'M 112 Erste Beilage zur Kömgl- privilegirtm Berlimschen Zeitrmg. 186VZ
Sonntag den 1^. Mai.
Maifeier und Allerdettigen in Irland.
Eine Culturstudie von Juliuö Rodenberg.
Die erste und ursprüngliche Eintheiluug des irischen
Jahres war in Sommer (Sumradh) und Winter
(Geimridh). Der Sommer währte von Mai (Baltaine)
bis November (Samain); der Winter vom November bis
Mai. Der letzte Oktober hieß deswegen Samhuin,
Sommerende; der letzte April Nech-na-Baltaine, Vor.
abend des Mai. Auf beide Tage beziehen sich noch die
aus der Zeit des altheidnischen NaturdienstcS übrig ge
bliebenen Gebräuche von Maifeier und Allerheiligen, in«
dem die Missionäre für ihre Thätigkeit es liebten, an alt.
heidnische Feste anzuknüpfen, und durch Substituirrmg
christlicher Ideen ihnen eine neue Bedeutung zu geben.
Baltaine war daö groß» Druidenfest Alt-Jrlands; zahl-
reiche Beschreibungen dcsselbcn finden sich noch in den fin-
nianischen Gesäugen. Eine große, glänzende Versammlung
aller Fürsten, Edlen und Barden von Irland fand sich,
um es zu feiern, im Palafle des Oberkönigs von Tara
ein; alle Feuer im Lande wurden in dieser Nacht ausge
löscht und nur die einsame, heilige Flamme des Ober-
druiden von Tara ward unter Gebet und religiö-
sen Mysterien erhalten bis Sonnenaufgang, wo die
dunklen Heerdstellen von ihr sich neues Licht und neue
Wärme holten. Diese Flamme ward in jener denkwür-
Ligen Nacht, von der die Mönchschroniken und Heiligen
legenden berichten, durch Patrick, den Apostel von Irland,
verlöscht, als er die neue Lehre den versammelt n Fürsten
des Landes predigen wollte. Dunkelheit herrschte nun in
ganz Irland; aber als am andern Morgen die Leute von
den Heerdstellen kamen, da war eS daS neue Licht und die
neue Wärme des Christenthums, die sie heimbrachten. DaS
Ende deS Heidcnthums, der Anfang des Christenthums
in Irland find in diesem Symbol aufbewahrt; die Flamme
von Tara ist ausgethan für immer, aber die Maifeuer
leuchten noch. Zwar bemühten sich die geistlichen Lehrer
des Volkes, diesem Gebrauch den neuen christlichen Hin-
tergrund zu geben, indem sie ihn auf den ZohanniSabend
zu verlegen suchten; aber nicht in allen Theilen Irlands
drangen sie damit durch. In vielen, man könnte sagen
den meisten, wird daS Maifest noch gefeiert, und der Mit
telpunkt teffelben, um den sich alle Gebräuche und Trabi-
tionen gruppiren, ist daS Maifeuer. Spuren des alt-iri
schen Elementardienstes, welchem das Feuer und daS Was-
fer geheiligt waren, haben sich reichlich in jenen Ueberlie
ferungen erhalten. '' ■ • :
Schon Wochen vor dem letzten April suchen tumultui-
rende Knabenschwärme sich „etwas für die Freudenfeuer"
zusammen. Sie plündern Dorf und Stadt und erheben
ihren „Zoll", wie sie eS nennen, von jeder Karre und je-
Dem Esel, der mit Torf beladen ist. Um diesen Torf von
einem hohen Wagen, oder — wo es sein müßte — heim
lich um die Ecke bringen zu können, tragen sie häufig
Stöcke, welche vorn mit einem eisernen Haken verse-
Herr find.
Wenn der Nachmittag deS letzten April gekommen ist,
fo beginnt jede Schaar gegen fünf Uhr- ihr besonderes
Feuer zu „bauen", wobei ein Paar „großer Brüder" (Er
wachsener) sie zu unterstützen pflegt. Auf dem Lande -
wo, beiläufig, die Herbeischaffung des Brennmaterials bei
Weitem nicht so viel Unruhe macht, da jeder Nachbar gern
lbereit ist, seinen Theil zu geben — werden Anhöhen; in
Len Städten offene Plätze vor denselben zu Feuerstellen
erwählt. Während des Aufbaues werden glühende Kohlen
in dis Mitte des Haufens gelegt und Zuglöcher an den
Seiten gelaffen, und mehrere Stunden lang, während das
schwarze Gebäude dampft und raucht, wird eö von einigen
Kindern und zweien oder dreien jener „großen Brüder"
bewacht, damit eS nicht von den Kindern eines andern
FeuerS angegriffen und geplündert werde. Der Torfhau.
fen ist oben mit Threrknochen, Kuh Hörnern und zuweilen
" geschmückt; mitz
eine Reihe
alter, brauner, schmiengrr Theertonnen; und die „Fodyo-
gues“ — Bündel von trockenen Binsen, oft zehn, zwölf
Fuß lang -7- liegen bereit. Gegen neun Uhr AbendS
schlägt die rothe Lohe heraus — dann fangen auch die
Theertonnen an zu leuchten Md die ;,Fodyogues“ vermeh
ren die Muth und die feurigen Zungen lecken ellenhoch in
die dunkle Nachtluft empor. Dann schimmert und scheint mit
einem Mal die ganze Landschaft von Flammen — von je
der Bergspitze im weiten Umkreis steigen sie empor, und
zahllos in der Ebene umher scheinen sie auS dem Boden
zu schlagen; und rund um die knisternden Feuer versam
meln sich Haufen von Männern und Frauen, Burschen
und Mädchen, lachend, plaudernd, schreiend und tanzend.
Die beliebtesten Maitänze find der „Ringeltanz" und
„Meiner Großmutt r ihre Nadel einfädeln", bei welchem
letzteren sich Mädchen und Burschen anfassen und in
Schlangenwindungen den Weg auf. und nicderchasfiren,
zuweilen eine Meile weit. Die Burschen tragen dann gern
^rare Aeste oder Schlehen- und Weißdornzweige; die
Rädchen find mit Mniglocken und Schlüsselblumen be
kränzt.' In der Grafschaft Kilkenny ist eö Sitte, daß die
ser Tanz um den berühmten Feenhügel von Tibberoughey
geschieht. Voran wird der Maibaum getragen mit einem
gestickten Ball daran, den die vor der lefeten Fastenzeit
vcrheiratheien Frauen spenden^ neben dem Maibaum geht
ein Mann mit einem großen Schlüssel, um die alte Feeu-
festung zu öffnen. Nachdem er den Hut abgenommen,
dreimal geschneenund dreimal den Schlüssel vergeblich an
gesetzt hat, sagt er, „eS sei der rechte Schlüssel nichts
oder „es sei nicht der rechte alte Mai", und vertröstet seine
Gefolgschaft auf das nächste Jahr.
Unter den irischen Liedern, welche beim Tanzen um das
Maifeuer gesungen werden, ist daS mit der lieblichen, wohl
bekannten Melodie, zu welcher Thomas Moore sein „rieb
andrare were the gerns“ gedichtet, daS populärste. Diese
Melodie, weniger dunkel, als die Mehrzahl der anderen
irischen, ist von einem sanften und freundlichen Charakter.
Der Text beginnt mit folgenden Versen (die ich so schrei
ben werde, wie man sie ungefähr spricht):
Saara! Saaras boone ca Gaana,
Haganmr faia au Saura linn —
Sommer! Sommer! Milch geben die Kühe.
Wir haben den Sommer mit uns gebracht —
Gelbe Blumen und weiße Blumen,
Wir haben den Sommer mit uns gebracht.
Eine andere, im ganzen Celtenlande, auch in Irland be
liebte Maimelodie soll die sein, welche unter dem Namen.
Helston Eorey (so genannt nach Helston, einem Städtchen
in CornwalliS) bekannt ist. Sie bewegt sich in einem fröhli
chen und angenehmen Maße, und findet sich mitgetheilt bei
Gilbert (Ancient Christmas Carolo, London 1823). Der
in Cornwallis dazu gesungene Text findet sich vollständig
unter dem Titel „Furry-day song“ in Ellis's Ausgabe
von Brandt'S „Antiquities“ I., p. 224. und enthält die
Strophe:
For we were ap as sooa as any
For to fetch tbe aumrnör home;
The summer and the May, O,
For the ■ ammer now is come.
day,
oder
auch
tiü™ ÄMftKST«s'DtaieVfimbe «fjfe
Sisfjt teil wenn düö Vermöge« ausreichte, «eh
In dreien Lredern ist der Gedanke eines Frühlings
rrchtrger emeS Sommerfestes ausgedrückt, der sich
spaß noch in den Observanzen desselben weiter verfolgen
laßt. Wre wrr die Burschen und Mädchen beim Maitanz
bekränzt sahen, so dürfen Zweige
mrd Marglockchen, welche darum aus Irisch Lus-ubrich
Valtarne, Ba tarne - Sträuße heißen, auch an Thüren und
Fenstern nrcht fehlen. Besonders ist eö die Bergesche
(Krankrran), welche an diesem Tage für unentbehrlich er-
achter wrrd. Zwerge derselben werden in die vier Ecken
des Kornfeldes gepflänzt; der Eschen,weig ist da« beste
Mittel gegen Zaubere,. Man bindet dergleichen um da»