Full text: Zeitungsausschnitte über Allg. Kunstgeschichte

sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N 
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die Auffassung Jesu als den Vollender der alten Bundesreligion. Hier allein 
findet er die Möglichkeit gegeben einen positiven Glauben mit der freiesten For 
schung zu vereinigen, und darin hat er unbestreitbar das Richtige erkannt. Nur 
durch immer tiefere Durchdringung des historischen Stoffes mit dem Lichte der Idee 
und innigere Verbindung der geschichtlichen Forschung mit der Spéculation läßt 
sich die Frage nach dem Ursprung und dem Wesen des Christenthums einer end 
lichen Lösung zuführen. 
Endgültiges geleistet zu haben behauptet der Verfasser selbst am wenigsten. 
Aber er ist sich bewußt einer sehr zeitgemäßen Friedensarbeit Zeit und Kraft ge 
widmet zu haben. Nach keiner Seite hin durch scharfe Polemik verletzend, hat er 
das „heilige Bild des Friedensfürsten" nach dem Maße seines wohldurchdachten 
kritischen Standpunktes dargestellt, um bei dem innern Ausbau unseres nationalen 
Lebens „zur Läuterung und Vertiefung §der religiösen Ueberzeugung und zur 
Pflege eines srischentund fröhlichen Glaubens" auch seinen Beitrag zu liefern, da 
mit die von dem Mark und Herzblut unseres Volkes isich nährenden Giftpflanzen 
des Aberglaubens, der Intoleranz, der Gleichgültigkeit beseitigt werden und zur 
politischen Einheit auch die religiöse sich geselle. 
Aber auch dieser Friedensversuch hat nur die Unversöhnlichkeit des ortho 
doxen Standpunktes mit der Wissenschaft an den Tag gelegt. Kaum ist das Buch 
in die Welt getreten, da erschallen auch schon die Anklagen: „es läugne die gött 
liche Herrlichkeit des Erlösers und zerstöre die christlichen Glaubensfundamente." 
Anstättdurch wissenschaftliche Kritikdie etwaigen Schwächen, Mängel, voreiligen Be 
hauptungen, unhaltbaren Hypothesen aufzudecken und dadurch die gemeinsame Ange 
legenheit der christlichen Erkenntniß zu fördern, wird gleich der Superintendent inBe- 
wegung gesetzt, kirchenregimentlicheMaßregelung inAussicht gestellt, mitProtesten auf 
den Synoden und mit anderen Sturmvögeln gedroht, wenn die Maßregelung nicht vor 
sich gehen,nicht bis zur Amtsentsetzung dieses „Ungläubigen" führen sollte. Der Gene 
ralsuperintendent, welcher den Verfasser dieses so schwer und, wir dürfen hinzufügen, 
so durchaus ungerecht incriminirten „Lebens Jesu" als einen ehrenwerthen Cha 
rakter und tüchtigen Geistlichen kennt, und glücklicherweise Selbständigkeit genug 
besitzt um sich von der Partei der specifisch Gläubigen nicht ins Schlepptau nehmen 
zu lassen, stattete demselben einen persönlichen Besuch in Sobernheim ab. Aber 
eine Vernehmung vor dem Consistorium in Coblenz über seine Stellung zum Be 
kenntniß- und Ordinationsgelübde konnte ihm nicht erspart werden. Da er seine 
Erklärungen ganz entsprechend dem in jenem Buche, welches den einzigen Anlaß zur 
Anklage gegeben, ausgesprochenen Grundsätzen deponirt und die Gemeinde ein nur 
desto lebhafteres Interesse an ihrem schon längst von ihr geachteten Geistlichen ge 
nommen hat, so ist Absetzung Wohl nicht zu befürchten. Aber damit ist die Lage 
der Kirche noch nicht gebessert, der intolerante und herrschsüchtige Jnfallibilisu ms 
noch nicht gebrochen. Es gibt für die protestantische Kirche Deutschlands überhaupt 
keinen Ausweg mehr aus den Untiefen des orthodoxen Jnfallibilismus als eine 
freiere Stellung zu den kirchlichen Bekenntnissen, und wenn eine Landeskirche die 
Aufgabe hat hier bahnbrechend voranzugehen, so ist es die preußische.' Durch die 
Union ist der alte Bekenntnißzwang im Princip längst aufgehoben: jeder Versuch 
ihn wieder in Anwendung zu bringen ist eine Verletzung der ehrwürdigen und ver 
heißungsvollen Kirchenstiftung des Königs Friedrich Wilhelm III. Mit der 
Schwächung des kirchlichen UmonSPrincips schwindet aber auch das Vertrauen 
welches der gebildete Theil der Nation in Preußen bisher gesetzt. Möchte der neue 
Cultusminister weiterer Schwächung dieses Princips und der wissenschaftlichen 
Freiheit bei Zeiten Einhalt thun! 
Girr italienisches Knnstjonrnal. 
U Florenz, im März. In Perugia ist ein Unternehmen ins Leben ge 
treten welches Aufmunterung und Unterstützung verdient. Es ist das „Giornale 
di Erudizione artistica," herausgegeben von der Commission für die Erhaltung der 
Kunstdenkmale Umbriens. Das von dem rühmlichst bekannten Alterthumsforscher 
Grafen G. C. Conestabile, dem städtischen Bibliothekar Professor Rosst und dem 
Grafen G. B. Rossi-Scotti unterzeichnete Programm hebt mit Recht hervor: daß 
eine periodische Publication welche die Schätze der Archive und Sammlungen im 
Fache der schönen Künste ans Licht bringt, Italien nicht fehlen dürfte, und die Na 
tionalehre es heischt daß man mit dem Fleiße von Ausländern zu wetteifern strebe, 
welche fortwährend Forschungen über die Monumente des Landes anstellen und 
deren Ergebnisse veröffentlichen. Kunstjournale haben diesseit der Alpen kein 
günstiges Geschick erlebt. Die in Venedig, Nom und anderwärts gemachten Ver 
suche sind mißlungen. Hoffentlich ergeht es dem gegenwärtigen besser. Das erste 
Heft von 32 S. gr. 8. liegt vor, monatlich sollen ähnliche folgen, zum Preise von 
15 Franken für den Jahrgang. Dem Umfang wie dem Inhalt nach scheint das 
neue Blatt sich den Zahn'schen Jahrbüchern für Kunstwissenschaft annähern zu 
wollen. 
Das erste Heft beginnt mit einer Reihe von Urkunden über die dem Vra- 
mante zugeschriebene Kirche Santa Maria della Consolazione zu Todi, welche im 
1.1869 von dem Architekten Paul Laspeyres in Berlin zum Gegenstand einer 
dankenswerthen, mit sorgfältigen Abbildungen ausgestatteten Publication gemacht 
wurde. Die Einsicht der Urkunden führt zu dem überraschenden Resultat daß 
weder Bramante noch sein Schüler Ventura Vitoni, die als planangebende und 
ausführende Architekten genannt wurden, an dem im 1.1508 begonnenen Bau 
Antheil gehabt haben (wenigstens kommen ihre Namen nirgend vor), während wir 
bloß unbekannten Leuten und „Maestri Muratori" begegnen und nur im I. 1518 
Baldassar Peruzzi consultirt ward. Der namhafteste, im Grunde der einzige nam 
hafte Architekt war, im I. 1597, der Orvietaner Jppvlito Scalza. Die letzten 
Urkunden, vom I. 1602, betreffen die großen Marmorwappen der Gemeinde. 
Daß ein Werk dieser Art, in seiner Conception als Kuppelbau bewunderungswür 
dig, wenngleich im Detail hie und da ungleich, von irgendeinem untergeordneten 
Künstler entworfen worden ist, erregt höchstes Erstaunen. Daß aber Bramante's 
Name in den betreffenden Urkunden ganz verschwiegen sein sollte, wenn der Plan 
wirklich von ihm herrührte, ist andrerseits nicht anzunehmen, und so haben wir hier 
ein merkwürdiges Beispiel der Fruchtbarkeit dieser vielfach gesegneten, wenngleich 
in mancher Beziehung schwer genug getroffenen Zeit. Das folgende Stück ist ein 
Contract Luca Signorelli's vom I. 15]5, wodurch dieser ein später nach Citta di 
Castello gekommenes Bild für einen zu Montone im Peruginischen wohnenden 
französischen Arzt, aus Rhodez, zu malen unternimmt, ohne Bezahlung, aber unter 
der Bedingung daß der Besteller ihm und den Seinigen in Krankheitsfällen Hülfe 
leiste, wo immer es sein möge. Die übrigen Beiträge beziehen sich auf die in der 
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in dem (im I. 1848 zerstörten) Fort von 
Perugia befindliche Artillerie, auf die Geschicke der vor dem Dom gedachter Stadt 
aufgestellten Erzstatue Papst Julius' III. und die Beerdigung des Neffen dieses 
Papstes, des bekannten Kriegsmannes Ascanio della Corgna. 
Diese kurze Aufzählung wird hinreichen um zu zeigen daß die Zeitschrift eine» 
guten Anfang gemacht hat. Der Dokumenten- und Notizenschatz, welchen Profes 
sor Rossi in den umbrischen Archiven gesammelt, verspricht des Interessanten viel. 
Andrerseits ist jedoch zu wünschen daß der Kreis der Thätigkeit und Theilnahme 
sich über die Gränzen einer Provinz hinaus erweitere, denn nur dann wird das 
Unternehmen von allgemeinerem Nutzen sein wenn es für die urkundliche Kunstfor 
schung in Italien überhaupt ein Organ wird. 
Die Landwehr i« ciSleithanischen Oesterreich. 
*#* Wien, Mitte März. Die Landwehr der im Reichsrathe vertretenen 
Königreiche und Länder ist hinter der Iransleithanischen weit zurückgeblieben. Die 
Organisation der letzteren ist nahezu vollständig durchgeführt, die erstere steht fast nur 
auf dem Papier. Die ungarische hat schon im vergangenen Jahr in größeren 
Truppenkörpern mit Abtheilungen des stehenden Heeres manövrirt, und Proben 
ihrer taktischen Ausbildung und militärischen Tüchtigkeit abgegeben, die auch bei 
ausländischen Officieren Anerkennung gefunden haben. Die cisleithanische wurde 
bisher als Stiefkind behandelt: niemand kümmerte sich um sie, auch jene nicht de 
nen ihre Pflege als specielle Aufgabe zugewiesen war. Vielleicht hielt man sie für 
eine zu wenig conservative Institution; vielleicht liebte man sie nicht weil sie von 
dem Wesen des Berufssoldaten nicht genug an sich hat. Und doch .hätte man ge 
rade an den Erfahrungen mit der ungarischen Landwehr Gelegenheit gehabt in 
diesem Fall anderen Sinnes zu werden. Allgemein hatte man gefürchtet: die 
Honveds würden eine Revolutionsarmee oder doch ein specifisch ungarisches Heer 
werden. Weder das eine ist geschehen, noch das andere. Oesterreich ist auch dcr 
wieder einmal das „Reich der Unwahrscheinlichkeiten" gewesen. Die Honvedschaft 
ist allermindestens so gut kaiserlich—schwarzgelb, soweit das möglich in Ungarn — 
gesinnt als das stehendeHeer. Die Antipathien des letzteren, zumal des Officiercorps, 
gegen die Honveds sind in dieser Beziehung wenigstens nicht gerechtfertigt. Die 
äußerste Linke der Pester Deputirtentafel, der heute ein Revolutiönchen nicht übel 
in den Kram passen möchte, wird gut thun dieser Stimmung der Honvedschaft 
eingedenk zu sein. 
Unser jetziger Minister für Landesvertheidigung, Hr. v. Horst, will nach 
holen was seine Vorgänger versäumt und vernachlässigt haben. Er hat zu diesem 
Ende dem Abgeordnetenhaus in der Sitzung am 13 d. M. einen Gesetzentwurf 
vorlegen lassen. Zum Verständniß der Vorlage ist nothwendig daran zu erinner» 
daß die österreichisch-ungarische Landwehr nicht so organisirt ist wie die fremdländi 
sche. In anderen Staaten besteht sie nur aus Reservisten die ihrer Dienstpflicht 
im stehenden Heere genügt haben, also aus altgedienten Soldaten. Bei uns ist 
das nur theilweise der Fall; zum andern Theil ergänzt sich die österreichisch 
ungarische Landwehr durch unmittelbare Recrutirung. Ihre Recruten müsse» 
eben so ausgebildet werden wie die des stehenden Heeres. Daran mangelte es bis 
jetzt diesseits der Leitha. Die cisleithanische Landwehr war großentheils bloß un 
geschultes Menschenmaterial, Kanonenfutter. Der in Rede stehende Gesetzentwurf 
des Ministers für Landesvertheidigung beantragt eigene Landwehr-Jnstructions- 
cadres für die Dauer von je einem Jahr zu errichten. Bisher entnahm man die 
Jnstructoren, Osficiere und Unterofficiere dem stehenden Heere. Das hatte seine 
Uebelstände. Unterofficiere, an denen auch in der Linie kein Ueberfluß ist, Ware» 
fast gar nicht zu erhalten. An Officieren gaben die Regimenter, wie begreiflich, 
nicht das beste, sondern das minder taugliche Material an die Landwehr ab. 
Dem soll nun durch die Bildung vonLandwehr-Jnstructionscadres abgehol 
fen werden. Die Landwehr will sich einen eigenen Unterofficiersstamm schaffen, 
um nicht auf die Linientruppe angewiesen zu sein. Dieß kann allerdings nur lang 
sam und allmählich geschehen. Leichter und schneller wird manJnstructionsoificiere 
erhalten. Es gibt im stehenden Heer eine sehr große Menge von überzähligen, 
disponiblen Officieren, die eine geringere Gage beziehen als ihre die volle Compe- 
tenz genießenden Cameraden. Supernumeräre Officiere werden leicht für die Land 
wehr zu gewinnen sein wenn ihnen der Gage-Unterschied aufgezahlt wird. Damit 
ist zweierlei erreicht. Man wird für die Landwehr gute Jnstructoren in genügen 
der Zahl haben, ohne auf die Linie angewiesen zu sein und dieser dadurch Abbruch 
zuzufügen. Dann wird man nicht mehr nöthig haben die Jnstructionszeit für 
einen ganzen Truppenkörper der Landwehr auf vierzehn Tage im Jahre zu 
beschränken, wie es bisher der Fall war. Die dem stehenden Heer entlehnte» 
Jnstructoren konnte nämlich die Landwehr nicht beliebig lange behalten, da ma» 
ihrer in der Linie selber bedurfte. Man mußte die Mannschaften einer 
ganzen Landwehrabtheilung, eines Bataillons, einer Brigade, in vierzehn Tage» 
auf einmal ausexerciren. Zu dem Ende war man gezwungen alte Landwehr 
männer dieser Abtheilung gleichzeitig einzuberufen und einzukleiden. Daß 
dieß nicht ohne Nachtheil für die volkswirthschaftlichen Interessen, für den 
Civilberuf der Landwehrmannschaft blieb, liegt am Tage. .Auch war die Zeit 
zu gering um mit dem gegebenen Material an Jnstructoren die gesammte 
Mannschaft einer Landwehrabtheilung auf einmal vollständig einzuüben. 
Bleiben selbständige hinreichende Jnstructionscadres das ganze Jahr stehen, so 
braucht man nicht mehr so viele Arme zu gleicher Zeit der landwirthschaftlichen 
Production, dem Gewerbe - und Fabrikstande zu entziehen. Man kann die Mann 
schaften ruckweise in kleinen Partien einziehen und rasch wieder entlassen. Durch
	        

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