Full text: Zeitungsausschnitte über Grimmdenkmäler, -feiern, -sammlungen und -museen

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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N 
aus : Casseler Allgemeine 
1896, Okt. 20 S. 1 
Die Feier der Enthüllung des 
Grimmdenkmals in Hanau. 
(Eigenbericht der „Casseler Allgemeinen Zeitung.") 
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Eine von dem Academielehrer Maler Schultz 
künstlerisch entworfene Tischkarte orientirte über die 
reichen leiblichen Genüsse, welche der Festtheilnehmer 
i harrten, und die denn auch allseitige Anerkennung 
\ fanden. Während des Mahles gab es zahlreiche Toaste. 
LEs seien die folgenden erwähnt: Der erste Toast galt Sr. 
PRajestät dem Kaiser und wurde jubelnd aufgenommen, 
von Herrn Oberbürgermeister Dr. Gebeschus aus 
gebracht. Redner erinnerte an den 18. October als 
i zwiefältigen Gedenktag, Entscheidung der Völkerschlacht 
1 bei Leipzig und Geburtstag nachmals Kaiser Friedrichs, 
l dessen Schwert hervorragend an der Schaffung unserer 
; deutschen Einheit auf Frankreichs Fluren mitgewirkt. 
! Damit die Begeisterung und hehre Vaterlandsliebe 
jener großen Zeit immer fortblühe, müssen wir ihrer 
häufig gedenken. Wir hegen die Liebe zum Vater 
land im Hinblick auf unseren Kaiser, der an der 
Spitze des Reiches steht als ein Hort des Friedens, 
indem wir ihm immer auf's Neue Treue geloben. 
Herr Stadtrath Koch hieß die festtheilnehmenden 
Spitzen der Behörden und Vertreter von Kunst und 
Wisienschast Namens der Stadt Hanau herzlich will 
kommen und ließ alle lieben Gäste hochleben. Herr 
Unterstaatssecretär Dr. v. Weyrauch nahm als 
Senior der Gäste das Recht in Anspruch, für diese 
Alle zu danken für die Genüsse, die ihnen hier für 
»Seele, Auge und Ohr geboten worden. Der Herr 
Cultusminister lasse fein Bedauern ausdrücken, daß 
^er verhindert sei, was er sonst sa gern gethan hätte, 
^dieser Feier persönlich beizuwohnen. Mit Gedanken 
und dem Herzen sei er aber hier in der Festrunde. 
Er dankte Allen, die bei und zu der Schaffung dieses 
nationalen Denkmals beigetragen, dankte der Stadt 
Hanau, daß sie dasselbe in treue Hut nehme wolle. 
Der Herr Festredner, führte der Herr Unterstaats- 
sccretär weiter aus, habe in seiner classischen Rede 
die Bedeutung der Hinterlassenschaft der Brüder 
Grimm so eindringlich geschildert, daß er nur wünschen 
könne, daß diese Gefühle fort und fortwirken möchten. 
Mögen unserem Volke immerdar Vaterlandsliebe, 
Treue, Frömmigkeit und Arbeitsfleiß verbleiben, dann 
werde es achtunggebietend dastehen, Kunst und Wissen 
schaft stets eine Heimstätte haben. Mögen in Hanau 
die spätesten Geschlechter sich der Bedeutung dieses 
Denkmals-Hüteramtes inne bleiben und desselben mit 
Zeitung, Nr. 291, 
Treue und Würde walten. Mit einem Hoch auf die 
Stadt Hanau schloß der Redner unter allgemeiner 
Zustimmung der Festgäste. 
Herr Oberrealschuldirector Dr. Schmidt-Hanau 
gedachte der Gattin Wilhelm Grimm's — Dorothea 
Wild —, die Luft und Sonnenschein in das Ge 
lehrtendasein der Brüder brachte. Was sie ihnen 
gewesen, beweisen am Deutlichsten Jacob's Briefe, 
welche von Dankbarkeit gegen seine Schwägerin 
überfließen. Leider sei Wilhelm Grimm's Sohn ver 
hindert gewesen, an dieser Festfeier theilzunehmen, 
er würde sonst der Gegenstand ganz besonderer Auf 
merksamkeit geworden sein, aller Augen würden sich 
auf ihn gerichtet haben, um die Züge des großen 
Vaters und des großen Onkels in den seinen wieder 
zusehen. Redner sprach dann feinen Dank aus, daß 
ein Mitglied der Familie der Gattin Wilhelm 
Grimm's, Dr. v. Wild aus Cassel, erschienen sei 
und brachte den Familien Grimm und Wild ein drei 
faches Hoch, das begeisterte Aufnahme fand. 
Herr Dr. v. Wild erhob sich alsbald zu einer 
dankenden Erwiderung. Zugleich hob er hervor, daß 
nicht nur Dorothea Wild, sondern überhaupt die 
Schwestern Wild, deren es drei gewesen, mit den 
Brüdern Grimm bekannt gewesen und diese fast 
ebenso viel Antheil an den Märchenmittheilungen 
gehabt, wie die Frau Viehmännin in Niederzwehren, 
weise doch Hermann Grimm in seinem Vorwort zu 
der Jubiläumsausgabe der Märchen auf die Mit 
wirkung junger Freundinnen hin. So finden sich 
auch unter diesen Märchen spezielle Hinweise 
darauf, wie bei einer Erzählung zu lesen ist: 
! „Dortchen im Garten 1811". Allmählich wurde bei 
- den Brüdern aus der Liebe zu den Erzählungen die 
Liebe zur Erzählerin; beide konnten sie nun Dorothea 
nicht heirathen, und diese selbst entschied sich für 
Wilhelm. Jacob aber ist wohl aus dem Grund un 
vermählt geblieben. Indeß führten alle drei ein so 
! harmonisches Hauswesen, daß die Kinder Wilhelm's 
^ Jacob ebenfalls ihren Papa sahen und diesen zum 
unterschied von ihrem wirklichen Vater Apapa 
hinten. Nach alledem ist 6*, dem Redner auf- 
(ki’Ueu, da», v-l Vieser Family..feie. be» veu. scheu 
Vol.es bei'ihren großen Söhnen von keiner Frau 
■XC Rede gewesen. Deutschland sei so glücklich, 
wenige große Männer zu besitzen, bei denen nicht die 
Frau oder die Frauen eine hervorragende Rolle ge 
spielt, man brauche nur an Goethe u. A. zu denken. 
WaS die Mutter Grimm bei ihren Söhnen an Ein 
fluß ausgeübt, das ist im Gemüthsleben derselben 
zu erkennen, die Frau Wilhelm's schuf ihnen eine be 
hagliche Häuslichkeit. Dem Andenken dieser beiden 
Frauen, die für das Leben der großen Söhne 
Deutschlands so entscheidend gewesen, weihte Redner 
sein Glas. 
Herr Gymnasialdirector Dr. Braun führt aus, 
wie schon 1870 eine erste Anregung für Errichtung 
eines Grimmdenkmals in Hanau erschienen. Dieselbe 
erfolgte durch ein Eingesandt in einem Hanauer 
Localblatt, unterzeichnet P. H. Z., und nahm Bezug 
auf die damals geschehene Aufforderung zur An 
bringung einer Gedenktafel am Geburtshause der 
Brüder Grimm. Der Verfasser jenes Eingesandts 
war Herr Ph. Hr. Zeuner. Dasselbe blieb aber 
damals ohne Wirkung. Inzwischen wurde ein ge 
waltigeres Denkmal in der Wiederauferstehung der 
alten Reichsherrlichkeit geschaffen. Auf der 58. Jahres 
versammlung der Wetterauischen Gesellschaft im 
Januar 1884 betonte Herr Gymnasialoberlehrer Prof. 
Dr. Wolff, daß es eine Ehrenpflicht sei, den 
Brüdern Grimm ein würdiges Denkmal zu er-
	        
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