© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49
336
von der Nützlichkeit und Angemessenheit, eine Bürgergarde
zu schaffen, überzeugt, die beitrage, die öffentliche Ruhe und
Sicherheit zu erhalten; auf einstimmige Zustimmung des Staats-
rathes, und nach Anhörung unsers Rathes befehlen wir, wie
folgt: 1) Es wird im Großherzogthum die Dürgergarde ein
gesetzt, die als Staats-Znstitut betrachtet werden soll. 2) Wir
behalten uns vor, das Grundgesetz besagter Instituzion zu ge
nehmigen, nach den Vorschlagen des Staarsraths, der bereits zu-
sammenberufen und beauftragt ist, nach den Vorschriften der Lan
desgesetze darüber zu berathen. Toskancr! die Bürgergarde
ist eine erhaltende Instituzion, eine Znstituzion der Bürgschaft
für die gesellschaftliche Ordnung, der öffentlichen und Privat-Sicher-
heik. Nehmt diese Einrichtung als ein neues Unterpfand des
unbegränzten Vertrauens, welches Euer Fürst und Vater zu euch
hegt, auf. Erwartet mit Ruhe und Zuversicht die nöthige Ent
wickelung dieser, bereits genehmigten Znstituzion. Treu dem
Herrscher, gehorsam dem Gesetze und den Behörden, seid immer,
wie ihr immer wäret. Verliert nie aus den Augen, daß Eure
eigenen Interessen mit der Ordnung und der Beobachtung der
Gesetze im Zusammenhange stehen, daß die Agitazionen, um den
Fortschritt zu befördern, stets Veranlassung zur Unordnung sind,
und leicht dazu führen können, Industrie und Handel zu gefähr
den, die besonderen und allgemeinen Interessen zu stören, und
in allen Klassen der Gesellschaft durch Mißtrauen und Furcht
Nachtheil zu bringen. Leopold." — Unbeschreiblich war die Wir
kung dieser Bekanntmachung; auf den Straßen umarmte sich
Alles, ohne sich zu kennen; der eine weinte, der andere lachte
vor Freude. Das war um 6 Uhr, und sogleich wurde beschlossen,
am andern Tage, Sonntag den 5., dem Großherzoge zu danken.
Zu dem Zwecke wurde die ganze Nacht gearbeitet, um Fahnen
und Kokarden zu fertigen. Die von 300 Studenten abgeholte
Fahne war roth und weiß (toskaner Farben), 7 Ellen lang und
6 breit, mit der Inschrift Viva Leopoldo II. 4. Settembre
1847, der Stock weiß und Gelb (des Papstes Farben) und mir
einem Lorbcerkranz und rothen Quasten verziert. Alle Männer
der Stadt nahmen an dem Zuge Theil, reiche, arme, junge und
alte: die Frauen standen auf dem Platze Pirri oder in den um
gebenden Hausern, um aus den Fenstern mitzuwirken. Alle mit
der Kokarde geziert, roth und weiß und viele auch weiß und
gelb, die Männer auf dem Hut, die Frauen an der linken
Schulter. Die Frauen fast alle weiß oder gelb gekleidet, mit
roth und weiß garnirten Hüten. Der Zug bestand gewiß minde
stens aus 20,000 Menschen, in lauter Bataillone abgetheilt, die
in militärischer Ordnung marschirtcn, Arm in Arm, der Adlige
mit dem Bauer, der Gelehrte mit dem Unwissenden; 5 Musik
chöre in verschiedenen Abtheilungen des Zuges vertheilt, gaben
den Takt an. Alle hatten die Schnupftücher an Stöcke gebun
den, um sie als kleine Fahnen zu gebrauchen: außerdem waren
50 große Fahnen vertheilt, der obigen ähnlich. Die römischen
Unterthanen bildeten eine eigene Abtheilung, mit einer weißen
und gelben Fahne davor, die Juden eine andere mit viva Pio IX.
in derselben; dann eine weiße Fahne mir viva Gioberti! eine
andere mir viva ia lega dei Prineipi Italiani! eine andere
viva la nazionalitä Italiana! noch eine viva la fratellaiiza!
eine fernere viva la guardia civica! ferner: II popolo rico-
noscerite al suo sovrano! — viva Italia! — viva Pio IX !
Die Griechen haben den Florentinern eine sehr schmucke Fahne
geschenkt, auf der einen Seite die toskanischen, auf der andern
die griechischen Farben, und darauf zwei in einander geschlungene
Hände, mir der Umschrift: la gioventu greca, alla nazione
italiana! Alle diese Menschen, auf dem Platze Pitti versam
melt, fingen nun an zu rufen: viva Leopoldo II., viva Ja guardia
civica! Alle Zuschauer wehten mit den Tüchern, klaschren in
die Hände, warfen Blumen rc. Nach einigen Augenblicken wur
den die Thüren des Balkons am Palast geöffnet: der rothe,
gvldgesäumte sammtene Teppich auf das Geländer gelegt, und der
Großherzog mit seinen beiden ältesten Söhnen trat heraus, um zu
danken; er weinte vor Rührung. Nachdem er eine Zeitlang mit
dem Schnupftuche, unter dem Beifallsgeschrei der Menge, ge
grüßt hatte, ging er wieder hinein, erschien aber gleich wieder
mit dem Mantel des St. Stephans-Ordens, der eine roth und
weiße Schleppe hat, und legte diese heraus, um damit zu grü
ßen, und die Kinder wehten damit dem Volke zu; danach nahm
der Großherzog den goldenen Saum der rothen Decke und legte
ihn neben die roth'und weiße Schleppe, um so die Farben des
Papstes mit den seinigen zu vereinen. Man kann denken, wie
dieß verstanden und aufgenommen wurde, und damit nichts un
verständlich bliebe, zog er ein gelbes, seidenes Schnupftuch aus
der Tasche und wehte damit dem Volke zu. Zuletzt mußten ihn
zwei Personen wegführen, weil er sich ohnmächtig fühlte. Dieß
Schauspiel, von den lebhaften Italienern aufgeführt, ist nicht zu
beschreiben.
Von da ging der Zug unter fortwährendem Viva-Geschrei
nach dem Domplatz, fortwährend erscholl es: viva» Je donne
Italiane! evvivan le donne eite portano Ja cocarda! —
Dorr sammelte sich Alles, um Mittagsbrod zu essen. In den
Privathäufern ging cs nun lebendig zu. Ohne sich zu kennen,
nannte sich 'Alles sorella, fratello, verlangte jeder, was er zum
Schmuck bedurfte: Kokarden, Stecknadeln, Lorbeer-Reiser :c.,
bis um 5 Uhr, wo die einzelnen Züge wieder zusammentraten,
um sich im Dom zu vereinigen, in welchem ein Tedeum gesungen
wurde. 'Alle Fahnen wurden in der Mitte der Kirche um den
Erzbijchof zusammengestellt. Der Vers salvwn fac populum
tuurn, Domiiie, ward knieend abgesungen, und nach dem Ende
aus den Fahnen ein Bogen gebildet, unter dem der Erzbischof
bis zu seinem Palast geleitet wurde, wo er, vom Fenster aus,
den Segen auf das versammelte Volk sprach. Nun ging der
Zug in verschiedenen Abtheilungen durch die Stadt, zu den Mi
nistern und nach der Festung unter ewiva la linea, evviva i
ministero! — Alles ging in musterhafter Ordnung zu, ohne
Soldaten, ohne Polizei! bei so aufgeregtem Pöbel und allen
Dauern der Umgegend in der Stadt; und doch ist nicht ein
Schnupftuch entwendet worden, obgleich alle Thüren offen stan
den! — Am Abend war die ganze Stadt illuminirt. und, merk
würdig genug, die schönste Illuminazion war im Judenviertel.
Den 7. wiederholt sich dasselbe Fest, denn der Hof komme zur
Kirche der Sta. Annunciata, zum Fest der Geburt der heil. Jungfrau ;
man wird dem Großherzoge die Pferde ausspannen und ihn nach
Hause ziehen. Sontaqs kommen die Livorneser und Pisaner,
"in zu gratuliern und Fahnen zu bringen, und das Fest wieder
holt sich vonneuem."
Prozeß Praslin.
^aris, 23. Sepr. Dem. de Luzy-Despvrtes befindet sich
nicht mehr in geheimer Haft, seit einigen Tagen darf sie Besuche
empfangen. Sie hat ein rechtfertigendes Memoire an den Kanzler
Pasquier gerichtet und wird wohl binnenkurzem in Freiheit
gesetzt werden. Wie es heißt, wird Dem. de Luzy ihren Brief,
Wechsel mit dem Herzoge von Praslin veröffentlichen, um sich
vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen. Zwei sehr acht
bare und reiche Männer haben ihr ihre Hand anbieten lassen.
Es hieß vorkurzem, daß der Marschall Cebastiani den Be
fehl gegeben habe, die Zimmer, wo seine Tochter ermordet worden
ist, zu vermauern. Der Marschall scheint kein so schlechter Fi
nanzmann zu sein; denn allen Gesetzen der Schicklichkeit Hohn
sprechend, hak er bereits die Zimmer, welche seine unglückliche
Tochter bewohnte, an einen Herrn Mosselmann vermiethct.
Das Mobiliar der Zimmer ist versteigert worden.
Lübeck, den 30. September.
Die Versammlung der Germanisten.
„So lange die alte Hansestadt steht, hat sie eine solche, eine die
ser ähnliche Versammlung noch nicht in ihren Mauern gesehen. Ist
das Interesse für dieselbe natürlich auch in dem wissenschaftlich gebil
deten Theile unserer Bevölkerung vorzugsweise lebendig, so durch
dringt doch die Ahnung, daß es ein höchst bedeutender Moment für
337
das gesammte geistige Leben unsers Volkes ist, der sich hier unter
unsern Augen vorbereitet, auch das ganze übrige Publikum. Und
gewiß wenden sich aus ganz Deutschland in diesen Tagen die Blicke
der Freunde des Vaterlandes mir der wärmsten Theilnahme hieher.
Umfaßt doch die Versammlung der Germanisten gerade solche Män
ner, welche vor Andern durch die überwiegende freie Thätigkeit ihres
Lebens dem deutschen Volke die Bürgschaft gegeben haben, daß ihr
ganzes Herz ihm angehört; haben doch diese Männer im vorigen
Jahr zu Frankfurt den Beweis geliefert, daß ihnen die unermüdlich
liebevolle Erforschung der Vergangenheit unseres Volkes nach den
höchsten und wesentlichsten Aeußerungen seines Lebens hin nicht ge
nügt, sondern daß sie auch eine weite offene Empfänglichkeit haben
für alle Pulsschläge der Gegenwart, und daß ihnen die innige Ver
senkung in die Vergangenheit gerade als schönste Frucht die Weis
heit eingetragen, welche den gedeihlichen Weg der unaufhaltsam wei-
.terstrebenden künftigen Entwickelung des deucscbcn Volkes klar erkennt.
Wie groß daher auch das praktische Interesse sei, das andere Ver
sammlungen, deren wir jetzt überall in Deutschland so viele entstehen
sehen, für sich in Anspruch nehmen; — das Gemüth des Volkes
gehört der Versammlung der Germanisten au. In der That können
wir auch den Segen, den wir uns von der Wirksamkeit gerade dieser
Versammlung versprechen dürfen, nicht hoch genug anschlagen. Es
ist einmal das Schicksal, das tief beklagenswerthe Schicksal des deut
schen Volkes gewesen, daß es jedes genügende Organ für eine rasche
und kräftige Gestaltung seiner öffentlichen Zustände, seiner Rechts
und Staatsvcrhältnisse, in vvlksthümlich-einheitlichem Sinn verloren
hat; die Hoffnung, daß sich bei aller politischen Gecheiltheit de§ Lan
des doch eine volksrhumliche Einheit in den Zuständen immer mehr
herausbilde und nicht Alles sich in die regelloseste Verschiedenheit
versplittere, kann allein darauf beruhen, daß das Bewußtsein über
das was uns noththue sich zu dem höchsten Grad von Klarheit durch
bilde, zu einer Klarheit, die sich die allgemeine Zustimmung und da
mit auch praktische Bedeutung erzwinge. Dazrffbedarf es aber eines
Organs, ln welchem die Einheit des Bewußtseins sich in seiner höch
sten Potenz durchbilde und den ihr entsprechenden Ausdruck gewinne,
* und ein solches erblicken und hoffen wir in der Versammlung der
Germanisten." Diese,'den Mittheilungen der Weser-Zeitung ent
nommenen, Worte möge uns gestattet sein, der Berichterstattung
selbst vorauszuschicken.
Zu der festgesetzten Stunde, Montag früh 9 Uhr, eröffnete in
der refvrmirten Kirche") Jakob Grimm, als vorjähriger Präsident
die Versammlung mit folgender Anrede:
„MeineHerren, ich habe die Freude, Sie willkommen zu heißen.
Was zu Frankfurt beschlossen war, ist heute in Erfüllung gegangen.
Wir finden uns zusammen in einer andern, nicht minder an erhe
benden Erinnerungen reichen alten freien Stadt, wo wir mir der
Zustimmung eines hohen Senats auf das freundschaftlichste auf
genommen worden sind, wo es an keiner Art von Anstalten fehlt,
deren wir bedürfen. Dieses Alles muß uns schon imvoraus mit
lebhaftem Dank erfüllen. Wenn eS gestattet ist. Neues mit Altem
und Kleines mit Großem zusammenzuhalten, so gemahnen die wis
senschaftlichen, von einem Orte Deutschlands an den andern ver
legten Vereine an die alten Hofrage der deutschen Könige. Der
Wechsel des Orts ist gewiß eine Gunst; cs wird dadurch möglichst
der Zutritt zu den Versammlungen erleichtert, es wird dadurch
alles eng Provinzielle entfernt, es können alle Deutsche nach und
nach an diesen Versammlungen Theil nehmen, auch wenn sie ver
hindert sein sollten, zu reisen. Es ist aber auch noch etwas An
deres, was ich hier hervorheben möchte. An jenen Hoftagen wur
den ursprünglich bloß ungebotene freiwillige Gaben dargereicht.
Möge auch bei uns das Bestreben vorwalten, ungezwungen und
frei zu reden. Es ist mir verschiedentlich die Frage vorgelegt wor
den, was denn bei unserem Vereine die Hauptsache sei, ob die öf
fentliche Gemeinsitzung oder ob die Arbeiten jn den Sekzionen. Ich
habe da nicht gezaudert, zu bekennen, daß mir beiweicem die ge
meinschaftlichen Sitzungen und was ihnen vorangeht, was ihnen
nachfolgt, was mit ihnen zusammenhängt, das Wesentlichste zu sein
scheint. Ich glaube sogar weissage» zu dürfen, daß wenn unsere
Erfahrungen reicher werden, wir vielleicht die Arbeit der Sekzio-
nen ganz von uns abstreifen können, so daß sich Alles in desto
freierer Weise zu regen vermag. Aber das mir aufgetragene Amt
beginnt zu erlöschen. Das jetzt mir obliegende Geschäft ist, die
Wahl meines Nachfolgers einzuleiten."
Bei der Abstimmung erhielt Jakob Grimm — von 148 —
92 Stimmen. Derselbe nahm hiernach als wiedcrerwählter Präsident
den Vorsitz ein. Zn Sekretären wurden von ihm ernannt Dr. v.
*) Für die allgemeinen Versammlungen der Germanisten waren in der refor.
mieten Kirche die erforderlichen Einrichiungcn getroffen. Die Kanzel, wie
ähnlich die Orgel, war durch eine mir dem Silberfischen Wappen «. verzierte
Pyramide verhängt; auf der Erhöhung davor befand sich die Rednerbuhnc,
vor dieser dce Präsidenten»^'l, zur Rechten der Tisch der Sekretäre, zur
Linken der Tisch der Stenographen. Die Sitze im untern Theil der Kirche
waren für die Milglieder der Berfammlung, aller übrige Raum für die Zu
hörer bestimmt.
Duhn und Kollaborator Mantels von Lübeck, zu Gehülfen im Prä
sidium Stentzel, Pauli, Mittermaier, Dahlmann und
S o uchap. Als auf diese Weise der Vorstand konftittiirt war, betrat
zuerst Prof. Wurm die Rednerbühne, und hielt seinen vorangekün-
digten Vorrrag über das nazionale Element in der Geschichte der
deutschen Hansa. Nach Beendigung desselben verlas Archivar Dr.
Lappenberg von Hamburg den (einen großen Theil der Sitzung
binwegnehmenden) Bericht der Kommission, welche in Betreff der
Erhaltung deutscher Nazionalitär und Sprache außerhalb der deut
schen Staaten, von der vorjährigen Versammlung in Frankfurt er
nannt war. Dem Berichterstatter folgte auf der Rednerbühne Dahl
mann, der selbst Mitglied der erwähnten Kommission gewesen, um
sich gegen die Vorschläge des Berichts, wie er schon in der Kom
mission selbst gethan, zu erklären. Mit ihm einverstanden erklärten
sich Hofgerichlsdirekror Christ und Bürgermeister Smidt. Die
Sitzung schloß mit einer Diskussion über vorgängigen Druck der
Kommissionsberichce und ausgedehntere, resp. beschleunigte Veröffent
lichung der Verhandlungen, bei der sich v. Wächter, Dahlmann,
Wurm, Beseler, Waitz, Jaup, Mittermaier, Asher,
Lisch, Micbelsen und I. Grimm betheiligten.
Schon am Sonntag hatte im Saale der Gesellschaft zur Beförde
rung gemeinnütziger Thätigkeit eine Versammlung in Bezug auf die
Angelegenheiten der historischen Vereine stattgefunden. Am Montag
Nachmittags 3 Uhr versammelten sich nun in der vom Programm
angegebenen Weise die Abtheilungen; in der Sekzion für Sprache
ward Lachmann, in der historischen P ertz, und in der r'echtswissen-
schaftlichen Mittermaier zum Vorsitzenden gewählt. Die letzt
genannte war die weitaus am zahlreichsten besuchte, und in dem le
bendigen Kampfe der dorr zwischen den Vertretern des römischen
und denen des deutschen Rechts sich entspann, ward mehr als einmal
auf das Ominöse des Orts (der Kriegsstnbe) Bezug genommen.
Jn der Sitzung am Dienstag ward zuvörderst über einen von
Gervinus gestellten Antrag: die Staturen dahin abzuändern, daß
Sekzionen wohl regelmäßig stattfinden können, aber nicht müssen, ver
handelt, und derselbe schließlich — nachdem ein von Pertz, imNamen
der historischen Sekzion an die Versammlung gebrachter Gegenantrag,
die Abtheilungen zu verschiedenen Stunden sich versammeln zu lassen,
als unausführbar abgelehnt war — angenommen. An der Diskussion
nahmen außer den beiden Genannten und dem Präsidenten, Wächter,
Lachmann, Mittermaier, Beseler, Waitz, Richthosen,
Christ, Dahlmann, Blume Theil. AIs der Gegenstand verlassen
wurde, betrat Schubert und nach ihm Fallati die Rednerbühne;
die Anträge, welche sie im Sinne ihrer besonderen Fachgcnossen an
die Versammlung richteten, fanden dadurch eine beide Redner zufrie
denstellende Erledigung, daß ausdrücklich erklärt wurde (Grimm,
Dahlmann, Mittermaier), daß die Staatskunde und Sta
tistik selbstverständlich in das Bereich der Germanisten - Versamm
lung gehöre. Es folgte dann, in einem freien Vortrage Mitrer-
maiers, der Kvmmissionsbericht über das Geschwornengerichr, dem
sich ein zweiter Vorcrag über denselben Gegenstand, von einem andern
Mitglieds der Kommission, Janp, und dann eine durch die ganze
NackmittagSsitzungfortgesetzte'Debatte sich anschloß. (Mittermaier,
Heffter, Beseler, Wächter, Blume, Michelsen, Souchay,
Jaup, v. d. Pfordteu, Baumeister.) Zu den widrigsten
Momenten der Verhandlung gehörten die offenen und ausführlich
morivircen Erklärungen der in der Wissenschaft und im Amt hochge
stellten Männer, die früher in Schriften und im Leben gegen die Ein
führung der Geschwornengericbte sich erklärt hatten, jetzt aber das Be
kenntniß einer gewonnenen andern Ueberzeugung freimüthig ablegten
und ihre Stimmen mit der MittermaierS und der übrigen Ver
theidiger der Geschwornengerichte für die Adoptirung derselben ver
einigten. Und einer der Redner, der sich selbst zu denen bekannte, die
da noch schwankten, erklärte sich überzeugt, daß die faktische Annahme
der Geschwornengerichte, sei es früher oder später, erfolgen werde.
Dahin dränge die Nothwendigkeit, die Geschichte.
Der Michaelistag ward zu der Festfahrt nach Travemünde ver
wendet. Jn kurzen Zwischenräumen, wie sie durch das Uebersetzen
über die Trave geböten waren, fuhren die einzelnen Züge von je
sechs Wagen vom Kaufberg ab; ein paar der frühesten über Wald
husen, dessen Grabalterthümer ein lebhaftes Interesse erregten. We
hende Flaggen hatten den Germanisten bei der Abfahrt nachgewinkt,
wehende Flaggen begrüßten sie bei ihrer Einfahrt in Travemünde, und
bei ihrer Ankunft vor der Stadt Hamburg und dem llöipl de Russie
empfingen sie die Trompeten der Dragoner und die Hörner der Füsi
liere. Bald waren die Frühstücktafeln besetzt, und etwas später, gegen
1 Uhr, ging die stattliche Alexandra mit einer kostbaren Bürde, wie
sie noch keine zuvor getragen, in See; mit den Klängen der Hörner
mischte sich der Donner der Kanonen, die vom Leuchtenfelde aus dem
eilenden Dampfer-.,'hren schallenden Salut über die schäumenden Wel
len nachsendeten.")
An die Meerfahrt schloß sich das Festmahl auf der Badeanstalt.
Von der Stimmung, die dabei herrschte, gibt nichts ein deutlicheres
*) Bei der Rückkehr der Alexandra in den Hafen schwieg das Geschütz; eines
durch Unvorsichtigkeit entstandenen Unfalls wegen hatte man das Feuern
eingestellt.