Full text: Zeitungsausschnitte über sonstige Veröffentlichungen

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49 
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Bild, als die glänzende Reihe der Toaste, die sich hier zu einem sel 
tenen Kranze verbanden. 
Der Vorsitzende, Rath Pauli brachte das erste Glas den hoch 
verehrten Gästen aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes! 
„Er ging davon aus, daß die Germanisten, indem sie im vorigen 
Jahre Frankfurt und in diesem Lübeck zum Orte der Versammlung er 
wählt, nicht sowohl die Gegenwart als die Vergangenheit beider Städte 
ins Auge gefaßt haben; und insofern habe diese Wahl eine riefe Bedeu 
tung. Denn da stelle Frankfurt die hochdeutsche, Lübeck die niederdeutsche 
Mundart dar; Frankfurt, enqverknüpfc mir der Macht, von welcher 
wir „des Reicks gemeine Reckte" überkommen, das Römische 
Reckt, Lübeck dagegen, die Mutter und Pflegerin des weitverbrei 
teten Statuts, welches jenem kräftig widerstanden, das Deutsche 
Recht, endlich aber und besonders Frankfurt, die Wahl- und Krö- 
nungsstadt der deutschen Könige und Kaiser, die Einheit des heili 
gen römischen Reicks deutscher Nazion, Lübeck dagegen als Haupt 
der Hansa, wo die Bundesgesandten tagten, die Flotten ausliefen, 
die den nordischen Reichen Trotz boten, das freie, kräftige werk- 
tdätige Leben der einzelnen Gliede des Reichskürpers." Indem Sie, 
meine Herren — fuhr der Redner sodann fort — den ersten 
Fuß nach Frankfurt und den zweiten nach Lübeck gesetzt haben, haben 
Sie sich bekannt zu dem Geiste deutscher Einigkeit bei aller Mannick- 
falrigkeit der Jungen, zu einem einigen deutschen Reckte, aber er 
wachsen aus der freien organischen Entwickelung und Fortbildung 
seiner verschiedenen Elemente und vorallem zu einer lebenskräfti 
gen Einheit des deutschen Vaterlandes, aber unbeschadet der selbstän 
digen möglichst freien Bewegung der einzelnen Bundesstaaten. Dank 
sei Ihnen, daß Sie bei der Wahl unserer Stadt nickt angesehen 
haben deren geringe Gegenwart, sondern deren große Vergangenheit. 
Sie ist nicht vergangen, sie zeigt ihre geistige Wirksamkeit, da wir 
es ihr danken, daß wir Männer unter uns begrüßen dürfen als 
werthe Gäste, die das Vaterland mit Stolz die seinen nennt. Reh 
men Sie das Wenige, was wir Ihnen bieten, freundlick auf. So 
viel ist gewiß, nicht minder als an der Furth des Mains, schlagen 
an der Mündung der Trave warme Herzen dem gemeinsamen Va- 
rerlande, und dem was Sie hierher geführt. Mit solchem Herzen 
bringe ich Ihnen, unseren hochverehrten Gästen, dieses Glas." 
Jakob Grimm: 
„Allen den erbebenden Erinnerungen auS der Geschickte des 
deutschen Reichs, die unS in Frankfurt wie in Lübeck dargeboten 
wurden, tritt hier noch ei» Ratureindruck zu. DaS Gebier dieser 
freien Stabt wird bespült vom Clement der heiligen Flntd, die auf 
uns unwiderstehliche Gewalt ausübt. Wir in der Mitte des Landes 
wohnenden Deutschen empfinden alle Heimweh nach dem Meer und 
harren sehnsüchtig auf seinen Anblick. Von der frühesten Zeit an 
scheinen wir Deutschen ein wanderlustiges Volk, das unermeßliche 
Strecken des festen Bodens zurückgelegt, aber auch allenthalben, wo es 
noch die Küste erreichen konnte, sich über das Meer ergossen bat und 
ferne Landzungen und Inseln erfüllt. Ist das nickt das reckte Zeichen 
eines murhigen, zur Herrschaft ausersehenen und gerüsteten Volks ? 
Rock heute, wenn der Deutsche seine Heimath überdrüssig geworden 
ist, greift er nach dem Wanderstab und steigt auf ein Sckiff. um 
sich in neuem Welttheil eine neue Stätte zu gründen. Das Ge 
stade der Ostsee aber, von alcershcr deutsches und uns nimmer enr- 
reißbares Eigenthum, an welchen einzelnen Ort könnte es stärker 
gemahnen, als an die Stabt, die mir alter Gastfreundschaft soeben 
in schönen, unvergeßlichen Tagen uns in ihre Mauern aufgenom 
men hat? Lübeck hat eine reiche Vergangenheit im Hintergrund, ob 
sein alter Ruhm neu aufblühen, ob seine Macht sick wieder erhöhen 
werde, liegt noch im Sckooß der Zukunft. Von drei Bedingungen 
insonderheit, scheint es mir, wird diese Erneuerung abhängen, davon 
erstens, daß ein allgemeiner Aufschwung des deutschen Handels, 
nicht bloß im Norden, sondern auch im Süden und in der Mitte 
des Vaterlands eintrete und eine neue noch stärkere Hansa hervor 
rufe, davon, daß dieser Hansa eine mächtige Flotte zugehöre, die es 
nickt länger duldet, daß von andern Völkern unser Neckt auf den 
Meeren beeinträchtigt werde; davon drittens, daß zwischen Deut 
schen und verbrüderten Skandinaven ein fester Bund erwachse, kraft 
dessen wir auf der Ostsee und Nordsee frei und stolz walten. Dem 
freien, deutschen und neugestärkten Lübeck bringe ich auf diese Zu 
kunft hin ein freudiges Hock!" 
Oberappellazionsrath Hach: 
AIS der älteste unter den anwesenden Lübeckern halte er sich 
für berufen, den lebhaften Dank für die Wünsche und Hoffnungen 
auszusprechen, die wir eben aus dem Munde des berühmten Mannes 
öernommen hätten, welcher den Vorsitz in der Germanisten-Ver 
sammlung habe, durch deren Verhandlungen unsere Vaterstadt in 
diesem Jahre so hock geehrt werde. Er danke für die mir so vieler 
Wärme ausgedrückten Wünsche, die wir als die unsrigen mit Freude 
vernommen harren, aber mehr noch für die Hoffnungen, worauf 
wir hingewiesen worden seien, weil wir darin das Vertrauen er 
blicken müßten, daß wir selbst zu jeder Leistung bereit seien, um sie 
zu verwirklichen. Wenn .er nun auch in diesem Jahre verhindert 
gewesen, daran persönlich auf eine, seiner Gesinnung entsprechende 
Weise thätigen Antheil zu nehmen, so könne er doch versickern und 
verbürgen, daß unsere jüngeren Männer dem Fortschritt zugewendet, 
und bereit seien, ihre ganze Kraft daran zu setzen, daß unser Lübeck 
einer schöneren Zukunft entgegengehe. Zu diesen Bestrebungen müß 
ten sie durch das ehrenvolle Vertrauen so hochgeachteter Männer 
noch mehr ermuntert werden, worin er einen neuen Grund finde, 
die Gesellschaft aufzufordern, ihre Gläser noch einmal auf das 
Wohl der Germanisten erklingen zu lassen. Sie leben Hock! 
Mitrermaier: 
„Mein Toast gilt dem vierblättrigen Kleeblatt, den vier freien 
Sckwesterstädren, ausgezeichnet durch gemeinschaftliche Vorzüge, jede 
wieder groß durch einen eigenthümlichen Karakter. Während Frank 
furt, die alte Kaiserstadt, Repräsentantin des Südens ist, vielfach 
Sitten des benachbarten Frankreichs annehmend, aber wieder durch 
deutsche Sitte sie veredelt, tragen die übrigen Städte den nordischen 
Karakter an sich, Kraft. Beharrlichkeit, Gemüthlichkeit bewahrend. 
Ich sehe Bremen in seinem Gewerbfleiße, durch seine Thätigkeit, da 
wo vor L0 Jahren eine Viehweide stand, einen Hafen hervorrufend, 
der mit fernem Welttheil Deutschland verbindet; ick sehe Hamburg, 
wie ein Phönix aus der Asche aufsteigend, eine der schönsten Städte 
Europas, einen fast üppigen Luxus aber mit deutschen Sitten etft- 
faltend. Ick sehe das freundliche Lübeck, groß durch die Erinnerung 
an die Vergangenheit, sie, die stolze Stadt, welche den Königen 
Trotz bot, weltbekannt durch seine Hansa, berühmt durck sein uraltes 
Recht,jetzt noch herrliche Stadt, in der es uns so unendlich wohl ward 
durch den Biedersinn und die Gastfreundlichkeit ihrer Bewohner, 
durch so viele ausgezeichnete Männer. Möchten diese freien Städte 
nicht bloß frei sein an Wort, sondern frei werden durch die That, 
durch freies Wort, freie Bewegung in aller Hinsicht. 
Diesen freien Städten, den Perlen und Quellen der Kraft 
Deutschlands, rufe ich Heil." 
Schöff Aouckay: 
„Viele von Ihnen, meine Herren, haben in dem Kaisersaale zu 
Frankfurt daS Bildniß von Kaiser Friedrich dem Rothbart gesehen, 
welches die freien Städte Lübeck und Hamburg gestiftet haben. Cs 
geschah diese Stiftung nicht allein in Erinnerung der Große des 
Kaisers und Seiner Nachkommen, der Hohenstaufen, sondern auch 
in dankbarem Andenken an die besonderen Wohlthaten, welche Lübeck 
und Hamburg von diesem herrlichen Fürstenhause durch die Sckutz- 
briefe für die Freiheit ihres Verkehrs und gegen willkürliche Zoll- 
bedrückungen empfangen haben. Grade die in jenen Schutzbriefen 
und in Verträgen wohlerworbenen Rechte sind in der neueren Zeit, 
wie Ihnen, meine Herren, bekannt ist, gefährdet und der Berufung 
auf dieselbe ist durch die Hinweisung auf die vollendete Landesho 
heit der Deutschen Bundesfürsten, auf die unter den Flügeln des 
französischen Adlers zum Abschluß gekommene Souveränetäk der 
deutschen Bundesstaaten, begegnet worden. Wodurch so vielen, einst 
blühenden Städten in Franken, in Schwaben und am Rbein, die 
voll Reichthum und Leben die Zierde des Vaterlandes waren, ihre 
Freiheit und Selbstständigkeit entrissen worden ist, in der Auflösung 
des deutschen Reicks und der Unabhängigkeit Seiner einzelnen Theile 
hat man den Recktsgrund finden wollen, weßhalb für Lübeck und 
Hamburg Kaiserliche Schutzbriefe und Verträge erloschen seien. — 
Die Vergangenheit kehrt niemals wieder; aber Leben erstirbt nickt, 
sondern schafft sich neue Formen, wenn die alte zerschlagen ist. wie 
das Lied geht: 
Wir hatten gebaut — ein herrliches Haus — 
Das Haus ist zerfalle» — was hass Venn für Reih? 
Der Geist lebt in Uns Allen — und unsre Burg ist Gott. 
So dürfen wir^verkrauen, daß auch die geistige Verbindung, welche 
alle deutschen Stämme durchdringl, die Staatsform wieder finden, 
bilden und kräftigen werde, wodurch das Vaterland seine ehemalige 
Größe zurück erlangen und allen seinen Bürgern Recht und Sckutz 
gewähren könne. — Die Sage geht und Ubland, der Unsere Ver 
sammlung im vorigen Jahre durch Berufung Unseres würdigen 
Präsidenten auf Seinen Stuhl eingeleitet hat, ist der Sänger dieser 
Sage geworden, die Sage geht, daß Kaiser Friedrich der Rothbart 
nickt gestorben sei, daß er m einer Felsengrotte schlummere und die 
Morgenröthe eines neuen Tags erwarte. Wann wird er kommen 
der Tag Seiner erwachenden Kraft, der Tag, wo Deutschland durch 
einige Leitung mächtig und groß sein wird? — Meine Herren! 
dieser Unser Verein ist ein Strahl, vielleicht ein Vorbote seines 
Li«tes. Wenn Er erscheinen wird, alsdann werden wir in Frank 
furt wohl keine Kaiserkrönung erblicken und Friedrich wird keinen 
Nackfolger vor seinem Bildniß sehen; aber die Organe, welche den 
deutschen Staatenbund beleben, werden alsdann vielleicht dort in 
neuer Kraft und Wirkung erscheinen; alsdann wird kein Beschluß 
über eine deutsche Flagge gefaßt werden; aber die deutsche Flotte 
wird da sein und Lübeck mit seinen Schiffen voraus. — Wie es 
mir in dem vorigen Jahre vergönnt war, so ersuche ich Sie, meine 
Herren, auch heute dem Manne ein Hoch zu bringen, der Uns in 
Unseren gemeinsamen Bestrebungen schon so lange durch Wort und 
That vorangeleuckret, der Unsern Verein, der Erste, mitgestiftet 
hak, der Uns das schöne Lied vom deutschen Vaterland gegeben hat. 
Ernst Moriz Arndt lebe hoch!" 
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Mitrermaier: 
„Mein Toast gilt den Frauen, den Sckutzgeistern der Männer, 
den kräftigsten Förderinnen der Freiheit. Ein Phalanx der Gegner 
der Freiheit steht uns entgegen, wir Männer brechen ihn nickt allein, 
der Mackt und dem Zauber der Frauen widersteht er nickt. Wenn 
die Mutter früh im Knaben den Sinn für festen Karakter, für Frei 
heit weckt, wenn kein deutsches Mädchen den feigen Jüngling oder den 
Feind der Freiheit küßt, keine Jungfrau dem Schwächling die Hand 
reicht, wenn jede Gattin von dem Manne sich wendet, der im Kampfe für 
alles Große und Edle erlahmt, und gleichgültig ist für die Sacke 
des Vaterlandes, dann steht es bald besser mit der Freiheit. Heil 
allen Müttern, die die Kinder schon für Großes begeistern, Heil 
den Jungfrauen, die dem Würdigen die Hand reichen, Heil den 
edlen Frauen, die, wenn der Gatte unterliegt dem gereckten Kampfe, 
»ickt verzagen, nicht brummendjwie einst Frau Hiöb den Mann nie 
derdrücken, sondern erheben, anspornen, trösten und treu in Noth lie 
bend zur Seite stehen ! Ja in de» edlen Frauen, die beute unsern Kreis 
verschönern, erblicke ick die Repräsentantinnen würdiger Frauen, die 
als Ideale mir vorleuckten, Ihnen bringe ich ein Hock!" 
Archivar Lisch von Sckwerin: 
„Meine Herren! Ick wollte in Frankfurt einige Worte zu 
Ihnen reden, aber es war, wie Sie wissen, schwer zu Worte zu 
kommen. Ais Gutzkow nun begeistert das Lob Lübecks gepriesen 
hatte, grade um diese Stunde hielt ick es für gerathen, zu schweigen. 
Ich ging M'naus, um mich mit ^gleichgesinnten Freunden des er 
habenen Sternenhimmels zu erfreuen, den Gott über Deutschland 
funkeln ließ. Jetzt aber kann ick es nicht über mich gewinnen, Sie 
an das zur Erhebung zu erinnern, um dessentwillen wir uns eigent 
lich jetzt zum zweiten Male versammelt haben. Meine Herren und 
hochverehrte Frauen — denn jeder weiß ja, wie stark die Grund 
lage des Hausregiments für die Wissenschaft ist, - ich lasse die 
freie Forschung in deutscher Wissenschaft hoch leben, 
das Palladium deutscher Freiheit, unter dessen Weben Deutschlands 
Söhne immer groß geworben sind, welches sie in den Tagen des Glücks 
vor Ueberbebung bewahrt, in den Zeiten der Noth zum Sieze geführt 
hat. Die freie Forschung in deutscher Wissenschaft 
lebe hock!" 
Staats rath Jaup: 
„Die Aeste eines Stammes können nickt vollkommen wohl sich 
befinden, wenn nicht der große Baum, zu dem sie gehören, grünt 
und blüht. Die vier freien Städte, diese köstliche Perlenschnur im 
deutschen Staatenbund, können nickt vollständiger Entwickelung ent- 
gegenreifen, wo nickt das große Gesammtvaterland gedeiht. Unser 
Deutschland war stets groß genug um mächtig zu sein; oft fehlte 
ihm aber die Eintracht. In diesem Augenblick, in welchem aus den 
verschiedensten deutschen Gauen Männer dahier zu gemeinsamen 
Zwecken versammelt sind, drängt es doppelt, die Zuversicht auszu- 
sprecken, daß künftig immermehr Eintracht zwischen den sämmtlichen 
Theilen unseres geliebten Vaterlandes herrsche. In dieser Zuversicht 
bringe ich dem durch Eintracht mächtigen, in geistiger Freiheit ver 
bundenen, und vom Zensurdruck und Preßzwang freien Deutschland 
ein Lebehoch! 
Und nun folgte jener, zumal dem schöneren Elemente denkwürdige 
Toast des hochverehrten Kanzlers v.Wäckter, der, den Germanisten 
zu definiren, einen so humoristischen Ausgangspunkt, einen so erhe 
benden Sckluß wählte, und in allen seinen Theilen so beziebungsreich 
und geistvoll war. Beginnend mit dem Geborenwerben, als dem er 
sten Requisit eines Germanisten, dann erläuternd, wie dem jungen 
Germanisten durch das Imposante der mütterlichen Gewalt schon in 
der Wiege die Achtung vor der germanischen Frau sich einpräge, und 
den aufwachsenden Germanisten durch alle Stadien der Studienjahre 
begleitend, nach deren Beendigung in ihm die Frage entsteht: wie be 
förderst dn das Beste des Staates, und wie dein eignes? gelangte der 
Sprecher zu der jüngsten Germanistenversammlunq in Ber 
lin, die Ehrerbietung, aber auck Freimut!) gegen ihren Könia gezeigt 
habe. (Toast der Festkommittee.) 
v. Vincke auS Schlesien: 
„M. H. Wir sind hier Germanisten, wir sind vorallem Deutsche; 
dennoch erlauben Sie mir als Preuße zu Ihnen zu reden. Es wird mir 
dieses erleichtert durck die Sympathien, welche der geehrte Redner 
vor mir, (Kanzler v.Wäckter) für unsern preußischen Landtag aus 
gesprochen hat, wenn es auch auf der andern Seite schwer ist, nach 
feinem geistreichen Vortrage das Work zu nehmen. M. H. Es ist 
in Deutschland immer so gewesen, daß wenn die Interessen einzelner 
Glieder oder die Gesammtheit des Volks, bei der höchsten Autori 
tät des Reichs keinen Schutz, keine Vertretung wehr fanden, ein 
zelne Glieder sich selbst cmporrafften, und allein, oder gemeinschaft 
lich mit andern verbunden, ihre Reckte und Interessen zu wahren 
suchten. Wir haben vorgestern in einem beredten Vortrage ge 
hört, wie die Hansa, und Lübeck an ihrer Spitze, den Sckutz des 
deutschen Handels übernahm, als das deutsche Reick ihn zu schützen 
zu schwach war. Eine ähnliche Stelle im größeren Styl, und auf 
ausgedehnterem Felde hat Preußen seit zwei Jahrhunderten, hat es 
besonders in der neuern Zeit übernommen, und, daß es sie nickt 
ohne Erfolg durchgeführt, beweist seine Geschickte, sein jetziger Zu- 
I stand. Dieß ist es, was uns Preußen ein Gefühl gibt, daß wir 
uns als Preußen, aber auch als Deutsche fühlen. - Aber Preußens 
I Macht und Blüthe soll nicht ihm allein, sie soll Deutschland nützen, 
I was Preußen auf dem Wege des Fortschritts erreicht, soll auch aus 
Deutschland zurückwirken, und was Deutschland erringt, soll auch 
Preußen fördern. Jede hier oder dort errungene Frucht der Wis 
senschaft, der Kunst, des wahren politischen Fortschritts werde beiden 
gemein. Deutsche Wissenschaft und äckt germanischen Sinn zu för 
dern ist der Zweck der Germanisten-Versammlung; in diesem Zwecke 
liegt es, daß Sie auch Deutschlands Svmpathien für Preußen för 
dern, daß solche Sympathien Preußen ans dem glücklich betretenen 
Wege zeitgemäßer politischer Entwicklung unterstützen. Aus dieses 
Wunsches Erfüllung lassen Sie uns dieses Glas leeren. Mögen 
Deutschland und Preußen durch immer innigere geistige Einheit, zu 
immer größerer Blüthe und Macht emporsteigen. 
Auf einen Toast, den Prof. Fallati Schleswig-Holstein widmete, 
antwortete Pros. Waitz mit einem Dank an die Germanisten, die schon 
auf ihrer ersten Versammlung Schleswig-Holsteins Sache als die 
Sacke des Vaterlands behandelten. 
Dr. Asher brachte das Wohl des Kanzlers v. Wächter aus, 
hervorhebend, wie viel Dank die Lernenden den Lehrenden schuldeten. 
Oberappellazionsrath Pauli: 
„Dem Manne, um den deutsche Sprache, deutsche Geschickte 
und deutsche Rechtswissenschaft sich streiten, welcke von ihnen ihm 
am meisten danke, dem Manne, der die deutsche Grammatik zuerst 
wissenschaftlich begründet, der deutschen Geschickte ihren tiefen mythi 
schen Hintergrund gegeben, die Poesie in das deutsche Reckt einge 
führt und dieses in seinen tiefsten Liefen erhellt hat, dem Präsiden 
ten der ersten und der zweiten Germanisten-Versammlung, Jakob 
Grimm, bringe ick dieses Glas!" 
Jakob Grimm erhob sick zur Erwiederung, aber das Gefühl über 
mannte ihn. „Ick liebe mein Vaterland/ mein Vaterland ist mir 
immer über alles gegangen" ... Thränen erstickten seine Stimme, 
er sank seinem Freunde Dahlmann in die Arme — es war der 
ergreifendste Augenblick dieses Tages. 
Der nächste Trinkspruch war Schubert'S aus Königsberg: 
„M. D. u. H. Rack so schönen und erhebenden Worten, als 
wir an diesem Orte hochherziger Gastfreundschaft gehört haben, bin 
ick nur noch als der hier aus der entferntesten östlichen Landschaft 
deutscher Zunge Anwesende berechtigt, einige Worte zu sprechen. 
Mit dem dankbarsten Gefühle erneuere ick die von mir in Frank 
furt ausgesprochenen herzlichen Wünsche für das fortdauernde Ge 
deihen der hohen Hansestadt Lübeck, mir dem dankbarsten Gefühle, 
denn ick gehöre dem Lande an, für dessen Germanisirunq Lübeck im 
dreizehnten Jahrhunderte so schöne und erfolgreiche Hülfe gewährt 
hat. Und ich weiß, daß mein Vaterland in diesem trefflichen Kreise 
Sympathien findet, ick weiß, daß meine Vaterstadt - Königsberg — 
auck Ihnen werth ist. Aber das gemeinsame deutsche Vaterland 
ist von großer, sehr großer Ausdehnung, denn es reicht so weit, 
als die deutsche Zunge gehört wird. Und so erlaube ich mir, Ihre 
Aufmerksamkeit auf die Hunderttausende von Deutschen zu richten, 
die jenseits der. östlichen Preußischen Gränze in den Ostsecländern 
wohnen, die wie Preußen vorzugsweise einer anderen trefflichen 
Hanseatischen Stadt (Bremen) ihre Verbindung mit Deutschland, 
ihre Sprache, ihre Sitten, deutschen Sinn und Karakter verdanken, 
und die gegenwärtig in ihren heiligsten Reckten, in Sprache, Sit 
ten und kirchlicher Freiheit sich oft sehr bedrängt fühlen. M. D. 
u. H. ihr Mitgefühl für diese deutschen Brüder, die keinen zu 
uns gesandt haben, gewährt ihnen Trost und Erhebung, es gewährt 
ihnen aber auck einen gewicktvollen Beistand, denn es belebt auss 
neue das unzerreißbare große heilige Band des gesammten Deutsch 
lands in seine Vertreter aus allen Gauen mit ihrer entferntesten 
Ansiedelung im Osten. Ich bringe einen Toast auf die deutschen 
Landschaften, für die einst die Hansa ihren blutigen Kampf bestan 
den hat, auf die Bewohner von Riga, Reval und Dorpat, auf die 
Deutschen in Liefland, Esthland und Kurland. Sie leben als Deutsche 
für immer hock!" 
Oberappellazionsrath Blume: 
„Was ein Germanist ist - so wie heute hats uns noch keiner 
gesagt. Was ein Germanist empfindet — so wie heute hats uns 
noch keiner gezeigt. Wie viele Germanisten es gibt — so wie hier 
in diesem Saale haben wir es noch nicht gesehen. Aber es hat 
auch früher schon Germanisten gegeben, und das wollen wir heut 
nicht vergessen. Vor zehn Jahren hat es ihrer sieben gegeben, die 
nicht bloß beisammen saßen, die auck beisammen standen; und hät 
ten sie nicht so gestanden, wer weiß ob unsrer heut so viele hier 
fröhlich beisammen wären. Seitdem sind die sieben verstreuet, ein 
Wohnort wird sie nicht wieder vereinen, aber unser germanistisches 
Lübeck zählt jetzt ihrer fünf, unser Saal hier zählt ihrer vier, den 
Einen bat leider sein Unwohlsein ans Haus gefesselt. Die wollen 
wir laut hier begrüßen: es leben die anwesenden vier, es lebe mit 
ihnen und es genese unser Wilhelm Grimm, hoch!" 
Dahlmann: 
„Wenn ich als ein Siebtel danken darf, so bitte ich um wenige
	        
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