Full text: Zeitungsausschnitte über Grimmdenkmäler, -feiern, -sammlungen und -museen

aus : Casseler Tageblatt und Anzeiger, Nr. 326 
1896, Nov. 24, S. 2 
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 48 
Nicht ohne Verwunderung werden die ZeitungS- 
leser vor einigen Tagen die Aufforderungen zu Bei 
trägen für ein Grimm-Museum, die eine von Hanau, 
die andere von hier ans, gelesen haben. Also beide 
' Städte wollen je ein Museum stiften, um darin die 
zu sammelnden Gegenstände, welche Bezug auf die 
beiden großen Gelehrten haben, aufzubewahren. Diese 
Gegenstände würden doch wohl nur aus Briefen, 
Schriften, Radirungen, vielleicht aus Gipsabgüssen 
von Statuetten bestehen können, die nur einen sehr 
kleinen Raum ausfüllen würden; um aber ein Museum 
damit zu bilden: ein solcher Plan dürfte wohl zu 
den „todtgeborenen Kindern" gehören. Wie aus den 
am Sonntag veröffentlichten Briefen im Tageblatt 
hervorgeht, hat man auch schon von Seiten CasselS 
die Idee aufgeben wollen, und mit Recht. Wir 
brauchen kein Museum, um das Andenken an daS 
herrliche Brüderpaar im deutschen Volke lebendig za 
erhalten; ihre Werke sind das unvergänglichste Denk 
mal. In der ganzen Allgelegenheit sind wir vosl 
kosium gekommen, und mit dieser Thatsache berühren 
wir einen wunden Punkt in unserm öffentliche« 
Leben. Als vor etwa zwanzig Jährest in der n?u 
auftauchenden Begeisterung für unsere Geistesheroeu 
der Gedanke ausgesprochen wurde, den Brüdern 
Grimm ein Denkmal zu setzen, .da konnte wohl Nie 
mand daran zweifeln, daß ihr Denkmal nur iu 
unserer Stadt stehen könnte.^ Hier war ihre geistige 
Heimath, hier entstanden ihre unsterMchen Werke, 
hier wurzelten sie mit allen Fasern ihres Lebens. 
Aber über einen kleinen Meis hinaus fapd der Ge 
danke kein Echo, und die Sache geritth in Vergessen 
heit. Wer die Gleichgültigkeit und Theilnahmlosig- 
keit kennt, die hier künstlerischen Bestrebungen gegen 
über herrscht, kann sich darüber Nicht wundern. 
Unsere Künstler wissen ein Lied davon zu singe». 
Aber ganz auf unfruchtbaren Boden war die schöm 
Idee doch nicht gefallen. In Hanau besann matt 
sich eines Tages, daß die Brüder Grimm dort zur 
Welt gekommen und daß ein ihnen zu errichtendeS 
Denkmal in ihrer Vaterstadt stehen müsse, wenn auch 
nicht Biele dort sich erinnerten, daß die Wiege ihrer 
berühmten Stadtkinder in ihren Mauern gestanden. 
Der für künstlerische Dinge verständnißvolle Siny 
der Hanauer Bürger kam dem Plane bereitwillig 
entgegen, und die Mittel wurden beschafft, und heute 
steht das Dellkmal — übrigens keine hervorragende 
Leistung der Bildhauerkunst —, welches von Rechts 
wegen in unserer Stadt stehen müßte, auf dem Markt 
platz in Hanau. Der immer wieder betonte Grund, 
daß es an der Geburtsstätte der Gefeierten seinen 
Platz finden müsse, ist hinfällig, mit demselben Rechte 
hätte unser Spohrdenkmal nach Seesen, seiner Hei- 
Math, gehört. 
Ein Grimm Museum, welches mit allen Reliquien, 
die ihm etwa hatten zugewendet werden können, nie 
einen imponirenden Eindruck gemacht haben würde, 
wäre ein recht Magerer Trost gewesen für das, was 
wir uns haben für immer entgehen lassen. K.
	        

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