aus
: Kölnische Zeitung- Sonntagsausgabe,
Nr. 13, 1669, Jan. 13, S. 1
£ Die Entwürfe zum Grimm-Denkmal in Hanau.
Durch die rege Beteiligung ganz Deutschlands an einer öffent
lichen Sammlung und durch einen Zuschuß der preußischen Regie
rung im Betrage von 25 000^ ist ein würdiges Denkmal für Jakob
und Wilhelm Grimm auf dem Marktplatze zu Hanau vorgesorgt
worden. Obwohl die Geldmittel in kurzer Frist nach dem vor vier
Jahren stattgehabten Grimm-Jubiläum aufgebracht waren, ver
zögerten sich die weitern Schritte geraume Zeit durch allerlei Schwie
rigkeiten, die sich in den Verhandlungen zwischen dem Cultus-
ministerium und dem Denkmals-Ausschuß bezüglich gewisser Be-!
dingungen eingestellt hatten. Nachdem diese Schwierigkeiten beseitigt
waren, ergingen Einladungen an eine Anzahl von Künstlern, sich
an einem beschränkten Wettbewerb zu beteiligen. Das Denkmal
sollte hunderttausend Mark kosten, die beiden Brüder in ihrer engen
Beziehung zueinander kennzeichnend darstellen und dabei wurde die
Erfüllung des nach einem Brunnenaufbau gerichteten Wunsches der
! Stadtbehörde in freie Erwägung gegeben.
Folgende Künstler haben sich an den: Wettbewerb beteiligt: Bär
wald, Bergmeyer, Eberlein ans Berlin, Eberle aus München,
Echtermeyer aus Brannschweig, Hassenpflug ans Kassel, Henze
ans Dresden, Kaupert ans Frankfurt und endlich Wiese ans
Hanau. Die Modelle dieser Künstler sind gegenwärtig in ein Sechstel
.der Denkmalsgröße in einem Saale der Zeichenakademie zu Hanau
ansgestellt. Das über dieselben demnächst urteilende Preisgericht
besteht ans dem Präsidenten der Berliner Kunstakademie Professor
Becker, Geheimrat Professor Ende, den Bildhauern Professoren
-Wolfs und Schaper, Geheimrat Dr. Jordan, Professor Bolz ans
Karlsruhe, Professor König aus Wien, Oberbürgermeister Wasser
burg und Herr August Schlcißner in Hanau. Die letztern vier Preis
richter siitd vom Denkmals-Ausschuß, die andern vom Ministerium
bestimmt. Dies sind in Kürze die äußern Voraussetzungen der Denk
mals-Errichtung. Wenden wir uns nun zur kritischen Würdigung
der einzelnen Modelle, so gelangen wir zu einem ganz eigentüm
lichen Ergebnisse zersplitterter Eindrücke, ans welchen ein klares,
entschiedenes Endnrteil sich »nr mit großer Schwierigkeit entwickeln
läßt. Keines der ausgestellten Modelle erschöpft de» einem Denkmal
der Gebrüder Grimnt zugrunde liegenden Gedanken. Wohl sind die
Persönlichkeiten der beiden großen Männer namentlich in zwei Ent
würfen im Sinne der Bedingungen sehr beredt und kennzeichnend
dargestellt, aber alle Modelle leiden unter dem schwerwiegenden
Fehler einer verkehrten Auffassung des geistigen Wesens und der
nationalen Bedeutung der Brüder. Bei allen Entwürfen und bei den
nach anderer Richtung wertvollsten ganz besonders wird den Grimin-
schen Märcken ein einseitiges Uebergewieht verliehen, die bedeutsamste
Thätigkeit der Brüder aber, die Rechts- und Sprachforschung, teils
völlig zurückgedrängt, teils nur durch kalte Allegorien versinnlicht.
Es mag zugestanden werden, daß eben die Märchen den Namen
Grimm in die weitesten Kreise gebracht haben, und kein Zweifel kann
darüber herrschen, daß ihrer auch auf dem Denkmal in kennzeichnen
der Werse gedacht werden mußte. Aber nimmer darf das Denkmal
den Eindruck hervorrufen, alö ob man in erster Linie Märchen
erzähler vor sich hätte, die nebenbei auch sehr gelehrte Herren waren.
Die rege Beteiligung an den Sammlungen hat ihren Grund ebenso
werrig nur in den Grimmschen Märchen gehabt, »vie die gelegentlich
deS Jubiläums in deutschen Zeitungen und Zeitschriften zutage ge
treteneil Kundgebungen sich darauf beschränkten, zivei Märchenerzähler
zu feierit. Hätten die Künstler sich, wie erforderlich war, mit dem
Wesen der beiden Brüder näher bekannt gemacht, so würden sie er
fahren, daß deren wissenschaftlicher Thätigkeit eine ganz andere Bedeu
tung innewohnt als diejenige einer philologischeit Specialität, die
sich nur unter dem Allgemeinbegriff „Forschung" allegorisiren läßt.
Sie würden erfahren haben, daß die Arbeit der Brüder Grimm eine
gewaltige nationale Bedeutung hatte und in dem stolzen Riesenbau
deutscher Culturgeschichte wie die Fichte auf dem Granitfelsen wur
zelte. Dann war ihrer Phantasie auch ausreichender Spielraum
für eine kennzeichnende Allegvrisirnng des Schaffens der großen
Männer geboten.
Wir wollen in dieser Richtung einige Andeutungen geben, um zu
zeigen, daß eine solche erschöpfende Kennzeichnung gar nicht über
mäßig schwer war. Die Sprachforschung an sich ließ sich freilich nicht
allegorisiren, aber ihr Ursprung konnte angedeutet werden durch
die Darstellung der drei großen Zeitalter der Vorzeit, der mittel
hochdeutschen (mittelalterlichen) Zeit und der Zeit der Bibelüber
setzung Luthers. Für das Märchen hätte daneben eine Andeutung
genügt, etwa in einer Mutter mit Kind, die Kränze niederlegen. In
andern!-Sinne.., hätte. man altgermanisches Recht, mittelhochdeutsche
Dichtung und Volksmärchen nebst einem lorberspendenden Genius
verwerten können. Endlich war noch ein dritter Gedanke lösbar,
welcher in dem ganzen Ausbau darauf hingewiesen hätte, daß die
Brüder Grimm die romantische Gefühlsschwärmerei für die deutsche
Vorzeit durch ihr Werk auf den realistisch gesunden Boden der Er- 1
kenntnis dieser Vorzeit hinübergelenkt haben.