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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 48
aus : Hanauer Zeitung,Nr. 105, 1889, Mai 6, S. 2
— (G rimmdenkma l.) Ende dieser Woche wird
voraussichtlich das große Grimm-Comitee zusammen berufen
werden, um sich auf Grund des Referats des technischen Aus
schusses und eines demselben seit dem 4. Mai vorliegenden
Gutachtens des Herrn Professor Hermann G r i m m,
über die Vergebung des Denkmals schlüssig zu machen.
Wie es gekommen ist, daß man in dem gegenwärtigen
Stadium der Angelegenheit den Rath des Sohnes von
Wilhelm Grimm in Anspruch nehmen zu müssen glaubte,
ergiebt sich aus dem Berichte, den der technische Ausschuß
aus Veranlassung einer ministeriellen Anfrage bereits am 23.
März dem Herrn Oberbürgermeister erstattet hat.
Dieser Bericht ist dem Herrn Kultusminister unter
breitet worden und lautet wörtlich wie folgt:
Herr Oberbürgermeister!
Auf die gefällige mir am 21. vorgelegte Zuschrift vom 19. d. M.
beehre ich mich das Nachstehende zu berichten:
Auf Grund der Bestimmung des Preisausschreibens, wonach
mit dem ersten Preisträger in Verhandlungen zu treten ist, hat der
technische Ausschuß — unbeschadet der dem Gesammt-Comitee zustehen
den definitiven Entscheidung — vorbereitende Verhandlungen mit
Herrn Professor Wiese angeknüpft.
Der dermalige Stand derselben ergibt sich aus dem in Abschrift
anliegenden Wiese'schen Schreiben.
In der Sitzung des technischen Ausschusses sind sehr erhebliche
Bedenken gegen die Uebertragung der Ausführung des Denkmals an
den ersten Preisträger zur Sprache gekommen. Zwar wurde nicht
verkannt, daß es überhaupt für eine so vielköpfige und im Ganzen
nichts weniger als sachverständige Versammlung, wie sie das große
Grimm-Comitee darstellt, in hohem Grade mißlich sei, sich über einen
fast einstimmigen Beschluß so hervorragender Preisrichter hinwegzu
setzen , zumal gerade die beiden nachträglich von der Stadt und dem
Comitee berufenen, also in keiner Weise von der Landeskunstkommission
und früheren Beschlüssen derselben beeinflußten Jurors sich besonders
warm, ja begeistert für die Wiese'sche Ballustradenskizze ausgesprochen
haben. Allein nichts destoweniger muß mit der Thatsache gerechnet
werden, daß der Schiedsspruch in Hanau und in Künstlerkreisen all
gemein enttäuscht hat, daß diese zum Theil recht bittere Empfindung
der Enttäuschung bei weitaus der Mehrzahl der Mitglieder des großen
Comitee's trotz der von gewisser Seite und auch in der Presse unter
nommenen Beschwichtigungsversuche noch nicht verschwunden ist, und
daß die Entscheidung und Begründung des Preisgerichtes um so
weniger zu überzeugen vermag, als man sich Angesichts der im Nach
trage empfohlenen Abänderungen fragt, ob denn nicht diese oder jene
Mängel des von der Kritik und dem Publikum fast einstimmig ge
krönten Eberlei n'schen Entwurfes durch Modifikationsvorschläge
ebenso gut beseitigt werden könnten, wie diejenigen des in .Hanau
allerwegen abfällig beurtheilten Wiese'schen Ballustradenmodells, oder
ob es sich nicht empfehle, die in der That sehr schöne und vornehme
Modellskizze des Professors Eberle in München, die allerdings kaum
auf den Marktplatz passen würde, unter Aufgabe dieses Standortes
zur Ausführung zu bringen.
In diesem Dilemma hat der technische Ausschuß auf meinen
Antrag weiter beschlossen, daß der Geheime Rath Herr Professor
Hermann Grimm gebeten werden soll, auf seiner Ende April bevor
stehenden Rückreise von Rom nach Hanau jit kommen, sich die Modell
skizzen , von denen er theilweise wenigstens bereits Abbildungen er
halten hat, anzusehen, uns beiräthig zu werden und eventuell mit Herrn
Professor Wiese in Verhandlungen zu treten. Wir glaubten damit
einerseits eine Pietätspflicht gegen den zumal bei seinem hervorragen
den Sachverständniß nicht zu umgehenden Sohn und Neffen zu erfüllen
und andererseits einen Ausweg zu finden, der, wenn dann die Ent
scheidung zu Gunsten Wiese's fällt, uns im technischen Ausschüsse deckt
und auch für das große Comitee, das erst nach Grimm's Ankunft be
rufen werden soll, voraussichtlich maßgebend sein wird.
Ob sich Herr Professor Grimm für den Wiese'schen Entwurf
entscheiden wird, ist mir persönlich mit Rücksicht auf seine hier in
Hanau früher mir gegenüber ausgesprochenen Ansichten sehr zweifel
haft. Denn — ganz abgesehen von dem eigenthümlichen, architektonisch
und ästhetisch so anfechtbaren Ballustradenprojekt — ist der
wesentlichste Einwand, den man gegen die Wiese'sche Hauptgruppe
erheben kann und muß, der, daß die beiden Grimm's in so foreirter
Haltung, in einer so sehr nach dramatischein Ausdruck ringenden Pose
repräsentativen Gebahrens und überhaupt so hingestellt und hingesetzt
sind, daß sie, ihrem wahren Wesen so durchaus fremd, wie Personen