Full text: Zeitungsausschnitte über sonstige Veröffentlichungen

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49 
aud : Berliner Lokalanzeiger, 2. Beiblatt 
Nr.77, 
1689, Mrz. ZI 
> q Der Platz für das Kaiser WilhclmV 
Denkmal ist der Gegenstand einer Schrift des 
Geheimrathcs Rudolf Grimm in Potsdam, Benders 
des bekannte» Kunsthistorikers, welche dieser Tage 
erschienen ist und die so vielfach in letzter Zeit 
vcntilirte Frage einer eingehenden Beleuchtung nach 
allen Seiten hin unterwirft. Als Resultat aller 
seiner Ansfübrnngen spricht der Verfasser die Ansicht 
ans, das; derjenige Platz, welchen man zuerst und 
ursprünglich für das Denkmal in Aussicht ge- 
nommen, die Schloßsreihcit, auch entschieden der am 
meisten passende sei; selbstverständlich nach Rieder- 
legnng des Hänserznges, welcher dort das Schloß 
üon dem Spreearm trennt. Die Durchführung 
dieser Idee ist von diestm Gesichtspunkt ans in 
Küustlerkreisen jetzt von Neuem in Betracht gezogen 
worden, obgleich man ihr hier in orr letzten Zeit 
wenig sympathisch gegenübergestanden. Zweifellos 
aber würde der Abbruch der Schloßfreiheit mit 
ihren alten Banlichkeiten, die sich in unmittelbarer 
Nähe der prächtigen Westseite des Schlosses und in 
der Nachbarschaft der modernen Prachtbauten, welche 
allenthalben ringsum,am Schloßplatz und in derWerder- 
straße, wie in der Kaiser-Wilhelmstraße ans der Erde 
gewachsen sind oder noch entstehen, wirklich nicht sehr 
schön ausnehmen, und namentlich den Total-Eindruck 
unseres königlichen Schlosses bedeutend herunter- 
drückeu, immerhin zu wünschen sein. Wenn auch 
nicht gerade barackenhast, so bieten doch jene alten, 
gedrückten Bauten gegentvärtig einen fast unsympa- 
tischen Anblick und namentlich ihre nach der Spree 
zu belegenen Hintergebäude entfalten, vom Strahl 
der sinkenden Abendsonne getroffen, mit ihren 
hängenden Treppen und Gängen, die hoch über dem 
dunklen Wasserspiegel fast wie an die Mauern 
geklebt aussehen, ein Bild der Kleinstadt, 
so echt und pittoresk, als sei es aus dem 
Nahmen eines Achenbach'schen Gemäldes geschnitten. 
Der Platz, au welchem sich die heutige Schloß- 
freiheit befindet, war bis in's 16. Jahrhundert 
hinein nicht bebaut und der Arm der Spree, welcher 
von der Jnselbrücke kommt, weit breit'r; sumpfiges 
Terrain bildete seine Ufer und zog ich auch über 
den heutigen Lustgarten hin. Den ersten Anbau 
vollzog Kurfürst Johann Georg 15135 durch die 
Errichtung des sogenannten „langen Hauses", das 
sich ans dem Grund und Boden erhöh, aus welchem 
heut die Westfront des Königlichen Schlosses mit 
dem imposanten Portal steht, das Eosander 
von Göthe den Triumphbogen des Septimius 
Severns zu Rom (200 u. Ehr.) nachgebildet hat. 
Im Jahre 1606 wurde das „lange Hans" wieder 
abgerissen imb der äußere, damals nach dem Lust 
garten und der heutigen Schloßsreihcit zu offene 
Hos des Schlosses mit Gebäuden umzogen. Das an 
die letzteren sich anlehnende Terrain wurde entwässert, 
der Spreearm in seiner Breie eingeschränkt und so 
eine Straße geschaffen, welche als die erste Stufe 
der Entwickelung der späteren Schloßsrciheit zu 
bezeichnen ist und ursprünglich, im Jahre 1607, der 
„neue Gang am Wasser", später aber, als 
im Jahre 1618 an der Ecke des Schlosses am 
Lustgarten jener Thurm errichtet war, der das 
Hebewerk enthielt, mittelst dessen das nöthige Wasser 
ans dem Spreearm in das Schloß geleitet wurde, 
der „Gang au der neuen Wasserkunst" genannt, 
wurde. Damals wurde das Terrain der heutigen 
Schloßsreiheit am Lustgarten von einem Kanal 
durchschritten, welcher in der Nähe der damaligen 
„Hundebrücke" — heutige „Schloßbrücke" — in den 
Spreearm mündete und das Wasser bis zu dem 
erwähnten Thurm führte. Durch diesen Thurm ist 
die Schloßfreiheit dann zu einem Deuksteiu in der j 
Geschichte des bedeutendsten Baumeisters jener Epoche, 
Andreas Schlüters, geworden; bei dem ihm übertra 
genen Umbau des Schlosses war er durch deit Willen 
Friedrichs I., des ersten Königs Preußens, gezwnu- 
gen, diesen Thurin in seinen ursprünglich entworfenen 
Bauplan nachträglich hineinzuziehen, trotzdem derselbe 
gar nicht dahin paßte und eine theilweise Umgestal- 
tung nothwendig machte. Durch diese Heranführung 
des Schloßbanes in seinem Lustgartenstügel ist das 
an sich nicht sehr feste Fundament erschüttert worden; 
der Thurm bekam Risse, drohte einzustürzen und 
wurde so der Anlaß zu einem Mißtrauen des Königs 
gegen Schlüter, das, durch dessen Neider, Eosander 
von Göthe, geschürt, schließlich im Jahre 
1702 zum Sturz des großen Baumc.sters 
führte. Durch Eosander von Göthe tvnrde dann 
der Theil des Schlosses an der Schloßsreiheit aus 
geführt, der 276 Fuß lang, 15 Fenster Front 
enthält; dieser Bau wurde 1716 vollendet und 
ist ans jener Zeit noch hellt in seiner Ursprünglichkeit 
erhalten. — Nur die über dem Portal befindliche 
Schloßkapelle und Kuppel sind neueren Datums; 
sie lvurden nach Jddeen König Friedrich Wilhelms IV. 
von Slülcr und Schadow in den Jahren von 
.1847 bis 1853 erbaut. — Jener alte, für die 
damalige Zeit prächtigste Ban der Stadt 
machte aber auch eine Umgestaltung . seiner 
> nächsten, wenig schönen Umgebung iwthwendig ititb 
*zwar erstreckte sich diele sowiK!! ans Ke „Stechbahn" 
wie auch die heutige Schloßsrciheit. Für die letztere 
wurde das Land am Spree-User an nenn Per 
sonen vergeben, welche für dieses Geschenk die Ver 
pflichtung übernahmen, das bis dahin flache User 
ans eigene Kosten mit einer Schälung zu versehen. 
Diese ersten neun „Eigenthümer" vollzogen den 
Anbau der Straße, die sich unter Friedrich dem 
Großen zn einer Prackttstraße nach damaliger 
Anschauung entwickelte. Noch heut weist die Straße 
9 Gebäude ans, die in dem Charakter ihrer 
Bauart äußerlich noch ganz die Fricdericiauische 
Zeit wiederspiegeln, und auch in ihrem Innern, in 
den breiten Treppenhäusern, den Gewölbe - Kon 
struktionen, dem Schnörkelwerk noch lebhafte und 
für das Auge des Forschers hochinteressante Spuren 
einer versunkenen Zeit attsweisen, wenn auch dies 
Alles in den neueren Perioden, welche aus den 
ursprünglichen Privatpalästen Geschäftshäuser machte, 
vielfach^ Aenderungen erlitten hat.
	        
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