Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
ufer kurz nach der Zeit dieses Befreiungskriegs fällt, ist nicht außer Acht zu lasten.
Zufolge Rösler hatten die Rumänen während des Krieges Gelegenheit gehabt das
jenseitige Land kennen zu lernen, und manches, wie die Freundschaft mit den
Kumanen, die günstigen Weideplätze, die dünngesäete Bevölkerung, zog sie hinüber.
Muß es aber andrerseits nicht befremden daß die Auswanderung aus Bulgarien
gerade zu der Zeit begann als die Walachen hier zum erstenmal eine politische
Rolle und noch dazu eine glückliche spielten, daß dieselben zweihundert Jahre hier
die Blüthe des walachisch-bulgarischen Königreichs, dort das rascheste Wachsthum
der rumänischen Nationalität bezeichnen? Begreiflicher würde eine solche massen
hafte Auswanderung aus Bulgarien früher zur Zeit des Bulgarenschlächters oder
späterzurZeitSultan Murads gewesen sein, um byzantinischem oder türkischem Drucke
zu entgehen. Sollte daher nicht vielmehr eine innere Spaltung den hauptsächlich
sten Anstoß §uv Loslösung der Walachen aus der bulgarischen Gemeinschaft ge
geben haben? Denn von den Bulgaren sind in alter Zeit wenige nach Norden über
gesiedelt; zu diesen wenigen gehören die von Cserged, wie ihnen Rösler an einer
sprachlichen Antiquität nachweist. Allerdings waren die Slawen Bauern, die
Walachen aber Hirten, und als solche von ganz anderer Beweglichkeit: doch
gibt dieß keinen völlig genügenden Aufschluß. Es ist vor allem — wir wiederholen
es die Stellung der Walachen zu den Bulgaren im früheren Mittelalter welche
noch der Aufklärung bedarf.
Das Verhältniß -er Malerfchulen von Florenz und Siena
im 13. Jahrhundert zu den gleichzeitigen in Nmbrien und der
Mark Ancona.
II.*)
* ** In welch entschiedenem Gegensatz zu den angeführten Werken der floren-
tinischen Malerschule des 15. Jahrhunderts stehen die gleichzeitigen Malereien in
Umbrien und der Mark Aneoita! Man glaubt in ein anderes Land, jedenfalls in
ein anderes Jahrhundert versetzt zu sein. Das Studium derselben ist in hohem
Grad anziehend, wird uns aber nicht so leicht gemacht als das der Florentiner,
das uns kaum nöthigt über das Stadtgebiet hinauszugehen. Sind nun auch jetzt
viele Malerwerke der umbrischen Schule in der Akademie-Sammlung von Perugia
vereinigt, so ist uns doch zu genauer Kenntniß eine weitere Reise nach Borgo San
Sepolero, Cittü di Castello, Gubbio, Urbino, Fabriano, Mateliea, Sanseverino,
Gualdo, Foligno, Assisi re. und in die Städte jenseit der Apenninen nicht er
spart. Für einen allgemeinen Ueberblick wollen wir uns auch hier an die bedeu
tendsten Namen und Erscheinungen halten: Ottaviano di Martina Nelli, Gentile da
Fabriano, Pietro della Franeesca, Lorenzo und Jaeopo di Sanseverino, Giovanni
Boccati da Camerino, Benedetto Bonfigli, Mattes di Gualdo, Pietro Antonio
Mesastris, Niecolo Alunno, Fiorenzo di Lorenzo, Giovanni Santi, Pietro Perugino
und dessen Schule.
Hatte die Kunst des 14. Jahrhunderts in Florenz zu Anfang des 15. eine
vollkommene Umwandlung erfahren, so beharrte sie in Umbrien ohne Wandel auf
dem von altersher eingeschlagenen Wege wie ihn Oderigo im 13., Palmerucci im
14. Jahrhundert vorgezeichnet hatten. Ottaviano di Martmo Nelli hat nr^s in der
Madonna di Belvedere, einem Freseobild von 1403 in S. Maria nuova zu Gubbio,
ein Werk hinterlassen das für das ganze Jahrhundert der umbrischen Schule ihr
Gepräge gibt. Aus dieser heiligen Jungfrau blickt uns eine überirdische Ruhe
und göttliche Reinheit an, wie sie nur einmal noch dem beglückten Urbinaten in der
Madonna della Sedia erschienen ist, und die von inniger Andacht und Schönheit
belebte Engelschaar läßt uns ins Himmelreich einer kindlich frommen ungetrübten
Phantasie schauen. Wenn seine „Geschichte der Maria" in der Capella Trinci im
Präfecturpalast zu Foligno von 1424 weniger anspricht, so dürfte die Ursache in
dem Unterschied zwischen lyrischer und dramatischer Kunst liegen, welche letztere mit
ihrer Anforderung an Objectivität der umbrischen Schule noch fern lag. Es tritt
dieß mit noch größerer Entschiedenheit bei einem andern Meister derselben hervor,
bei Pietro della Franeesca, besten Fresken in San Francesco zu Arezzo nach der
Legende von der Auffindung des hl. Kreuzes nicht entfernt den Genius ahnen
lasten als den wir ihn in seiner Vaterstadt Borgo Sansepolcro wiederfinden, wo eine
beträchtliche Anzahl von Altarwerken und Fresken von unvergleichlichem Werthe
seinen Ruhm begründen und verewigen. Von allen erinnere ich nur an den auf
erstehenden Christus in dem Versammlungssaale des Monte di Pietö. Kein Künstler
älterer oder neuer Zeit hat den Heiland mit so überzeugender Gewalt als den Sie
ger über Leben und Tod, mit so unantastbar eigener Ueberzeugung als den leben
digen Gott dargestellt, als es Pietro in diesem Bilde gethan. Gentile da Fabriano
soll nach Vasari's Angabe zahllose Werke in Gubbio, den Marken und dem ganzen
Staat von Urbino sowie in seiner Vaterstadt ausgeführt haben, von denen Vasari
selbst noch viele gesehen hat. Ich bin so glücklich nicht gewesen.- Nirgends in
diesen Gegenden habe ich ein Bild von ihm gefunden, und selbst. ?zu dem kleinen
Rest eines größern Gemäldes, der in einem Haus seiner Vaterstadt aufbewahrt
wird, konnte ich nicht gelangen, da „il Signore in campagua,“ und die Wohnung
während seines Landaufenthalts auch für die Dienerschaft unzugänglich war.
Gentile hat sich frühzeitig nach Florenz gewendet und seiner umbrischen Sinnes
richtung gemäß an Fiesole angeschlossen, so eng daß Vasari ihn in der Zahl seiner
Schüler aufführt. Sowohl in dem Altargemälde in S. Niccolo als in der An
betung der Könige in der Sammlung der Akademie zu Florenz hält er sich streng
im Bereich frommer Anschauung und idealer auf kirchlichen Glanz berechneter Dar
stellung, und somit durchaus fern von dem zur Herrschaft gelangenden florentini-
schen Kunstgeist. Diesem nähern sich in etwas die beiden Brüder Lorenzo und
Jacopo di Sanseverino, deren Geschichte des Täufers Johannes, sowie die Kreuzi
gung Christi in S. Giovanni Batt. in Urbino vom Jahr 1414 durch leidenschaft
liche Darstellung eine Annäherung an realistische Auffassung kundgibt, die nur durch
die sichtbare Vorliebe für Schönheit der Form im Gebiete des Idealismus gehalten
wird. Sicher dagegen geleitet vom Genius der Schule sehen wir Giovanni Boc
cati da Camerino, bei welchem indessen bereits kirchlich religiöse Vorschrift und
reines künstlerisches Gefühl sich nicht mehr vollkommen durchdrungen, wie anc
deutlichsten das große Altarbild aus S. Domenico in Perugia (jetzt in der dortigen
öffentlichen Sammlung) darthut, wo die Madonna auf dem Thron von Heiligen
und vornehmlich von musicirenden Engeln umgeben ist, aus denen die Seligkeit nicht
spricht, wie sie der Künstler wohl beabsichtigt haben mag. Benedetto Bonfigli lie
fert seiner Vaterstadt Perugia 1454 ff. in seinen geschichtlichen Darstellungen aus
dem Leben der hl. Ludwig und Herculanus im öffentlichen Palast zu Perugia noch
einmal den Beweis daß die umbrische Schule dramatischen Aufgaben nicht gewach
sen sei. Dafür sind seine Madonnen, Christuskinder und Heiligen heiter, klar und
warm und seine Passionsengel von tiefer inniger Empfindung, die vielleicht nur
von einer diesem Künstler eigenen Putzsucht, die bald in der Schule zur Herrschaft
kam, etwas kühl angeweht wird. Von dieser noch vollkommen frei ist Pier Antonio
Mesastris, dessen edler feiner Geist in der Himmels klaren lieblich ausdrucksvollen
Madonna zwischen Engeln und Heiligen über dem Eingang zu S. Lucia in Foligno
auf wohlthuendste Weise an Fiesole erinnert. Wie aber soll ich Niccolo Alunno
von Foligno genügend preisen, diesen Stern erster Größe der umbrischen Schule?
Lange Zeit war es ungewiß, und ist es vielen vielleicht noch, ob das unvergleichlich
herrliche Bild der Verkündigung, ehedem in S. Maria nuova zu Perugia vom Jahr
1466, nun in der öffentlichen Sammlung, von Alunno sei oder nicht, da Arbeiten von
ihm im Vatican wie in der Brera zu Mailand dem zu widersprechen scheinen.
Gegenüber aber seinen durch Unterschrift beglaubigten Altarwerken, der Krönung
Mariä in S. Niccolo zu Foligno, vornehmlich aber dem fünftheiligen Altarwerk
im Dom von Sanseverino mit der jungfräulich reinen und feinen Madonna und
dem Engelchor von mädchenhafter Unschuld, und dem vierzehntheiligen Altarwerk
im Dom zu Gualdo vom Jahr 1471 mit der Anbetung des heiligen Kindes, voll
hohen Schönheitsinnes und tiefer religiöser Empfindtrng, kann ein Zweifel nicht
einen Augenblick länger bestehen an seiner'Urheberschaft des bezeichneten Bildes
aus S. Maria nuova in Perugia, dessen Schönheit mit entzückender Gewalt auf
jedes nur leidlich empfindende Gemüth wirken muß. Auch Fiorenzo di Lorenzo
muß noch zu den hervorragenden Meistern der Schule gerechnet werden; wie denn
unter andern: sein Altarwerk vom Jahr 1487 irr der öffentlichen Sammlung zu
Perugia mit den Aposteln Petrus und Paulus, wenn auch ohne Charakterzeichnung,
große Schönheiten, freilich aber auch schon gesuchte Contraste in den Bewegungen
enthält, die fortan ein leidiges Merkmal der Schule sind. Noch leidlich gemäßigt
und durch überwiegende Vorzüge zurückgedrängt, sehen wir sie in den Werken von
Giovanni Santi, dem Vater Raphaels, bei welchem die traditionelle Auffassung
der Schule gewissermaßen in ein System gebracht, der kirchlich religiöse Eindruck
durch eine strenge symmetrische Anordnung und rituelle Bewegungen gewahrt er
scheint, während Wahrheit und Innigkeit des Gefühls aus den Physiognomien
und der Sinn für das Schöne und Liebliche aus seinen Madonnen und Christus
kindern, vornehmlich aber aus den in Wolken schwebenden Engelköpfchen spricht.
Ich erinnere nur von vielen seiner Werke an das Altargemälde, Madonna auf dem
Thron zwischen Heiligen in S. Domenico zu Cagli, und an das ergreifende Bild
daneben vom todten Christus zwischen den Heiligen Hieronymus und Franz; an
sein Altarwerk mit der Familie Buti in S. Francesco zu Urbino und an den
Hauptaltar in S. Croce zu Fano, wo über der Madonna und den Heiligen neben
'hr der Himmel voll geflügelter Engelköpfchen ist. Allmählich war auch den Mei
stern der Schule der Sinn erschlosten für die Bedeutung der Farbenkrast und Har
monie, für die feierliche und festliche Stimmung der kirchlichen Bilder; und Gio
vanni Santi muß unter den ersten genannt werden welche erfolgreiche Schritte
in dieser Richtung gethan, wie er denn auch die Technik der Fresco- wie der Oel-
malerei in großer Vollkommenheit inne hatte. So hatte allmählich die Maler
schule Umbriens und der Mark ihre ursprünglichen und eigenthümlichen Anlagen
bis zu einem Grad entwickelt über welchen sie ohne Hinzutritt eines neuen Ele
ments nicht hinauf konnte. Der Künstler dem diese Bedingung zuerst klar wurde,
ist Pietro Vannucci, genannt Perugino (obschon er von Cittü della Pieve gebürtig
war.) *) Durch und durch beseelt vom Genius der umbrischen Schule, die er in
keinem Zeitraum seines langen thätigen Lebens verläugnet, fühlte er doch das
Drückende ihrer engen Umgränzung und erkannte die Möglichkeit einer Weiterbil
dung allein in Ueberschreitung derselben, in einer unmittelbaren Verbindung mit
der so weit vorausgeschrittenen florentinischen Malerschule. Er gieng nach Florenz,
er studierte die Gemälde der Capella Brancacci, die Fresken Ghirlandajo's, er ward
der Freund und Genosse Leonardo's — aber das Ziel zu erreichen das er erstrebte,
war erst dem beschieden den er erzog.
Suchen wir mm auch von der umbrischen Malerschule ein Gesammtbild zu
gewinnen, so sehen wir sie zunächst nicht nur ausschließlich auf kirchlich-religiöse
Aufgaben sich beschränken, sondern auch an der kirchlich-supranaturalistischen Auf
fassung derselben festhalten. Dem entsprechend ist die Anordnung ihrer Altarge
mälde feierlich, architektonisch, symmetrisch: die Darstellung ist ruhig, vornehmlich
anfangs ohne-eontrastirende Bewegungen, ausdrucksvoll, innig, wahr empfunden ^
über auch weich bis zur Schwäche und Kopfhängerei. Der Styl ist und bleibt
ideal, mit breiter Formengebung, ausgebildet vom Sinn für Schönheit und An
muth, aber ohne Anlehnung an gründliche Naturstudien, sowie selbst ohne Absicht
oder Fähigkeit Charaktere typisch zu gestalten. Die Anmuth geht in das Gesucht
schöne über, und verfällt zuletzt in ausdrucklose zierliche oder auch gezwungene Be
wegungen. Gleichzeitig tritt eine Lust an Putz und Verzierungen ein, die nicht
selten jede Charakteristik aufhebt. Zeichnung und Modellirung sind anfangs un
vollkommen; die Carnation ist sehr licht mit grauen oder gelblichen Schatten,
die Farbe der Gewänder unsicher, bis gegen Ende des Jahrhunderts eine kräftige
Färbung Eingang findet. Auf die technische Ausführung ist von Anbeginn
große Sorgfalt verwandt worden.
*) Wohl wirkte in verwandter Weise auch der um einige Jahre jüngrre Bernardino
Pinturicchio. Da er indeß — anfangs und viele Jahre in Re,m und Orvieto
beschäftigt — erst am Ende des Jahrhunderts in das Kunstlcben von Perugia ein»
tritt, so würbe hier nur von ihm zu beuchten sein daß er wahrscheinlich dem F'vrenzo
di Lorenz» seine erste Kunst Mung verdankt.
*) S. Allg. Ztg. Nr. 86, Beil.