Full text: Zeitungsausschnitte über Grimmdenkmäler, -feiern, -sammlungen und -museen

Akademik ztt wahren. Aber er hat weit über das Ziel hinausge 
schossen. Diese beiden Herren, die da oben auf dein Sockel unter 
lebhaften Gebärden Zwiesprache halten, wirkeil gradezu genrehaft 
oder illustrationsmäßig, und wir glauben nicht, daß die Einwohner 
Hanaus ohne Befremden jahraus jahrein Zeuge dieser Unterhaltung 
auf hohem Sockel sein könnten. 
He uze gibt eine sauber nach allen Regeln der Kunst aufgebaute, 
etivas kühl herkömmliche Schöpfung im Renaissancecharakter. Die an 
dem Sockel die Namen schreibende Nenaissancejungfrau hat aber zu 
viel Verwandtschaft mit gewissen vom Kunstgewerbe zu Tode ge 
hetzten Motiven und an der Rückseite des Sockels hängt ein kleiner 
Genius in fledermansartiger Haltung. 
Der Frankfurter Kailpert war mit Erfolg bemüht, in seinem 
edel stilisirten Ausbau allen Bedingungen der Ausgabe gerecht zu 
werden, leider aber hilft er sich bezüglich der Forschungsthütigkeit 
der Brüder nur mit einer sehr herkömmlichen allegorischeil Figur 
autikisirender Richtung und mit einem Citat von Jakob Gr,mm 
über die Sprache. Immerhin hat das Werk einen guten künstlerischen 
Wert. Wie Henze und Echtermeyer benutzt auch Kaupert das Motiv 
der Bäuerin von Niederzwehren. In Bezug auf die Gesamtcharakteristik 
der Gebrüder Grimm hat Kaupert die Aufgabe, wenn auch ohne 
geniale Erfindung, noch besser als Wiese gelöst. 
Zuletzt nennen wir das Werk von Eberle in München. Eberle 
wetteifert mit Eberlein in der lebendigen Charakteristik der Haupt 
figuren. Die brüderliche Liebe, die geistige Gemeinschaft sind in den 
tvürdigen Gestalten meisterhaft dargestellt. Im Schmucke beschränkt 
sich Eberle ausschließlich aus das Märchen. Ein Genius mit 
ausbreiteten Flügeln erzählt zwei Kindern Märchen. Diese 
Gruppe ist an sich von vollendeter künstlerischer Schöilheit und 
meisterhaft in der Einzellbehandlung. Die Rückseite des Deuk- 
mals ist leer, was um jo nüchterner und ärmlicher wirkt, als emer 
der Brüder auf einem schlichten Sessel mit altmodischer Holzlehue 
sitzt, ein realistischer Zug, der au sich nicht unbedingt zu verwerfen 
ist. Dieser Leere könnte aber abgeholfen werden, und grade sie gäbe 
die Möglichkeit, auch den Mangel in der Charakteristik aufzuheben. 
Wenn der inärchenerzählende Genius auf die Rückseite gesetzt würde 
und vorn eine Verkörperung der nationalen Bedeutung der Grimm 
schen Sprachforschung Platz fände, wäre das Eberlesche Modell bei 
der ausgezeichneten Behaiwluug der Hauptfiguren das beste für die 
Ausführung. Da cs sich nicht um eine völlige Neubildung, sondern 
nur um eine ohne Schwierigkeiten ausführbare Ergänzung handelt, 
während bei den übrigen Entwürfen die Mängel und Schattenseiten 
nur durch gründliche Umänderung zu verbessern wären, wären Ein 
wände gegen ein solches Verfahren kaum zulüisig. Für die Ver 
körperung der angedeuteten nationalen Idee lassen sich Motive, die 
kein anderer Entwurf enthält, finden. Man kann in die Zeit des 
Humanismus greifen und einen greisen Lehrer darstellen, der einen 
Jüngling, kein Kind, tu die Geheimnisse eines alten Folianten ein 
weiht. Durch die Gebärde der Hand läßt sich sogar das Sprach- 
erklärende unschwer andeuten. Außerdem bietet das Siegfricdmotiv, 
Siegfried als germanischen Jüngling gedacht, eine Ausbeute, und 
endlich wäre es nicht undankbar, das Motiv Wotans, des Wan 
dernden, anklingen zu lassen. Uns wenigstens ist diese Ergänzung 
des Eberleschen Entwurfs als der beste Ausweg atls der Schwie- 
rigkeit erschienen, welche sonder Zweifel vorliegt, mib wir möchten 
zum Schlüsse nochmals besondern Nachdruck darauf legen, daß eilt 
der Märchenerzühlung das Hauptgewicht verleihendes Denkmal uns 
durchaus unzulässig und den Erwartungen zahlreicher Spender von 
Beiträgen sicherlich zuwiderlaufend erscheinen würde. j
	        

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