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Photographisches Archiv.
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Bei Sonnenauf- und Untergang, wenn das Licht eine
grössere Strecke der Atmosphäre zu passiren hat, können
wir beobachten, dass die rothen Strahlen immer mehr über
wiegen. Ist die Luft stark mit Wasserdämpfen erfüllt
(Nebel), so sehen wir nur rothes Licht. Das berechtigt zu dem
Schlüsse, dass in jener Periode auch nur rothes Licht zur
Erdoberfläche gelangte.
Das erste Organisirte musste seine Nahrung dem An
organischen entnehmen. Im Gegensatz zur Nahrung des
Thieres musste hier die zur Assimilation der Materie noth
wendige Energie von letzterer getrennt sein. Die einzige
Energie, welche das nicht lokomotionsfähige Organisirte
‘continuirlich beeinflussen konnte, war die Sonnenstrahlung.
Und von dieser gelangte nur das Roth zu ihnen.
Das von Lamark aufgestellte und namentlich von Roux
ausgearbeitete Gesetz der functioneilen Anpassung verlangt,
dass diese ersten Zellen oder einfachsten Zellencompositen
diese Strahlung absorbirten, damit sie dieselbe zur Ernährung
verwerthen konnten. Die Organismen, welche wir von hier ab
Pflanzen nennen können, nahmen die Complementärfarbe zu
dem einwirkenden Lichte an; sie färbten sich grün. Der
Nichtgebrauch liess eine Schwarzfärbung oder überhaupt
eine Entstehung weiterer Pigmente nicht zu. Embryonal
wurde die Chlorophyllbildung noch nicht; es entsteht auch
jetzt nur durch die tropische Wirkung des Lichtes.
Analogieschlüsse aus der Ontogenese zeigen, dass das
reine Grün dieser ersten Periode, welches dem Frühlings
grün der jungen Pflanze entspricht, allmählig dunkler und
mehr bläulichgrün wurde. Der wirksamste Theil des Spectrums
ist also hier wie dort in den verschiedenen Phasen ver
schieden. Daher stimmen die seit Priestley hierüber ge
machten Angaben so wenig überein; sie schwanken zwischen
Roth und Gelb.
Allmählig vollzogen sich bedeutende Veränderungen in
der Atmosphäre. Bis zur Glazialzeit wurde sie immer
weniger warm und feucht. Es gelangte fast die ganze
Sonnenstrahlung zur Erdoberfläche. Aber gleichzeitig war
die Kohlensäure durch die Arbeit der Pflanzen sehr ver
mindert worden. Der Kohlenstoff war im Boden abgelagert.
Das war Schuld, weshalb die Pflanzenwelt nicht die für die
jetzigen Verhältnisse scheinbar vortheilhafte Schwarz
färbung annahmen. Die Quantität der Kohlensäure, welche
jetzt in einer bestimmten Zeit in Berührung mit der Blatt
oberfläche kam, hatte nur die von dem grünen bis bläulich-
grünen Pigment absorbirte Energie zur Redaction nöthig.
Wie Timiriazeff zeigte, werden von den 20—25%, welche
von der gesamten Strahlung absorbirt werden, höchsens 5%
in chemische Arbeit umgewandelt. — Wahrscheinlich ent-
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Wickelt sich allmählig eine bessere Periode für die Pflanzen.
Der Kohlensäuregehalt der Atmosphäre steigt wieder,
namentlich durch die Oxydation des früher aufgespeicherten
Kohlenstoffes. Das Maximum der Zersetzung, welche gegen
wärtig schon bei % der directen Insolation erreicht ist
(Timiriazeff), wird langsam erst bei ganzer Insolation ein
treten und dann färben sich die Blätter dunkler.
Das für die im ungeschwächten Lichte stehenden
Planzen überschüssige Absorptionsmittel haben die Pflanzen
in ihrer Jugend nöthig, wenn sie im Schatten älterer auf
wachsen. Hier wird die Art am leichtesten aufkommen,
welche das spärliche Licht am stärksten absorbirt. Das
erklärt, weshalb, nach den von Steenstrup ausgeführten
Untersuchungen der Torflager, in Dänemark nach der ark
tischen Flora den Bestand der Wälder zuerst die Espe,
dann die Kiefer, Eiche, Erle und endlich die Buche bildete.
(Aehnliches fand Nathorst in den Tuffkalkablagerungen.) Die
Färbung der Blätter bedingt neben anderen weniger wichtigen
Momenten das von Heyer nachgewiesene steigende Licht
bedürfniss von Espe, Birke, Kiefer, Eiche und hieraus erklärt
sich die von Hansen angedeutete steigende Widerstands
fähigkeit von Espe, Birke, Kiefer, Eiche, Buche im Kampfe
ums Dasein.
Nach den oben angeführten Gründen muss es ein Fehler
sein, aus dem Verhalten der grünen Landpflanzen auf das
der anders gefärbten Wasserpflanzen Schlüsse zu ziehen.
Die Durchlässigkeit des flüssigen Wassers für die ver
schiedenen Farben ist eine ganz andere als die des Nebels.
Messungen von Hüfner und Albrecht zeigen, dass die langen
Lichtwellen viel stärker absorbirt werden als die kurzwelligen
Lichtstrahlen. Deshalb gesellen sich, wieder nach dem
Gesetz der functioneilen Anpassung, zum Chlorophyll noch
ein oder mehrere andere Farbstoffe, welche eine Absorption
der am stärksten vom Wasser durchgelassen Strahlen be
dingen. So musste das goldgelbe Phycoxanthin der Diatmoeen
entstehen, welche dadurch olivengrün bis braun wurden.
Bei den meist olivenbraunen Ledertangen bildete sich noch
ein drittes Pigment, das intensiv braunrothe Phycophäin. Am
stärksten ausgeprägt ist diese Verschiebung der Absorptions
fähigkeit bei den rothen Florideen, welche das rothe Phy-
coerythrin enthalten.
Alle rein grün gefärbten Algen befinden sich nur in
ganz flachen Gewässern. Die olivengrünen halten sich vor
zugsweise - an der Grenze der höchsten Fluth und der tiefsten
Ebbe auf. Die rothen sind Bewohner des tiefsten Wassers.