Nationalzeitung, Zweites Beiblatt zu
Nr. 621, 1890, Nov. 16, S. 1
— Das schon erwähnteÄntwortschreiben des Reichs
kanzlers auf die Eingabe der sieben Künstler wegen des
Nationaldcnkmals für Kaiser Wilhelm hat nach der
„Leipz. Ztg." folgenden Wortlaut:
„An den Wildhauer Herrn Carl Hilgcrs Wohlgeboren Char-
lottenburg. Euer Wchlgeboren haben in Gemeinschaft mit einem
Theile der zu dem engeren Wettbewerb für das Nationaldenkmal
des Hochseligen Kaisers Wilhelm I. berufenen Künstler unterm 20.
und 26. September er. zwei Vorstellungen an mich gerichtet, in welchen
dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, die Ihnen seiner Zeit mitgetheil
ten Konkurrenzbediuguugen in einzelnen Punkten näher erläutert,
bezw. abgeändert zu sehen. Ich habe Ihre Wünsche zur Kenntniß
Sr. Majestät des Kaisers gebracht und erwidere Ihnen nunmehr
ergebenst das Folgende. Die öffentliche Ausstellung der ein
gelieferten Konknrrenzentwürfe ist in sichere Aussicht genommen;
wenn die Bedingungen in dieser Hinsicht in die Form eines Vor
behaltes gekleidet worden sind, so hat dies seinen Grund darin,
daß Ort und Zeitdauer dieser Ausstellung noch nicht haben bestimmt
werden können. Die von Ihnen anscheinend gebegte Besorgniß,
daß die Veranstaltung einer solchen Ausstellung nicht in der Ab
sicht liege, ist unbegründet. Eine Erhöhung der den Bewerbern
zugesicherten Entschädigung vermag ich zn meinem Be
dauern mit Rücksicht auf den Umfang der zur Verfügung
stehenden Mittel nicht in Aussicht zn stellen. Hinsichtlich
der in den Bedingungen vorbehaltenen Prämiirung bemerke ich,
daß die Absicht besteht, die besten Entwürfe in den Grenzen der ver
fügbaren Fonds durch Preise auszuzeichnen; über Zahl und Betrag
der letzteren sind im Voraus genauere Festsetzungen um deswillen
nicht getroffen, weil in dieser Beziehung der zukünftigen Entschei
dung, für welche nur der künstlerische Werth der eingehenden Ent-
würfe den Maßstab abgeben kaun, nicht vorgegriffen werden soll.
Ihrem Verlangen, daß Demjenigen, dessen Arbeit als die beste
erkannt wird, an erster Stelle eine Mitwirkung bei der Aus
führung des Denkmals zugesichert werde, kann eine Berück
sichtigung nicht zu Theil werden. Eine solche Zusage ent-
spricht nicht dem allgemeinen Gebrauch bei wichtigen Prcisbewer-
bungen und sie läßt sich auch um deswillen nicht rechtfertigen,
weil damit der die Ausführung bestimmenden Stelle eine Be
schränkung auferlegt werden würde, welche sich den später obwal
tenden, vielleicht veränderten Verhältnissen gegenüber als zweck
widrig erweisen könnte. Ueber die Ausführung muß vielmehr die
volle Freiheit der Entschließung gewahrt bleiben. Was die Frage
der Beurtheilung der Entwürfe anlangt, so ist hierüber eine
Bestimmung noch nicht getroffen; sobald dies der Fall sein
wirb werden die an dem Wettbewerb betheilrgten Künstler
davon in Kenntniß gesetzt werden. Den Gründen, welche Sie
für eine Verlängerung der Frist für die Einlieferung der Ent
würfe geltend machen, will die Reichsverwaltung. gern Rechnung
tragen. Ich setze demgemäß den äußersten Termin für die Ein
lieferung hiermit auf den 1. Juli 189 1 fest. Was endlich die
Namen der zu dem Wettbewerb aufgeforderten Künstler anbetrifft,
so hat die Mehrzahl derselben Ihre Eingabe unterzeichnet. Außer
den Unterzeichnern sind nur der Professor Begas, der Professor
Nümautt, der Professor Schilling und der Bildhauer Hildebrand
zur Betheiligung eingeladen. Den Unterzeichnern der Eingabe
wollen Sie von dem Inhalt dieses Schreibens gefälligst Mitthei
lung machen. Der Reichskanzler. In Vertretung: von Boetticher.