuern hinter der erwarteten Ertrags 
fähigkeit bedeutend zurückblieben. Das Resultat war nicht 
.chwer vorherzusehen. 
In der gestrigen Sitzung der protestantischen Synode kam 
es wieder einmal zu einem scandalösm Vorfalle. Herr Ela- 
mageran aus dem liberalen und Herr Mettetal aus dem 
orthodoxen Lager geriethen heftig aneinander und als Ersterer 
den Letzteren einen „Mann des 2. December" nannte, wurde 
der Tumult so arg, daß die Sitzung aufgehoben werden 
mußte. 
Mit dem heute ÄKorgen 8 Uhr in Paris gestorbenen 
Marschall Foreh ist wiederum einer der Getreuesten des Ex 
kaisers aus dem Leben geschieden. Ferry war am 10. Januar 
1801 geboren und im Jahre 1822 in die Militärschule'von 
Saint-Cyr eingetreten. Im Jähre 1848 zum General er 
nannt, hatte er an dem Staatsstreich vom 2. December 1851 
einen wesentlichen Antheil. Ein Jahr darauf beförderte ihn 
der danMre Kaiser zum Divisionsgeneral, irr welcher Eigen 
schaft er eine Zeit lang die Truppen vor Sebastopol anführte. 
Den Marschallstab erwarb er sich als Oberbefehlshaber der 
mexikanischen Expedition. Er war seit mehreren Jahren ge 
lähmt und konnte daher in dem letzten Kriege nicht mehr 
verwendet werden. 
Außer in Bordeaux stehen auch in drn Departements 
Vosges und Jndre-et-Loire dieuwahlen in Aussicht. Im 
ersteren ist von den Republikanern Hr. Mangeot, Präsident 
dec>-Oeneralraths dieses Departemens, aufgestellt. Im letzte 
ren plaidirt die gleiche Partei für Hrn. Calmon, Unter- 
staatssecretär im Ministerium des Innern, welcher auch von 
der Regierung unterstützt wird. Candidatcn der übrigen 
Parteien sind noch nicht aufgetaucht. 
In der unabhängigen Presse wird seit einiger Zeit die 
Lage in Algerien in immer ungünstigerem Lichte geschildert. 
Die Regierung scheint diesen Berichten keine eingehende Wi 
derlegung entgegensetzen zu können. Was das amtliche Blatt 
ab und zu über Colonie veröffentlicht, ist sehr dürftig. Das 
heute in demselben erschienene Bulletin lautet wie folgt: 
Nationalversammlung. , Sitzung vom 20. Juni. Es 
herrscht große Unruhe und Unaufmerksamkeit in der Versamnrlmlg. 
Alles unterhält sich über den vermuthlichen Ausgang der Audienz, 
ivelchen die Delegation der Rechten. soeben bei Thiers hat. Zu 
Lern gestern mitgetheilten Artikel 55 des Rekrutirungsgesetzes hat 
blieben, eine Idee deffdn, was höchste griechische Kunst zu 
liefern im Stande tvar, so lassen uns diese Denkmale ge 
wöhnlicher Handwerksarbeit nicht weniger tief in den künst 
lerischen Geist des athenischen Volkes einblicken. Sie zei 
gen eine Durchschnittshöhe der allgemeinen Leistungen, die 
erstaunlich ist. Es leuchtet eine individuelle Begabung aus 
den Zeichnungen heraus, die sie tragen, deren Umfang 
erst dann ganz klar werden kann, wenn man mit ihnen 
euva die' Malereien italienischer Majoliken vergleichen 
wollte, welche in den besten Zeiten des Cinquecento irach 
den besten Mustern angefertigt worden sind, und die weit 
dahinter zurückstehen. 
2luf etwas Anderes noch Null ich aufmerksam machen. 
Wenn wir an den Resten der Parthenonfiguren (deren 
2lbgüsse im griechischen Saale des Neuen Museums stehen) 
diejenigen Theile aufsuchen, welche durchaus unversehrt er 
halten blieben, so genügen dieser Anforderung nur einige 
an der Rückseite einiger Figuren sichtbare Theile der Dra 
perie, die, vor Licht und Witterung geschützt, die Oberfläche 
intakt erhalten haben. Nun aber betrachten lvie die äußerst 
sorgfältige Vollendung dieser 2lrbeit und fragen, für wes 
sen' Blicke stellte der Künstler , sie so her? Er, der sein 
Werk für die Ewigkeit an seine Stelle in den Giebel des 
Parthenon gestellt zu haben glaubte, durfte nicht daran 
denken, es würden hyperborüische Hände einst diese Götter 
beravnehmen, fortführen, und aus ihrem Aussehen Schlüffe 
ziehen auf ihn und seine Zeiten. Nur zu seinem eigenen 
Genügen verbreitete der Künstler diese Vollendung über 
alle Theile der Arbeit gleichmäßig. Wie die Statur selber 
bei Millionen und Millionen Schneeflocken, die eine einzige 
Minute auf die Erde schüttet, jede einzelne dennoch nach 
Mn Gesetzen ihrer Schönheit vollendet gestaltet, als khWte 
sie gerade berufen sein, Zeugniß ablegen zu müssen über 
Herr v. Guillemant ein Amendement gestellt, wonach 
die Zahl der Freiwilligenzulassnngen in jeden; Departement jährlich 
in einem dem Gesanunteontingent entsprechenden Verhältnisse firirt 
werden soll. Nach einer sehr verworrenen Debatte wird Artikel 55 
mit diesem Amendement angenommen. Es folgt Art. 56, welcher 
folgendermaßen lautet: „Der einjährige Freiwillige kleidet, eqtlipirt 
und unterhält sich auf seine Unkosten. Indeß kann der Kriegsmi 
nister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei ihrer Prüfung 
Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den wom Regle 
ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten beweisen, daß sie in der Un 
möglichkeit sind, die aus dem vorstehenden Artikel entsprin 
genden Kosten zu bestreiten, theiliveise öder ganz von den- 
selberr entbinden." Herr Duvergicr de Hauranne, stellt hier- 
hierzu ein Amendement, wonach die betreffenden jungen Leute auch 
ein Zeugniß über sittlichen Lebenswandel beibringen sollen. Dieser 
Antrag wird verworfen, ein anderer V»rschlag desselben Antragstellers 
dagegen, nämlich die Worte „ansnahnisweise" und „großer" (Fähig 
keit) zu streichen, angenommen. Mehrere andere auf die Bevorzugung 
einzelner Klassen gerichtete Amendements^ bleiben ohne Zustiunriung. 
Algier. Vorkehrungen werden im Süden getroffen, um 
die Karawanen, die sich'nach dem Mzab begeben, gegen einen 
Handstreich der unterworfenen Stämme von Galeh zu be 
schützen. Der Gesilndheitszustand ist befriedigend. Indeß 
wird über ziemlich zahlreiche Pockenkrankheilen aus dem Di' 
stricte Tezr-Uzou gemeldet. — Dran. Die größte Ruhe 
herrscht in dem Militärbezirke. Die Bevölkerungen sind mit 
den Ernte-Arbeiten beschäftigt; zahlreiche Arbeiter sind ans 
Maroceo gekommen und ihr Zudrang hat ein bedeutendes 
Fallen des Lohnes zur Folge gehabt. — Constantine.^ Die 
Ruhe ist vollständig in den Stämmen und an der tunesischen, 
Grenze; stur hat die Nachricht von der bei Methlili ausge 
führten Razzia zur Folge gehabt, daß die Handelsbeziehungen 
mit dem Mzab unterbrochen wurden. Das Einthun der Gerste 
hat ans allen Punkten begonnen und die Heerden finden im 
Tell einen Ueberfluß an Weiden. 
Großbritannien und Irland. 
London, 21. Juni. In der gestrigen Sitzung des Unter 
hauses fragte das Mitglied für Waterford, Bernal Osborne, 
den Führer der Opposition, wann er seinen bereits angekün 
digten Antrag über den Stand der Verhandlungen tnit2lme- 
ritä einzubringen gedenke. Disraeli, der sich jedes Angriffs auf die 
Regierung enthielt, sagte, daß er sich bei der Stellung seines 2ln- 
träges nicht von Parteirücksichten, sondern von dem LLohle Eng 
lands leiten lassen würde. Er habe vor 10 Tagen 
noch geglaubt, die Verhandlungen wären dem vollstän 
digen Bruche nahe und sei nicht wenig überrascht ge 
wesen, als' die Regierung neue Verhandlungen zum 2lb- 
schlusse eines Vertrages angeknüpft habe. So lange diese noch 
im Gange seien, halte er es für geboten, der Regierung 
keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Die Erklärung Disraeli's 
wurde von beiden Seiten des Hauses mit großer Befriedi 
gung vernommen. Betreffs des Theiles des Washing 
toner Vertrages, welcher Canada berühre, sagte Glad- 
stone, daß England ilnd Canada ihre Pflicht gethan hätten, 
und man abwarten müsse, bis der Congreß m seiner nächsten 
Sitzung darüber berathen haben würde. Die schottische Schul- 
frage wurde in einer Comitösitzung des Hauses durchberathen 
und der Sprecher angewiesen, sie in der amendirten Fassung 
demnächst vorzulegen. 
Die Toryblätter besprechen das von dem Reichstag ange 
nommene Jesuitengesetz. Der Standard sieht _ in demselben 
einen Schlag, welcher ausschließlich gegen die Commissare 
der Curie gerichtet ist. Die deutschen Staatseinrich 
tungen, die große Macht, welche sie der Polizei ge 
währen, machen es natürlicher, summarische Schritte 
gegen die Llngriffe dieser Partei zu thun, als es in 
anderen Ländern sein würde, wo der Staat nicht in 
so unmittelbarer Weise von religiösen 2Ingelegenheisen dllotiz 
nimmt. Wenn sich aber die Ansicht Deutschlands. über die 
von Rom endgültig eingeschlagene Politik als richtig erweist, 
so ist die Zukirnst für alle Älationen beklemmend, unter ivel- 
chen die römische 2Nacht eine starke und ernste Organisation 
besitzt. Auch ivir in England dürfen wohl die Politik im 
Auge behalten, welche so scharfe Mittel nothwendig gemacht 
hat, und sorgen, daß nicht durch Fahrlässigkeit od.er schwache 
Parteiintriguen bei uns die 2Nacht der Jesuiten den Halt 
gewinnt, gegen den das strengere System Deutschlands in so 
energischer Weise vorgeht. 
Die gestern aus Genf eingetrofsenen Depeschen 
der verschiedensten Berichterstatter vermögen zivar nichts über 
den Inhalt der bisher stattgefundenen Berathungen mitzu 
theilen, stimmen jedoch allefammt in dem einen Gedanken 
überein, daß die eingetretene achttägige Vertagung als günsti 
ges Omen betrachtet iverden könne. Zudem sei es möglich, 
daß das Schiedsgericht seine Berathungen schon am Montage 
wieder aufnehme. Es hänge dies lediglich von den erwarteten 
Depeschen aus Washingtou ab. 
den Geist und die Kraft, die ihre Form schuf, so trieb es den 
Griechen, was erschuf, in seinem Sinne vollendet zu schaffen. 
Diese versteckten Gewandfalten formte die unermüdliche 
Hand des Künstlers, als seien die Tauben, die zwischen den 
Marmorgöttern davben vielleicht ihre Rester bauten, kritische 
Spione der großen Mutter 2iatur, der fie Kunde bringen 
könnten über jede Vernachlässigung. Und so: aus die, kaum 
entstanden, zum Zersplittern und Vegrabenwerden verur- 
theilten Todtenkrnge zeichnete der Kürtstler Figuren mit der 
selben Sorgfalt, als sei die Bestimmung der Gefäße gewesen, 
als kostbarer Hausrath Jahre lang vor dem Zerbrechen 
gehütet und an sichtbarer Stelle in Ehren gehalten zu 
werden. 
In biefem Geiste der Vollendung, aus dem sie erstanden, 
liegt der Werth der griechischen Kunstwerke für die Mensch 
heit. Unserer Zeit zumal, in der oberflächliche Production 
sich zu verbreiten beginnt, ist der Anblick dieser Arbeiten 
dienlich. 2ln den Kunstwerken unserer besten Meister, Dü 
rers vor allen Dingen, gewahren lvir eine gleiche religiöse 
Gewissenhaftigkeit. Wie die griechische Sprache, was den 
Bau der Sätze und die Wendmrg der Gedanken anlangt, 
der unseren näher steht als jede andere, so steht griechische 
Gesinnung in Bildung von Kunstwerken uns als reinstes 
Muster vor Augen. 
Es ist im Reichstage darauf angetragen worden, nach 
dem Muster der deutschen Institute auf dem Capitol zu 
Rom ein gleiches in Athen zu errichten. Möge sich das 
verwirklichen. Möge, wenn von diesen Dingen vor der 
Vertretung des deutschen Volkes die Rede ist, auch von de 
nen, denen dergleichen ferner liegt, empfunden werden, um 
welche Interessen es sich hier handelt. 
Lselch ein Staat war 2lthen! Welch ein Gefühl unver 
gänglicher Größe mochte seine streitbaxen Bürger erftluen, 
Aus Washington wird der „Times" vom 20. telegraphirt: 
„Es heißtz daß der-Staatssecretär Fish heute an den amerh" 
kanischen Vertreter in Genf telegraphische Instructionen ge 
sandt habe, der vorgeschlagenen Vertagung kein Hinderniß 
in den Weg zu legen. — Der Präsident hat zu einem vier- 
zehntägigen Ferienausfluge Washington verlassen." 
Ein englischer Unterthan, welcher kürzlich aus Canada gelockt 
und beim Betreten der amerikanischen Grenze verhaftet wurde, 
ist durch Vermittelung der englischen Behörden wieder frei 
gelassen worden. 
Berliner Nachrichten. 
Berlin, 22. Juni. 
Der Oberst und Commandeur der 1. Garde-Cavallerie- 
Brigade v. Krosigk hat sich mit Urlaub auf kurze Zeit nach 
Dessau begeben. 
Im ÄNonat April er. sind von der gesammten preußischen 
Armee und dem 13. (königl. Württembergischen) Armeecorps 
ca. 42,000 Mann und 135 Invaliden in Lazarethen und im 
Revier ärztlich behandelt worden. Es sind hiervon circa 
129,000 Mann und ca. 40 Invaliden gepeilt, 158 Mann 
incl. Invaliden gestorben, als invalide ca. 175 und als 
dienstuntauglick ca. 250 Mann entlassen und als Kranken 
bestand auf den Monat Mai er. ca. 12,400 Mann und 
93 Invaliden übernommen worden. Demnach sind circa 
69 pCt. der Kranken der immobilen Armee und 28 pCt. 
der erkrankten Invaliden geheilt, gestorben sind 0,4 pCt. der 
Kranken der immobilen Armee und 2,2 pCt. der erkrankten 
Invaliden. 
An Typhus, Lungenentzündung und Lungenschwindsucht 
sind die meisten Kranken gestorben, wogegen Brustfellentzün 
dung, Pyämie re. weniger Opfer gefordert haben. 
Von den Kranken der Oecupati'onsarmee in Frankreich sind 
in Feld-, Kriegs- und Kantonnements-Lazarethen in Behand 
lung gewesen: am 10. April er. 1379 Allann, am 20. April cr. 
1368 Mann und am 30. April er. 1341 Mann. 
W o l l m ä r k t e. 
Lübeck, 20. Juni. Zu dem am heutigen Tage eröffneten Welt 
märkte ivaren ca. 20,000 Stein au den Markt gebracht, nur um ein 
Geringes weniger als im vergangenen Jahre, und zwar weil ein 
paar den hiesigen Markt besuchende Producenten fehlten, welche schon 
vor der Schur zu einem damals ihnen annehmbaren Preise verkauft 
hatten. Die Qualität wie auch die Wäsche der vsserirten Wolle war 
durchgängig befriedigend, und daher das Geschäft lebhafter als ans 
irgend einem der vorausgegangenen diesjährigen Märkte. Besonders 
stark war die Nachfrage!nach feiner Waare und diese auch schon bis 
heute Mittag vollständig geräumt: es ivurden für Prima ll5—68 
Bk.-Sch. p. Ctr. bewilligt, ein Posten ganz hochfeiner Wolle erzielte 
sogar 75 Bk.-Sch. Außer den regelmäßig hier kaufenden Tuchfabrik 
kauten aus Neumünster und den Händlern auä Hamburg und aus 
Dänemark waren diesmal auch die seit mehreren Jahren nicht mehr 
erschienenen Käufer aus Schiveden hier, und deren Älnwesenheit na 
mentlich hob die Preise so, daß sie die vorjährigen durchschnittlich 
um 10—12 Bk:-Sch. überstiegen. 
Handel und Industrie. 
Berlin, 22. .Juni. Bericht für Hypothekeil und Grundbesitz von 
Emil Salomon. Die Umsätze in Hypotheken waren wie immer 
gegen Schluß des Quartals von keiner großen Bedeutung, es fehlte 
an Offerten zum Juli-Termin und blieben vielseitig Capitalien an 
geboten. — Der Züisfuh für feinste Gegeiwen und erste Stellen 
stellte sich auf ’ 4^4Z pCt. je nach der Größe der Beträge, für gute 
Alittelgegend 4£—5 pCt., für entfernte Gegenden 5 pCt. Zweite 
Hypotheken, sofern solche noch pupillarisch, lvurderl in guten Gegenden 
gern 5s—6 pCt. genommen. — Hypotheken auf Rittergüter zur ersten 
Stelle innerhalb der Pupillarischen Grenzen fehlen, die Course der 
Landschafts-Pfandbriefe sind so günstig, daßUmwandlmtgen erschwert 
werden. — Kreisobligationen beliebt und grit zu lassen, Posener 
5proc. 99£ Geld Schlesische 5proc. 100 Br. — In bebauten Grund 
stücken sowohl als in Baustellen und Parzellen war das Geschäft in 
verflossener Woche ohne Belang und macht sich in diesem Geschäft 
die stille Sommerzeit bemerkbar. 
Usancen. Der Erscheinungstag der mit 50 pCt. eingezahlten 
Aktien der Oesterreichisch-Jtalicnischen Bank ist auf den 23. Juni 
d. I. anbcramilt und sind die 8 Tage nach Erscheinen gchandsltcn 
Stücke am 1. Juli c. zu reguliren. Die Actien lauten über 500 FrS. 
(mit 50 ^Ct. Emzahlrmg), tragen 5 pCt. Zinsen vom 1. Juli ab, 
indem die bis dahin anfgelaufenen Stückzinsen bei Ausgabe der 
Titres mit L. 1.50 vergütet werden, und wird die Valuta zu 7ttj 
Pr. 300 Frs. umgerechnet. 
Von Georg Marieit Bergwerks- und Hüttenvereins-Aetien fifeft» 
Stamm-Actien und Stamm-Prioritäten lieferbar, da beide gleiche 
Rechte genießen. 
Oesterreichische Hypothckar-Rentenbank in Wien. Ein 
lösung der 5,f proe. Wiener Silber rmd Silber-Pfandbriefe vom 24. 
d. M. ab. (Siehe Inserat.) 
Berliner Gemeinnützige Bau-Gesellschaft. Einlösung des 
Dividendenscheins Nr. 9 bei M. Borchardtsim. hier. Näheres in der 
heutigen Frühnummer. 
Actien-Bau-Gesellschafk „Alexandra-Stiftung". Ein 
lösung des Dividendenscheins Nr. 5 bei M. Borchardt jun. hier. 
Näheres in der heutigen Frühnummer. 
wenn jie, von siegreicher Fahrt heimkehrend, vom Meere aus 
in der Ferne die goldene Lanzenspitze der Athene im Strahl 
der Sonne entzündet, plötzlich aufleuchten sahen, lvie ein 
Stern, auf den sie bei lichtem Tage zusteuerten. Noch ehe 
man Athen erblickte, soll dieser Glanz von der Akropolis 
aus sich auf zwei Stunden Weges hin gezeigt haben. Mit 
welchem Stolze die Erinnerung einer langen glorreichen 
Geschichte sie da erfüllte,- mit welcher Sicherheit sie ewige 
Zeiten weiteren Fortschrittes so vor Augen sahen! Und heute 
wurde uns der Bericht all dieser Größe wie eine bedenkliche 
unsichere Sage klingen, für deren tönende Worte nichts recht 
Greifbares den gültigen Beweis abgäbe, ständen die Werke 
der Künstler und Dichter und Gelehrten nicht wie eine nn- 
verrückliche Schutzwehr da, an der alle Zweifel über die 
wahrhaftige Größe dieses Volkes zu nichte werden. 
. Im Mai 1872. —m. 
Um Scepter rmd Kronen. 
Zeitroman von Gregor Samarotv. 
Unter diesem Titel erscheint in der Wochenschrift „Ueber 
Land und Meer" und lieferungsweise bei Hallberger in Stutt 
gart ein Zeitroman, der sich die Allfgabe gestellt hat, die in 
timen Vorgänge des Jahres 1866 in belletristischen Gedan 
ken dem großen Publikum vorzuführen. Der Herr Verfasser 
rühmt sich durchgreifender Kenntniß der damaligen geheimen 
Geschichte und bewährt dieselbe, wie wir bei einzelnen uns 
zufällig bekannten intimeren Vorgängen jener Zeit eontrol- 
liren konnten, in der That in nicht geringem Maße. Der 
Roman spielt wechselnd in Berlin, Wien, Paris sind Hannover und 
zeigt bezüglich der letzteren Residenz und seiner damaligen In 
sassen zugleich eine Detailkenntniß und eine Voreingenommenheit 
welche den ivahren Namen des Verfassers ziemlich durchsichf 
erscheinen lassen und die Loyalität mancher seiner Beha' 
Lungen sehr zweifelhaft machen,' Novellistisch ist das Buch sch'
	        
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