Lübecker Bürgerfreund.
M 41
Freita«; den 8 Oktober.
1847.
Der Preis dieser Wochenschrift ist. in Lübeck bei der Exvedizion. auswärts bei den resp. Kommissionären 1 -L 8 ft pr. Quartal.
Übersicht ves Inhalts.
Ernte-Danklked. — DasPiedigrotta-Fcst in Neapel. — Das Frekheitsfest
in Florenz. — Mannichsaltiges. — Lagsgeschichte. (Schweiz. Italien.
Portugal. Rußland und Polen. Türkei. Amerika.) — Schreiben aus
Eutin. — Lübeck, den 7. Oktbr.: Nachträgliches zur GermanisteWD
sammlung. Das Konzert in der Aegidie»Michi^.^LKBeeinträchtigung des
SchncidertzkwevbeS. Die symbolischen Figuren der Holstenbrücke. Die Bark
Freiheit. Gravör Rickmeyer. Kartoffel-Zufuhren aus Finnland. Leier.
kastcn-Plage. Polizeisälle. — Marktpreise. — Getreideprcisc.
Ernte-Danklied.
3^sttcr, der Du in dem Lichte wohnest,
Wohin keines Menschen Auge dringt,
Der Du mächtig über Alles thronest,
Dessen Arm die ganze Welt umschlingt:
Dir allein gebühret Preis und Ehre,
Dir allein gebührt der Menschheit Dank!
Drum zu Air, in Deine Himmelssphäre,
Steige auch mein schwacher Lobgesang.
Als Du sprachst das große Wort: Es werde!
Da entstand der Himmel und das Meer,
Da entstand die wunderschöne Erde
Und die Sonne und das Sternenhecr.
Leben bauchtest Du in todte Steine,
' Pflanztest Keime in der Erde Scbooß,
Theiltest Jedem weiSheicsvoll das Seine
Und dem Menschen warb das schönste Loos!
Ihm gabst Du ein Herz, das Dich erkennet.
Wenn sich Nacht um seine Pfade zieht;
Eine Sprache, die Dich Vater nennet,
Wenn ein Strahl der Hoffnung ihm erglüht;
Ein Gefühl, das hehr die Brust durchdringet.
Wenn die Morgenröthe ihm erwacht,
Und sein Geist sich jubelnd aufwärts schwinget.
Durch des Sonnenlichtes Glan; und Pracht.
Und er sollte Dich nicht dankbar preisen?
Sollte nicht mit voller Glaubenskraft
Dich, den ewig Gütigen und Weisen,
Der das Brotkorn und die Rebe schafft,
Hochverehren aus des Herzens Fülle?
Demuthövoll im Geiste Dir sich nahn?
Heilig sei ihm stets Dein mächc'gcr Wille,
Was Du thust, o Herr, ist wohlgethan!
Wohl lag tiefe Nackt ob Deutschlands Fluren,
Und der bittre Hunger schwang sein Schwert.
Furcht und Jagen folgten seinen Spuren
Biö zu unserm heimathlichen Heerd.
Trauernd stand der Mensch auf seinem Erbe,
Jähren in dem stummen Iammerblick,
Denn es drückte ihn die Noth, die herbe,
Und entflohen wähnte er das Glück.
Doch Du sahst von Deinem Himmelsthrone
Seine Leiden, seinen riefen Schmerz,
Und erbarmtest Dich dem Erdensohne,
Gossest Balsam ihm ins wunde Herz,
Strecktest huldvoll Deine starke Rechte
Segenbringend über alles Land,
Und dem ganzen menschlichen Geschlechte
Reichtest Du die milde Vaterhand.
Ja, Du Herr des Himmels und der Erden,
Wir erkennen Dich in Freud' und Leid!
Und Dein Name soll geheiligt werden
Von der Wiege bis zur Ewigkeit!
Ju Dir beten dankbar wir im Staube,
Der Du uns errettet aus der Noth.
Unsre Zuversicht und unser Glaube
Steher fest auf Dich, dreiein'ger Gott! R.
Das Piedigrotta-Fest in Neapel.
Sleapel, 10. Sept. Wenn ich Ihnen früherhin das Piedi-
grorra-Fest aus einem friedlichen idyllischen Gesichtspunkte schil
derte, so müssen Sie dießmal mir einer mehr kriegerischen Dar«
stellung vorlieb nehmen. Dieser doppelte Karakter ist ohnedieß
dem Feste eigen. Ohne auf den geschichtlichen Ursprung zurück
zugehen, ohne von der Gründung der Kirche am Eingang in die
Posilippo-Grotte (Piedigrotta) und dem Gelübde Karls Ul. wei
ter zu reden, sei nur bemerkt, daß die siegreiche Soldateska und
das über die Sieger und die Wiederherstellung der Verhältnisse
unter bourbonischem Szepter frohlockende Volk sich an diesem
Tage zu einem Dank-und Freudenfeste vereinigten. Man kann
dasselbe in zwei Theile theilen: der erste ist ganz und gar Volks
fest, der zweite Hof- und Soldätenfest, wobei das Volk nur
die Rolle der Zuschauer spielt. — Bei Anbruch des Tages schon
fangt es an am Mergellino - Strand zu wimmeln; namentlich
sind es die Bewohner der Küste von Pozzuoli, Tumae, Bajae,
den Inseln Prozida und Ischia, welche zur Kirche eilen. Nach
verrichteter Andacht zerstreut sich Alles auf den Hügeln des Posilippo,
am Strande des Meers und in der Villa Reale, welche am
8. Septbr. allen Spielen, Tanzen und Freuden des Volks geöffnet
ist. Die bunten Gruppen, die Tarantella-Sprünge, die melodi
schen Volkslieder und die harmlose Heiterkeit des gemüthlichen,
leichtbefriedigten, mäßigen Volks überraschen alle diejenigen, welche
zum erstenmal das Schauspiel genießen. Gestern gegen Mittag
strömte Alles in die Mitte der Stadt, wo der lange Toledo,
der, Largo di Castello, die Strada Medina u. f. w. die breiten
Kolonnen der zum Parademarsch sich aufstellenden Truppen auf
nahmen. Um 1 Uhr ritt der König in Begleitung seiner Brü
der, seines Geueralstabs u. s? w. an den Reihen vorüber und
wurde von Volk und Truppen freudig begrüßt; dann verfügte er
sich auf den Balkon des Residenzschlosses und schaute in Gesell
schaft der Königin und der königl. Familie dem Vorüberziehen der
Truppen mir großer Zufriedenheit zu. Die Truppe» — 27000
Mann — bildeten darauf doppelte Spaliere vom Ende der Riviera
di Chiaja bis zum Palast. Neun königliche Kriegsschiffe und die
französische Flotte in den Gewässern der Villa Reale und St.
Lucia gegenüber lagen ebenfalls mit Flaggen und Bändern ge
schmückt in festlicher Parade da. Kanonenschüsse von St. Elmo
und andern Kastellen verkündeten um 4§ Uhr die Abfahrt des