© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
gutta erhalten (nach
wirklich abgereist.
einem Versailler Telegramm born 26. wäre er nun
Die Räumung der 6 Departements wird wahrscheinlich mit Ablauf
dieses Monats beendet sein.
Sehr ungehalten ist man über eine Notiz des Londoner „Globe"'
wonach verschiedene französische Generale bei verschiedenen Regiments
commandeuren sich über die Stimmung der Soldaten resp. für Napo
leon, Chambord und den Herzog v. Aumale erkundigt und zur Antwort
erhalten hätten, Napoleon habe noch immer die meisten Sympathien.
Die Regierungsblätter beeilen sich, die Geschichte für eine reine Erftn-
dung zu erklären, was sie auch wohl ist.
Eine Enthüllung älterer Art, die sich nicht auf den deutsch-fran
zösischen Krieg bezieht, offerirt heute der „Courrier diplomatique". Auf
d e Autorität eines alten Diplomaten erzählt das Blatt, Lord Russell
habe 1864 dem Kaiser Napoleon förmlich eine Defensiv- und Offensiv-
allian zzum Schutz Dänemarks hin gegen die deutschen Mächte vorgeschagen;
Napoleon habe dieselbe nach dreitägigem Bedenken angenommen, Lord
Russell indeß mit der Erklärung, daß es nun zu spät sei, seinen Vor
schlag zurückgezogen, da das Ministerconseil nichts mehr davon wissen
wolle.
Thiers wohnte heute in seiner Eigenschaft als Mitglied der Aca-
demie fran^aise der Sitzung der vereinten fünf Academien des In
stituts bei. Als er zu Fuß wieder fortging, soll er vom Pariser Publikum
sehr lebhaft acclamirt worden sein, was schon deshalb nicht zu ver
wundern ist, als er ein entschiedener Gegner derjenigen Mitglieder der
Nationalversammlung ist, welche durch Fernhalten der Executive und
Legislative Paris durchaus des hauptstädtischen Charakters entkleidet
wissen möchten.
Die Empfehlung Gambetta's, man möge sich in den Generalräthen
streng innerhalb der Schranken der Gesetzlichkeit halten, scheint wenig
gefruchtet zu haben; die Radicalsten der Nadicalcn lieben es nicht,
wenn eine hervorragende Persönlichkeit aus den Reihen der Partei
hervortritt, um auf eigene Faust demokratische Politik zu treiben, und
in den Berathungen und Gesprächen der Vorgeschrittenen kann man
bereits Gambetta, den Dictator von Tours und Bordeaux, sehr un-
gescheut als einen überwundenen Standpunkt und einen Mann kenn
zeichnen hören, dem es an der nöthigen Entschiedenheit mangele und
von dem sich die Partei unmöglich dürfe ins Schlepptau nehmen lassen.
Gelegentlich des Abzuges der deutschen Truppen bemerkt der Cor-
respondent der „Morning Post": So weit ich in Erfahrung bringen
kann, und soweit meine persönliche Beobachtung reicht, haben die
deutschen Truppen sich durchaus lobenswert!) verhalten. Stille, nicht
aufdringlich, nüchtern, ja selbst traurig aussehend, saßen sie beisammen,
wenn sie keinen Dienst hatten, rauchten ihre Pfeife und tauschten meist
ihre Gedanken über die Heimath aus. Sie hatten Ordre, möglichst
wenig zu den Franzosen zu sprechen und sich an giftige Blicke und be
leidigende Aeußerungen nicht zu kehren. Die Occupation führte zu
weniger Zusammenstößen als man hätte erwarten sollen, und ganz
sicher zu weniger als zu der Zeit, wo die Alliirten Frankreich in den
Tagen Napoleon I. besetzt hielten.
Bei dem Einzug der französischen Truppen in das von den Deut
schen geräumte St. Quentin jammerte der Maire in einer Ansprache
dem Bataillonschef vor, daß noch sechs Departements von dem Feinde
occupirt seien, und der Angeredete tröstete den schluchzenden Chauvin
damit, daß mit der nöthigen Geduld und Eintracht zwischen Armee und
Volk eine glänzende Revanche ganz sicher nicht ausbleiben könne. Immer
die alten Albernheiten.
Ob Hr. Drouyn de Lhuys wirklich einen kleinen diplomatischen
Feldzug gegen den armen Benedetti eröffnen wird, steht doch noch dahin.
Bei seiner notorischen Antipathie gegen Preußen resp. Deutschland
würde er an Benedetti's Stelle dem Kaiser vermuthlich noch schlimmere
Rathschläge gegeben haben. Thatsache ist, daß er unmittelbar nach
Sadowa ein Observationscorps an den Rhein gesendet wissen wollte,
obgleich man damals in Folge des mexikanischen Krieges nur über
125,000 Mann Soldaten verfügen konnte. Im Ministerrath, der die-
serhalb stattfand, wäre er damit auch durchgebrvngen, aber Rouher, der
nach demselben eine längere Unterredung mit dem Kaiser hatte, brachte
diesen von dem Entschluß ab. Von allen Leuten, die den Kaiser um
gaben, war Rouher derjenige, der bis zuletzt von einem Kriege gegen
Deutschland abrieth.
Im Hafen von Ajaccio liegen dermalen die Panzerschiff«- „cw«,,«,
„Armide" und „Jeanne d'Arc" nebst einem Avisodampfer. Nöthigcn-
falls können rasch noch weitere Schiffe zur Hand sein.
Nächstens muß nun Thiers die große Ceremonie der Bekleidung
mit dem Orden des goldenen Vließes an sich ausüben lassen. Der
Herzog von Ossuna und der Fürst von Ligne, ältere Ritter, sind bereits
unterwegs, um den neuesten Jason in ihre Mitte aufzunehmen.
Polizeipräfect Valentin, der von den Rückerinnerungen der bona-
partistischen Blätter an seine frühere edle Liebedienerei gegen den
Kaiser sehr unangenehm berührt worden ist, sucht diese lästigen Gesellen
Stickereien Im Anzug des knienden Mädchens zwar eine peinliche Sorgfalt
und Genauigkeit des Copisten, aber es ist die Sorgfalt der nachfahrenden
Schülerhand, diese Dinge sind dem Gemälde, nicht der Natur nach
gebildet und bei aller Gewissenhaftigkeit erscheinen sie doch flüchtig und
zrob. Je mehr man diese Details vergleicht, um so mehr bestätigt
nch der erste Eindruck, daß hier das frische, selbständige, auf Natur-
'tudium beruhende Kunstwerk, dort die unselbständige Wiederholung vor
unserem Auge steht.
Aber nun trennen sich die Wege. Bis dahin gingen zum Theil
auch die Vertheidiger der Dresdenerin mit. Nun erst, nach Aufgabe
der unhaltbaren Außenpositionen, pflanzen sie ihr schweres Vertheidi
gungsgeschütz auf. Gerade diese flüchtigere Behandlung der Familienköpse
wie alles Detailwerks, so sagen sie, beweist, daß es Holdem bei der
Wiederholung des Bildes um etwas ganz anderes zu thun war. Hatte
er im Auftrag des ihm befreundeten Bürgermeisters von Basel ein
Votivbild gemalt, das zugleich wesentlich Familienbild sein sollte, so
stellte sich nun in der Wiederholung dem Künstler eine ganz neue Auf
gabe. Das ältere Bild wurde ihm zur bloßen Vorstudie, die er jetzt
m wesentlichen Stücken verbesserte, ja umschuf. Vor Allem änderte er
die gedrücktenVerhältniffe der ganzen Composition, er machte die Archi
tektur, welche der Gruppe zum Hintergründe dient, schlanker und höher
und ließ sie weiter zurücktreten, so daß die Figuren ftnwr, wie von
einem Banne gelöst, sich herausstellen. Es ist als ob die einzelnen
Personen ordentlich aufathmeten, so zumal der Bürgermeister selbst,
der auf dem älteren Bilde kaum Platz zum Niederknien findet und
wenn er sich erhöbe, unbarmherzig den Kopf an den vortretenden Kl!auf
der Nische stoße. Ein leichterer Rhytmus belebt die ganze Gruppirung,
und endlich zeigt sich der vollendete Künstler in dem Kopf der Maria,
den er etwas kleiner genommen, sanfter geneigt, feiner geschnitten und
mit demReiz holdseligster Anmuth ausgestattet hat. So hat er sein eige
nes Bild überall ins Ideale gearbeitet, aus dem Irdischen erhob er es
ins Ueberirdische. MitVerzicht auf die Naturwahrheit des älteren Bildes
schuf er es in ein Werk um, das in den Verhältnissen, in dem harmoni
schen Aufbau der Gestalten und in dem Ausdruck der Hauptfigur
weit überlegen ist. Nicht mehr die Familie Meyer ist die Hauptsache,
sondern die Erscheinung der Himmelskönigin. Kurz, das zweite Bild
ist wesentlich eine Verbesserung, genauer Jdealisirung des ersten, und
— nur Holbein selbst hat diese Veränderungen vornehmen können.
Oder, so wird zuletzt triumphirend den Zweiflern zugerufen, so nennt
doch den Copisten, der sein Vorbild in allen Theilen verbesserte, nennt
den Unbekannten, der größer war, als Hans Holbein selbst.
Diese Argumentation klingt zuversichtlich genug. Doch bei näherer
Prüfung sind ihre Blößen augenscheinlich. Davon nicht zu reden, daß
es die Hauptfrage doch umgehen heißt, wenn man den Streit auf ein
fremdes Gebiet zieht und an die Stelle der Echtheitsfrage die Schöu-
heitsfrage schiebt oder wenigstens jene einseitig durch diese entscheiden
will. Aber wie, wenn nun das einzige Refugium der Dresdener, die
Behauptung, daß ihre Madonna die schönere sei, selbst wieder bestritten
wird?
Und so ist es in der That. Wenigstens erleidet das Mehr von
Schönheit, welches die Dresdener Madonna voraus hat, noch eine erheb
liche Einschränkung. Unstreitig hat ihr Kopf einen feineren, lieblicheren
Ausdruck, als ihre Darmstädter Schwester. Aber nun ist entdeckt und
von allen Seiten zugestanden worden, daß der Kopf der Darmstädter
Madonna Spuren starker Uebermalung zeige, daß somit deren Gesichts-
jetzi dadurch zu versöhnen, daß er eiscigst auf alle Carrieaturen der
Familie Bonaparte fahnde ° läßt.
Da, wie bekannt, innere der für die kaiserliche Politik compro-
mittirenden Papiere auf di Villa des Hrn. Rouher in Cer;ay gesun
den worden sind, so wolle ihn einige besonders enragirte Antibona-
partisten dafür zur Verantortung gezogen wissen; er hätte sie in den
Tuilerien lassen sollen.
Graf Arnim dinirte eser Tage beim Präsidenten der Republik
und wird überhaupt, wie mt der „K. Z." schreibt, mit vieler Aufmerk
samkeit behandelt. Darausaber den Schluß ziehen, wie dies hiesige
Blätter gethan haben, daß r bereits mit dem Finanzminister in Unter
handlungen bezüglich der Zhlung der fünften Halbnulliarde eingetreten
sei, die Pouyer-Quertier iidpCt. Renten auf den Staat zum Course
von 95 angeboten habe, hßt schlechterdings etwas voreilig zu Werke
gehen. Für den Augenblic hat der französische Finanzminister noch
kein Interesse auf Operation zu sinnen, welche über den 1. Mai 1872
hinausgehen, da die bis zu esem Datum übernommenen Vervflichtungen
seine Aufmerksamkeit vollas in Anspruch zu nehmen _ geeignet sind.
Was gar den angegebenen Zahlungsmodus anbetrifft, so ist selbstver
ständlich, daß unter erlistn Leuten davon keinen Moment die Rede
sein konnte.
Als Probe französische Statistik diene, daß Neu-Breisach, aus
welcher Stadt laut dem „irogres de Lyon" mehr denn 14,000 Ein
wohner eine Adresse an Ttxrs wegen Versetzung des Obersten Rohan
in Anklagestand gerichtet hbett sollen, nach der Zählung von Ende
1861 nur 3456 Einwohner >atte.
Aus der Broschüre desGeneral Palikao sei noch das nachstehende
Fragment wiedergegeben, * L
Vo-marsch gegen Norden
Metz, schreibt der General den einige ....
kühn zu tadeln versucht hakn, war es weit weniger, als das Unter
nehmen der 2. preußischen lrmee (Prinz Friedrich Karl und General
Steinmetz) vor Sadowa du 26. Juni 1866, als sie gegenüber der
österreichischen Armee, die in Besitz der Festungen Königsgrätz und
Josephstadt und an die Elb gelehnt war, durch die schlesischen Defileen
debouchirten. Dort war alls den Preußen entgegen, hier uns alles
günstig, da die Passagen de Maas bei Verdun und Charny uns ge
hörten. Dieselben Schriftstller haben auch den Flankenmarsch der
Armee von Chalons als Agesichts des Feindes gefährlich getadelt.
Aber häufig sind solche Masche ganz correct, vorausgesetzt nur, daß
sie mit der nöthigen Schneligkeit und Vorsicht ausgeführt werden.
Um nicht zu weit in der G schichte zurückzugehen, erinnere ich daran,
daß Friedrich, dieser groß Feldherr, 1760 von seinem Lager bei
Reichenbach aufbrechend, de preußische Armee durch einen raschen
Flankenmarsch vorgehen ließ um den Oesterreichern eine Schlacht zu
liefern und sich Torgaus zl bemächtigen. Gleichfalls durch einen
Flankenmarsch vor der russichen Armee führte Friedrich's berühmtester
General Seidlitz seine Trupien in die rechte Flanke der Russen bei
Zorndorf und warf sie mit finer Cavallerie nieder. Von den Flanken
märschen Napoleon's I. im Feldzug von 1814 gar nicht zu reden,
citire ich nur noch ein Beispiel, das mit dem 1870 Geschehenen eine
gewisse Analogie hat. In Jahre 1712 sah Frankreich, von den
Siegen des Prinzen Eugen und der Coalition gedrückt, dem Feinde
den Weg in seine Hauptstad: geöffnet. Seine letzte Armee, die des
Marschalls Villars, war cntmuthigt; um das Königreich zu retten,
mußte ein großer Schlag aechan werden. Das Genie dieses großen
Feldherrn combinirte den kühnsten und zugleich kräftigsten Schlag, der
überhaupt versucht werden konnte. Er nahm Denain und die Linien
von Marchiennes durch einen nächtlichen Flankenmarsch in geringer
Entfernung von der Armee des Prinzen Eugen, ja fast unt r seinen
Augen. Ueber diese Operation äußerte der Marschall von Sachsen,
der damals noch sehr jung als Adjutant des Prinzen Eugen zugegen
war: In der Affaire von Denain wäre Marschall Villars verloren
geivesen, wenn der Prinz Eugen gegen ihn vorgegangen wäre, als
er die Schelde durch einen Flankenmarsch passirte. Aber dieser
Flankenmarsch, der so gewagt schien, rettete Frankreich und
die Monarchie Ludwig's XIV. Mit Donain verloren die Alliirten
alle ihre Magazine, sie mußten die Belagerung der benachbarten
Städte ausgeben und aus den Besatzungen derselben vervollständigte
Villars sein Heer. Jedermann weiß, daß der , arößte Fehler-
o« w.,f-.. 0 v.ä O-tto-r,» Q»' iuiu ui ver zu großen Zerstreuung
der französischen Streitkräfte ftegcn die deutschen bestand. Man musste
also das entgegengesetzte System adoptireu, und da wir einen drei Mal
so starken Feind uns gegenüber hatten, so mußten wir auf einem ein
zigen Punkt eine compacte Masse zusammen bringen, die isolirt und
ohne Nachtheil der Zahl gegen jede feindliche Armee kämpfen
konnte. Dazu gab es nur ein Mittel, die Verein-gung der
Armeen von Chalons und Metz, und um diese zu bewirken,
mußte der Feind durch rasche Märsche getäuscht werden. Das
hatte denn auch in diesem Fall stattgefunden. Durch eine mit
ausdruck nicht der ursprüngliche, von Holbein's Hand herrührende 'sei.
Darauf wird dann die unverwerfliche Vermuthung gegründet, der
Meister des Dresdener Bildes habe noch das unverfälschte Original
vor sich gehabt, die noch nicht übermalte Madonna copirt und gebe
somit eine richtigere Anschauung des ursprünglichen Kopfes aus der
Hand Holbein's als das jetzt übermalte Original. Dabei kann aber
ferner nicht verschwiegen werden, daß man gerade in der Anmuth der
Dresdener Madonna einen bedenklich modernen Zug finden will, der
bereits auf andere Kunsteinflüsfe deute, und vor allem bleibt die Frage
unbeantwortet: wie konnte Holbein selbst, wenn er sein erstes Bild
verbessern und idealisiren wollte, im Kopf des Jesuskindes, der doch
unstreitig verunglückt ist, so weit unter seiner Aufgabe bleiben?
So schränkt sich denn der Vorzug des Dresdener Bildes in Wirk
lichkeit auf die schlankere Architectur und auf die besseren Verhält
nisse ein. Wir legen kein Gewicht darauf, daß Uebereifrige auch diese
Verbesserungen für sehr zweifelhaft halten wollen; jeder Unbefangene
wird in ihnen wirkliche Verbesserungen der Composition erkennen. Aber
man sieht, auf welche schmale Linie zuletzt die ganze Streitfrage zurück
gedrängt ist. Es handelt sich zuletzt darum, ob nicht diese Verbesserun
gen, welche übrig bleiben, auch ein begabter Copist ersinnen konnte, der
für Raumverhältnisse besonders empfindlich war, mit Vorliebe dem
Eleganten zustrebte und vielleicht an italienischen Vorbildern seinen
Geschmack gebildet hatte. Und wie will man im Ernst diese Möglichkeit
bestreiten? Wenigstens wird man niemals beweisen können, daß zu
diesen Verbesserungen die Hand Holbein's selbst nothwendig gewesen
sei, wenn doch in allem Uebrigen die beiden Bilder zugestandenermaßen
durchgreifende Verschiedenheiten zeigen, welche entschieden das eine Bild
zum Original, das andere zur ^opie machen.
In diesem Stadium befindet sich der Streit. Möglich, daß im
Laufe der Zeit noch weitere positive Momente aufgefunden werden,
welche ihm ein- für allemal ein Ende machen. Bis dahin wird eine
umsichtige Kritik das Urtheil fällen, daß die Aechtheit der Dresdener
Madonna zwar nicht schlechterdings in Abrede gestellt werden kann,
aber überaus unwahrscheinlich ist. Es gereicht der Wissenschaft nicht
zur Unehre, wenn sie in einem bestimmten Stadium irgend einer Streit
frage sich mit einem solchen Spruche begnügt und damit zu weiterer
Forschung verstärkten Anreiz giebt. Aber die Sache steht allerdings so,
daß die Vertheidiger der Aechtheit die Beweise für ihre Ansicht beizu
bringen haben, um die gewichtigen Gründe zu entkräften, welche gegen
die Identität der Autorschaft beider Bilder sprechen. Sind diese Gründe
nicht beizubringen, und tritt, was bisher als Hans Holbein's Hauptwerk
gefeiert ward, wirklich in den bescheidenen Rang einer „freien Copie"
zurück, so kann doch zum Glück Holbein's Name diesen Verlust ver
schmerzen. Die nun geschlossene Ausstellung seiner Werke, zu welcher
neben anderen Besitzern insbesondere die britische Königin die werth
vollsten Beiträge eingesandt hatte, gab zwar kein lückenloses Bild von
der Thätigkeit des schwäbischen Meisters, dessen bedeutendste Schöpfungen
ohnedies verloren sind, aber sic wies doch zumal einen Reichthum von
Portraits auf, die Holbein zu einem Meister ersten Ranges machen,
ebenbürtig jedem Niederländer odU Venetianer. Und auch die Dresdener
mögen sich in ihrem Schmerze Men. Bleibt doch ihr Museum das
reichste in Deutschland, und bleibt ihnen die unvergleichliche Perle dieser
Gallerte, Rafaels sixtinische MadpKNa — und sie können beruhigt sein,
daß kein vorberechtigtes Original irgendwo auferstehen wird, um diese
Gewaltige von ihrem Throne zu stoßen.
WUüsf,
k
4t. V. i
feem Marschall Mac Mahon verabredete Depesche irre geführt, hatte
der Kronprinz von Preußen seinen Marsch bis Vitry le Framcns
fortgesetzt. Dort, also 25 Lieues von Verdun, befand er sich noch am
26. Morgens. Wie sehr er sich auch beeilen mochte, unmöglich konnte
er am 27. oder auch nur am 28. jenseits der Maas auf der Höhe von
Verdun sein. Cs bedurfte dreier starken Tagemärsche, wenn man den
96 Kilometern directer Distanz zwischen beiden Städten noch d:e
Terrainschwierigkeiten hinzufügt. Die Schlacht, die spätestens am 26.
unvermeidlich war, konnte also nur zwischen den 135,000 oder wer n
man einen Verlust von 15,000 Mann unterwegs annimmt, 120,000
Mann des Marschall Mac Mahon und der Armee des Prinzen von
Sachsen, die höchstens 70,000 Mann zählte, stattfinden; sie mußte
zwischen Verdun und Etain in der Richtung von Brich vor sich gehen.
Hier bieten sich zwei Hypothesen. Entweder versuchte die preußische
Armee vor Metz die des Prinzen von Sachsen zu unterstützen. Dann
hatte sie die Armee Bazaines an ihren Fersen, die in den Kämpft n
am 14., 16. und 18. August sich allein gegen die vereinigten Armeen
der Preußen und Sachsen gehalten hatte. Die Position dieser beiden
deutschen Armeen zwischen den zwei französischen wurde dann sehr
kritisch und eine von den ersteren verlorene Schlacht ohne gesicherte
Rückzugslinie hätte den Stand der Dinge total geändert. Oder aber,
die Armee des Prinzen Friedrich Karl fuhr fort, lediglich die Armee
von Metz zu beobachten, dann hätte die sächsische Armee sehr wahr-
'cheinlich eine Niederlage erlitten, die sie auf die von Metz zurückwarf
und diese hätten sich zurückziehen müssen. Die Verbindung unserer
Armeen war damit erfolgt. Indem ich die Details des Marsches auf
Metz darlege, wie ich sie dem Ministerrath unterbreitete, bin ich fern
davon, die von dem Marschall Mae Mahon in anderer Weise versuchte
Operation eoutroliren zu ivollen. Im Gegentheil glaube ich, daß sie
durch die Defileen im Norden vollständig gelingen konnte und ich werde
durch die Aeußerung eines sächsischen Obersten bestärkt, der am 6.
September in Sedan selbst einem meiner Freunde gestanden, die
sächsische Armee habe sich einen Augenblick umgangen geglaubt.
Noch inehr tverden die Kritiker sich wundern, wenn ich ihnen
sage, daß der ^sächsische Prinz sich in demselben Sinne gegen
einen der ehrenwerthesten Generale ausgelassen hat, von denen
ich direct diese Thatsachen erfahren. Die Ursachen zu untersuchen,
welche dazu beigetragen haben, den von dem hochverehrten Marschall
conciptrten und ins Werk gesetzten Plan zum Scheitern zu bringen,
kommt mir nicht zu."
A m c r i k a.
* Newyork, 24. Oct. Die Bundesgesetze gegen die Polygamie
werden in Utah auf das Strengste gehandhabt und mehrere weitere
Verhaftungen haben stattgefunden. — Der Finanzminister Boutwell
hat die Ausgabe neuer Registrationspapiere für den Schuner „Horton",
an Stelle derer, die von den canadischen Behörden confiscirt worden
sind, verweigert, und ferner seine Entscheidung dahin abgegeben, daß
das Fahrzeug in Gloucester bleiben muß, bis die canadischen Behörden
irgend welche Schritte in der Angelegenheit gethan haben.
* Washington, 24. Oct. Auf einem heute stattgehabten Cabinets-
rath kam die Angelegenheit des Schuners „Horton" nicht zur Sprache.
Die Beschwerde, welche der amerikanische Gesandte in Hayti wegen
Neutralitätsbruchs in Sachen des Dampfers „Hörnet" erhoben hatte,
wurde gutgeheißen, doch wurde die Angelegenheit im friedlichen Sinne
beglichen.
Afrika.
* Der letzten südafrikanischen Post mit Daten aus Capstadt vom
20. September entnehmen ivir folgende Notizen: Lord Kimberley, der
englische Minister für die Colonie,' hat die Beamten der südafrikanischen
Colonialregierung wegen ihrer Opposition gegen die Politik der
britischen Reichsregierung entschieden getadelt. Der Gouverneur hat
dem Präsidenten des freien Staates mitgetheilt, da er nicht
geneigt scheine, die streitigen Grenzgebiete einer schiedsrichterlichen
Entscheidung zu unterbreiten, werde er, der Gouverneur, mit Bezug
auf dieses Gebiet sofortige Schritte thun, ohne auf die Regierung des
freien Staates weiter Rücksicht zu nehmen. In Victoriawest waren wie
derum bedeutende Diamantenentdeckungen gemacht worden.
— Frankfurt, 26. October. Hermann Böget, Redacteur der
„Frankfurter Zeitung", ist der Majestätsbcleidigung angeklagt. In
Nr. 201 des genannten Blattes befand sich ein Artikel „Zur Dotation",
in welchem, ivie die Anklage behauptet, eine Reihe beleidigender und
verläumderischer Angriffe gegen den General v. Mantcuffct enthalten
sind. Den dem Artikel beigedruckten Brief will die Zeitung von einem
höheren preußischen Officier, dessen Namen zu nennen Herr Böget sich
weigert, erhalten haben. Der angebliche Brief, führte die Oberstaatsanwalt
schaft aus, beschränke sich indeß nicht bloß auf eine Kritik des genann
ten Generals, sondern ziehe auch die allerhöchste Person Sr. Maj. des
Kaisers und Königs in einer für denselben beleidigenden Weise in den
Kreis der Besprechung und Beurtheilung. Es lverde namentlich bchaupet,
daß der General v.Manteuffel die besondereLiebe des Monarchen nicht etwa
durch seine Fähigkeiten und Verdienste als Feldherr vder als Staatsmann,
sondern durch feine Eigenschaften alsHvsmann, durch Mitwissenschaft dcli-
caterHofgcheimiusfe, durch Liebenswürdigkeit und Berufen auf seine Fröm
migkeit und gute Gesinnung und sein Verdienst um die Hohenzvllcr'sche
Dynastie erworben und ungeachtet des Widerspruchs der hervorragend
sten Staatsmänner sich erhalten habe. Hernach werde unterstellt, daß
der König, welcher im Jahre 1866 den General Vogel v. Falckenstein
uud im Jahre 1870 den General v. Steinmetz nur deshalb entfernt
habe, um die Commandostelle seinem Günstling, dem General v. Man-
teuffel, zu übertragen, denselben nicht zufolge seiner Verdienste und
Fähigkeiten, sondern aus reiner Persönlicher Vorliebe, mithin Pflicht
widrig, an die Spitze von Armeeabtheilungen gestellt habe rc.
Ferner, besagt die Anklage, wird in dem fraglichen Briefe behauptet,
Se. Maj. habe sich durch den Fürsten Bismarck und General v. Moltke
gewissermaßen dupiren lassen, als cr dem General v. Mantcuffel im
letzten Kriege eine Stelle als Oberbefehlshaber der Nordarmee und
dann der südlichen Armee verliehen habe. Nachdem General v. Man-
teuffel, wie auch die vorgesetzte Dienstbehörde, die Stellung eines Straf
antrages gegen den Redacteur der „Frankfurter Zeitung" abgelehnt haben,
konnte sich die Anklage nur auf die Verfolgung der von ihr behaupteten
Majestätsbeleidigung beschränken. Herr Oberstaatsanwalt «schmieden be
merkt in seiner Klagebegründung, der fragliche Artikel habe seiner Zeit
ern großes Aufsehen erregt, das durch die „Frankfurter Zeitung" selbst
veranlaßt und durch eine Reihe folgender Artikel geschürt worden sei,
einzig und allein in der Absicht, eine Manteuffelaffaire zu machen,
während doch der Artikel weiter nichts enthalte, als eine anonyme und
unwahre, sowie beleidigende Denunciation gegen einen hochgestellten und
verdienten General. Es sei einer derjenigen Fälle, wie sie in dieser
Zeitung mindestens in jeder Woche und in jedem Blatte gegen hochge
stellte Männer zu finden seien. Es sei zu bedauern, daß Gen. v. Man-
teuffel keinen Strafantrag gestellt habe, weil dadurch die Möglichkeit
entzogen worden sei, bestimmt und klar die Unwahrheit der einzelnen
Behauptungen darzuthun. Dieses Bedauern werde vielleicht von der
„Frankfurter Zeitung" in noch höherem Maße getheilt, indem ihr da
durch die Gelegenheit entzogen worden sei, diesen Anlaß zum Gegen
stand eines öffentlichen Scandals zu machen. Was nt dem be
treffenden Artikel gesagt sei, wäre Alles Zeitungsfabrikat, um für
sich Reclame zu machen. Die Geldstrafe, welche den Verfasser des
Artikels getroffen hätte, würde reichlich durch die Reclame für die
Zeitung ersetzt worden sein. Es scheine ihr, der Staatsanwaltschaft,
deßhalb ganz gerechtfertigt, daß General v. Mantcuffel den Straf
antrag gegen den anonymen Denuncianten abgelehnt habe; er stehe in
^sr That zu hoch, um sich durch die gethanen Aeußerungen verletzt zu
fühlen. Hinsichtlich der Behauptung jedoch, daß dieser Artikel von
einem hochgestellten preußischen Officier herrühre, müsse er bemerken,
daß, wer einigermaßen die Verhältnisse zu beurtheilen verstände, nie
mals glauben könne, daß dieser Schandbrief der „Franks. Zta." zur
Veröffentlichung zugeschickt worden sei; die ganze Form, in welcher der
Brief geschrieben, enthalte eine Beleidigung des gestimmten preußi
schen Officiercorps, namentlich aber die Behauptung, Schmähungen,
wie die lucrimirten, seien der Zeitung von einem Officier, defsen
Tüchtigkeit im Kriege vielfach Anerkennnng gefunden, zugeschickt wor
den. Er möchte wirklich das ganze Officiercorps mit aller Entschieden-