© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
brüderung mit der cvnservativen Partei verworfen, und Mr. Gal-
braith, welcher den Vorsitz führte, sprach den in die Unterhandlungen
verwickelten Arbeitern das Recht ab, eigenmächtig als Vertreter der
ganzen Classe aufzutreten. Es sei durchaus ein falscher Schritt seitens
der betheiligten Arbeiter gewesen,^den toryistischen Peers im Dunklen
ent
der . , . , . .
eine Falle gegangen und müsse jedenfalls sem Betragen klar und ausführ
lich erklären, ehe man ihnen die Leiterschaft der Arbeiterclassen anvertrauen
könnte. In ähnlichem Sinne drückte auch Odger sich aus, welcher das
ganze Project ins Lächerliche zu ziehen suchte und nicht daran zu glau
ben vorgab. Was diese Allianz anbetreffe, so sei sie dummes Zeug
und werde nie zu etwas kommen. Möglich, daß die einzelnen Punkte
des Programmes eingehende Erwägung verdienten, aber wenn die Ar
beiter ihre sociale oder politische Lage zu verbessern wünschten, dann
müßten sie sich auf sich selbst verlassen und nicht mit der Aristokratie,
seien es Whigs oder Tories, kokettiren. Die sieben Paragraphen seien
sehr unbestimmt und könnten ebenso gut nichts bedeuten, wie etwas.
Das einzig Greifbare sei nur die 8stündige Arbeitszeit, und diese könne
auch ohne eine geheime Allianz mit toryistischen Lords erzielt werden.
Er wolle aber keinen Antrag zur Abstimmung bringen, weil man im
Laufe dieser Woche eine Erklärung von Seiten Mr. Scott Russell s
erwarte.
Ein anderer Verein, die „Allgemeine republikanische Ligue", be
schäftigte sich mit dem nämlichen Thema und der folgende Antrag ge
langte zur Annahme: „Diese Versammlung ist der Ansicht, daß die
neue social-politische Allianz eine Verschwörung ist, welche im Auge
hat, den Fortschritt dadurch zu unterbrechen, daß sie nöthige Reform
maßregeln verzögert, um die Arbeiterclassen von der edlen Sache des
Republikanismus wegzulocken, welcher jetzt so gewaltigen Fortschritt
macht, das unterdrückte Volk von Degradation zu erheben und Freiheit,
Gleichheit und Gerechtigkeit sicher zu stellen." m
Aus Dublin meldet der Telegraph von einem schrecklichen Ver
brechen agrarischer Natur, welches in der Nähe von Moynalty, Graf
schaft Meath, verübt worden ist. Es wurde ein dort ansässiger Acker
wirth, welcher 23 Morgen Land käuflich in seinen Besitz gebracht hatte und
seinen Neffen,der einen kleinen Theil innehatte, auszusetzendrohte ermordet.
Der Neffe bat um Aufschub, Bryan aber — so hieß der Ermordete —
schlug die Forderung ab. Gegen 7 Uhr des Abends saß er dann beim
Küchenfeuer, als Jemand sich leise hinzuschlich und ihn durch ein Feiffter
erschoß. Sechs große Kugeln durchbohrten seinen Hals und der Tod
erfolgte, so plötzlich, daß er aufrecht auf seinem Stuhl sitzen blieb. Die
Polizeibehörden wurden sofort von dem Vorfalle tn Kenntniß gesetzt
und eine Stunde nach Ausübung der That befand der Neffe sich
bereits in Haft. „
Die Generalcommissäre für die internationalen Ausstellungen, die
Herren Orenne und Du Sommerard, haben von hier aus unterm 25.
v. M. an den französischen Ackerbau- und Handelsminister über die
internationale Ausstellung von 1871 einen Bericht eingesandt, welchen
das „Journal officiel" jetzt veröffentlicht. Nachdem diese Herren in dem
Schriftstück den „kaum erhofften, doch unbestreitbaren" Erfolg der fran-
® en Abtheilung der Ausstellung constatirt, berichten sie, daß sie in
,en ein specielles Bureau etablirten, um den Besuchern alle Mitthei
lungenüberden Werth der ausgestellten Kunstgegenstände und industriellen
Producte zu liefern. Dieses Bureau, welches natürlich unentgeltlich func-
tionirte, hat den Verkam einer großen Anzahl von Kunstwerken bewerkstelligt;
wogegen die directen Verkäufe französischer Aussteller an das Publikum
durch die Werthangaben der Ausaangspassirscheine controlirt zu werden
vermochten. Dank dieser Organisation konnte man die folgenden Resul
täte feststellen: Die Verkäufe von Erzeugnissen der Kunstgewerbe über
stiegen die Summe von 20,000 £, während der Werth der Bestellungen
welche erst nach Schluß der Exposition zu liefern sind, sich nach der
Angaben der Aussteller auf 40,000 £ belief. Die Mehrzahl der fran
zösifchen Aussteller hat übrigens den Entschluß gefaßt, in den günstigster
Stadttheilen Londons Filialen ihrer Häuser zu gründen und die beim
Schluß der Ausstellung noch nicht verkauften Artikel darin feil zu halten
^‘«»«alrr war das oben genannte Bureau im
Grande, ven ausstellenden Künsir.— .. - • a na
tionalen Ausstellung soll in ifrrRsöft am’l. Mar '1872 eröffnet werden.
Instrumente und der akustischen Apparate. Außerdem sollen in dieser
zweiten Serie Special-Ausstellungen für Gartenbau, Obstzucht und
seltene Pflanzen Platz finden.
* Paris, 24. Oct.
eine Stätte in der „Ti
Bewegung in eine neue Phase
Frankreich.
24. Oct. Seitdem Napoleon für seine Offenbarungen
der „Times" gefunden hat, scheint die bonapartistische
Bewegung in eine neue Phase getreten zu sein; die Blätter der Parte
führen eine noch dreistere Sprache als vorher. Gleichzeitig wird in
der anti-bonapartistischen Presse die affectirte oder wirklich gehegte Angst
vor einem kaiserlichen Militärcoup stärker betont und in den Regierungs
sphären scheinen die Stimmen derer lauter zu werden, denen Thiers'
bisheriges Gewährenlassen bedenklich ist. Manche möchten es nicht
ungern sehen, wenn der Präsident der Republik gegen freche Ausfälle,
wieder gestrige des „Avenir liberal", mit Ausnahmegesetzen vorginge,
und jedenfalls verlangen sie, daß der betreffende Artikel den Gerichten
überantwortet wird. Inzwischen sind bekntlich aus der Brutstätte des
Bonapartismus, Corsica, im Ganzen soefriedigende Nachrichten ein
gegangen, daß Thiers sich darauf hin wl ermuthigt fühlen kann, fürs
erste den Teufel noch nicht allzugrell ane Wand zu malen. Möglich
reilich, daß Prinz Plonplon, der auf d Insel an und für sich wenig
beliebt, auf den Wink des Kaisers wie! heimgegangen ist, um Nicht
muthwillig extreme Maßregeln gegen diSonapartisten innerhalb Frank
reichs zu veranlassen; Thatsache ist tdeß, daß, wie die letzten
Generalrathswahlen bewiesen, der Bonapartecultus auf der
Insel eine bedeutende Zahl Antzr eingebüßt hat. Man
hält es sogar für nicht unmöglich daß Rouher bei der De-
putirtenwahl daselbst im nächsten Denber gegen einen nicht bona-
' artistisch gefärbten Candidaten, etwa «enPozzo di Borgo, unterliegt.
Die Idee, der Nationalversammlung i ihrem Wiederzusammentrltt
An die ganze Familie Bonaparte vom inzösischen Gebiet ausschließen
des Gesetz vorzulegen soll, wenn Thiersberhaupt je sie adoptirt hatte,
wieder aufgegeben sein. Dagegen schit man gegen bonapartistische
Handstreiche noch immer aus der Hut sein. Wie es heißt, kreuzen
fortwährend im Canal einige kleineiegierungsschiffe, um etwaigen
Landungsprojecten vorzubeugen. Rich scheint auch, daß der Kriegs
minister zu ähnlichen Zwecken militäche Vorsichtsmaßregeln verfugt
hat. So schreibt der „Jndöpendant dPas de Calais": Man raunt
sich zu, daß aus dem Kriegsministern strenge Befehle eingetroffen
sind; es sei den Corpschefs untersagt ihren Officieren irgend welchen
Urlaub zu ertheilen, und das Verbotstgt man hinzu, sei absolut; m
mehreren benachbarten Städten seien t Truppen cousignirt, wenn auch
nicht bei Tage, so doch in früher Abostunde.
Anfang des nächsten Monats st Thiers nach Rouen gehen, um
im Departement Seine inferieure ir verschiedene neue Militär-
etablissements, die in Folge des Verlts von Elsaß-Lothringen anders
wohin verlegt werden müssen, den Andstein zu legen.
Die Abberufung des Präfecten )es Ariegedepartements soll auf
die Vorstellung eines der demokratism Deputirten des Departements
erfolgt sein. Wie erwähnt, hatte dePräfect bei den neulichen Wahlen
allzu merklich seine orleanistischen A'pathien gegen die republikanischen
Candidaten zur Schau getragen. & Maßregel ist um so bemerkens-
werther, als dieser Prüftet zu Thi6 Privatfreunden gehört. Natür
lich wird er anderswo placirt werd«,
Die Bonapartisten haben nochnicht Journale genug. Nächstens
soll auch das „Peuple fran<;ais", id zwar unter der Direction des
Exdeputlrten Calley St. Paul, wiererscheinen. Seitens der Regie
rung wird man dem neu erstekrden Blatte keine Schwierigkeiten
machen; unwillkommener dürfte esedenfalls dem „Ordre" des Herrn
Duvernois sein, der darin einen Ccurrenten wittern kann.
Wie das „Journal de Paris" wissen will, hätte sich auch Herr
Drouyn de Lhuys endlich entschloss, Hrn. Benedetti eine kleine diplo
matische Lection zu ertheilen, undl. a. ein Paar Depeschen des ehe
maligen Botschafters zu publiciren, aus welchen hervorgehen würde,
daß, wenn die französische Regieru; im Juli 1866 von Preußen Ge
bietsabtretungen forderte, dies auvie pressanten Vorstellungen Bene-
detti's selbst geschehen sei.
Einem Gerücht, wonach Roß und Ferre noch in dieser Woche
füfilirt werden würden, wird von m „Journal de Paris" dementirt.
Die Gnadencommission hat sich injrer letzten Sitzung mit der Ange
legenheit der beiden Verurteilten och gar nicht beschäftigt.
Der „Radical" beginnt in seim Feuilleton die Publication eines
alten Romans Eugen Sue's, „D Geheimnisse des Volkes" betitelt.
Derselbe scheint indeß solcher Arzu sein, daß der Polizeipräfect die
Vertheilung von Circularen, welch oen. Roman ankündigen, untersagen
zu müffen geglaubt hat.
Der „Constitutionnel" melde! die erfolgte Räumung von Guift,
Chäteau-Thierry und Laon. — M Nancy lassen hiesige Blätter sich
folgenden Vorgang melden: Letzt: Donnerstag wurde das Haus des
Maires von Nancy, Hrn. Ch. Wele, auf Befehl der deutschen Behörden
militärisch besetzt. DerPlatzcommarant, Generalmajor von Wedel, hatte
sich darüber beklagt, daß die deichen Truppen in mangelhafter Weise
einquartiert würden, und außerdfi Reclamationcn erhoben in Betreff
amuse uiUIWuw, «2ei'.'* i J*ßtl r ty», t ,Dxx
der französischen und deutschen tzgierung abgeschlossenen Uebereinkunft
es die erstere sei, welche die Eimartierung der deutschen Truppen in
den besetzten Landestheilen übermimen habe. Er fügte hinzu, daß die
Reclamationcn daher an den Jnndanten, Hrn. Chassignet, zu richten
seien, der die nöthigen Vollmacht! besitze, um den berechtigten Forde
rungen der deutschen Behörden u genügen. Der Commandant von
Wedel erwiederte, daß er keine ndere französische Autorität als die
Mairie, in allenFragen, welche d Garnison beträfen, anerkenne und
daß er Gewaltmaßregeln anwendi werde, bis man seinen Forderunacn
Genüge leiste. Gleichzeitig wurdHr. Welche benachrichtigt, daß über
sein Haus eine Strasemquartierig von zehn Mann verfügt sei. Schon
um halb ein Uhr Mittags trateizehn Mann, geführt von einem jungen
Offtcier beim Hrn. Maire ein, dein diesem Augenblick eben den Besuch
des Präfecten und seiner Gemahl empfing. Sie schoben diese Dame bei
Seite, um m das Haus einzudrgen, und erklärten Hrn. Welche auf
seine Frage nach ihren Quartierllets, daß sie Weisung hätten das
Haus gewaltsam zu besetzen. Schdem er dagegen protestirt, überließ
ihnen Hr. Welche das Haus un'begab sich mit dem Präfecten zu dem
General von Stosch, um ihn vo diesem seltsamen Verfahren in Kennt-
Folge dieses esuchs und der Weisung des Generals
von Stoscb wurde das Haus der Maires, nach einer Occupation von
vier Stunden, wieder geräumt. .
Seit einiger Zeit war von cvnservativen Blattern die Frage aus
geworfen worden, was wohl aus den Fonds der Subscription gewor
den sei, welche im Herbst 1868 für ein Denkmal zu Ehren des ,m
Kampfe gegen den Staatsstreich gefallenen Volksvertreters Baudm er
öffnet worden war. Diese Gelder hatte man damals einem republika
nischen Bankier, Hrn. Jules Mottu, anvertraut, der jetzt radikales
Mitglied des Pariser Stadtraths und Herausgeber des revolutionären
Blattes „Le Radical", geworden ist. Da das Baudin-Denkmal noch
immer auf sich warten läßt, so hatte namentlich der „Figaro" an
Hrn. Mottu eine Reihe indirecter Fragen gerichtet, die dieser icdoch
unbeantwortet ließ. Der „Figaro" beruhigte sich ledoch dabei nicht
und adressirte nun seine Fragen an die Redactionen derjenigen Blätter,
welche seiner Zeit jene Subscription betrieben hatten. Er wandte sich
insbesondere an den „Temps." Der Herausgeber des „Temps" erklärt
nun im heutigen „Figaro", daß er selbst über die Verwendung der ge-
ammelten Fonds nichts weiß, daß er aber zu untersuchen gedenkt, was
die mit der Verwaltung der Fonds betraute Comniission, der er selbst
)ie jetzige Wissenschaft ihre Resultate verdankt, ersten Ringes, als ein Jnbegrifvon Anmuth hlnd^HRdselMit^ae-
. Wer m der,Kunstgeschichte wenig zu Hau;e gölten hat, nunmehr zum Rang ner Copie, die selbstverständlich keine
i anderen Zweigen der Wissenschaft, wie jung Stelle mehr in der Kunstgeschich zu beanspruchen hat. herabaewürdiat
ische Methode, welcher die jetzige Wissenschaft ihre Resultate verdankt,
ist gar neuen Ursprungs. Wer in der Kunstgeschichte wenig zu Hause
ist, der weiß es dock von anderen Zweigen der Wissenschaft, wie jung
diese Methode ist, die erst in den Zeiten unserer Väter anfing, ihr
Recht zu verlangen, und die einst nicht minder zu den Ruhmestiteln
unseres Zeitalters Wählen wird, als die Erfindung der Locomotive und
des Telegraphen. Oder wie lange ist es her, daß man an die geschicht
liche Forschung die strengen Anforderungen macht, die heute schon als
selbstverständlich gelten? Ist es wirklich so beschämend, wenn erst jetzt
ein Irrthum entdeckt wird, der hundert Jahre lang unangefochten blieb?
Ach, wenn die Irrthümer nicht länger in der Menschheit haftenblieben!
Noch immer kommt es vor, daß auf geschichtliche Erscheinungen, über
die man längst im Reinen zu sein glaubt, plötzlich ein neues Licht fällt.
Dort wird eine bisher unbekannte Quelle entdeckt, welche das über
lieferte Urtheil über einen geschichtlichen Charakter modificirt. Oder man
forscht dem Ursprung einer geschichtlichen Anecdote nach und man findet,
daß sie^ins Gebiet der Sage gehört; man sucht weiter und entdeckt genau
die Zeit und die Umstände, in welchen sie entstand, und die geschicht
lichen Momente, aus welchen die Phantasie ausschmückend ihr Ge
webe wob. Oder: seit Alters trägt eine Schr.ft den Namen eines
bestimmten Autors, von Jahrhundert zu Jahrhundert pflanzt sich die
Ueberlieferung fort, ohne daß es Jemandem einfällt, sie zu prüfen.
Eines Tages geräth die Forschung auf Daten über den Autor, mit
welchen jene angebliche Autorschaft schwer vereinbar ist. Man sucht
erst den Widerspruch auszugleichen, aber im Suchen stößb man auf
neue Daten, welche den Widerspruch verschärfen, und zuletzt bleibt kein
Zweifel übrig, daß man dem vermeintlichen Autor die Schrift ab
sprechen muß. Dieser Fall ist der Holbeinfehde am verwandtesten, und
ist er in unserer Zeit nicht häufig genug vorgekommen? Um nur Ein
Beispiel zu nennen: seit achtzehnhundert Jahren haben sich unzählige
gelehrte und geistvolle Männer mit dem Evangelium des Johannes
beschäftigt, es ist ihnen nicht eingefallen, an der Autorschaft des Lieb
lingsjüngers Jesu zu zweifeln. Und doch sieht sich die neuere Wissen
schaft aus einer Reihe von zusammenstimmenden Gründen genöthigt,
diesen Ursprung des Evangeliums auf das Bestimmteste in Abrede zu
stellen. Will man sie nun darum einer unbefugten Anmaßung zeihen,
weil sie der ehrwürdigen Tradition von Jahrhunderten schnurstracks
in's Gesicht schlägt? Oder soll man nicht vielmehr eine andere Moral
daraus ziehen? Der besonnene Mann wird in der That weder über
die frivole Neuerungslust der modernen Wissenschaft schelten, noch auf
die Finsterniß vergangener Jahrhunderte hochmüthig herabblicken, aber
er wird sich staunend besinnen, welche Umwälzungen die Entdeckung der
kritischen Methode im raschen Lauf eines Jahrhunderts hervorge
bracht hat.
„Das Alles soll zugegeben sein, wir streiten nicht darüber, aber
wie wollt ihr es rechtfertigen, daß ein Bild, das bisher als ein Werk
Stelle mehr m der Kunstge chich zu beanspruchen hat, herabgewürdigt
wird? Und wie wollt ihr selbsten Wechsel eures Urtheils begründen,
die ihr berühmte Kunstforscher s», die ihr noch vor kurzer Zeit das
Dresdener Bild in den Himmel choben habt, um es heute beinahe in
allen Theilen als schwach, unterordnet, unbedeutend zu flnden?" Das
war zuletzt eme Apostrophe, die:n Partisanen des Darmstädter Bildes
nicht erspart wurde. Insofern diesie nun an einzelne Kunstforscher persön
lich sich richtet, mögen diese selbst s verantworten, und meistentheils haben
^ es bereits gethall. Daß jedockberhaupt angesichts der confrontirten
Bjlder nicht bloß über die Autorfift entschieden wurde, sondern auch das
ästhetische Urtheil sich modificirte,! wiederum eine Erscheinung, die nichts
verwunderliches hat für den, derinige Kenntnisse in der Geschichte der
Kunst besitzt. Es wiederholte sichier nur im Kleinen, was mehrmals
im Großen sich zugetragen hat. uch das ästhetische Urtheil ist nichts
der Menschheit angeborenes und rum absolutes undunveränderliches
es ist vielmehr anerzogen, ein Ebent der allgemeinen Cultur, es ist
durch Wissen und Schauen gebildmnd es schärft sich unablässiq durch
den Vergleich. Was heute für sch M, galt nicht zu allen Zeiten für
schon. Unsere deutschen Maler delL-Jahrhunderts malten nicht blos
anders als wir heute malen, sondi sie sahen auch anders Es be
durfte der wiedererwachten Antik und der Anschauung italienischer
und niederländischer Kunst, um dabisherige Schönheitsaefühl auf eine
wiedererstandenen Reste des Wertes, sie waren nicht kritisch gestimmt
naiv nahmen sie die ganze Hohech sich auf, die ihnen aus dem aus
gegrabenen Marmor entgegenstrah. Es bedurfte langer Zeit und
der immer größeren Anhäufung !l antiken Schätzen, bis sich die
Kritik an dieselben wagte, und rch genaueren Vergleich auf die
Unterscheidung von Perioden der lten Kunst, auf die Unterscheidung
des Classischen innerhalb des Clächen geführt wurde. Vor hundert
Jahren galten unsern ersten Kenm, die in der kunsthistorischen Kritik
bahnbrechend waren, die Gruppe^ Laokoon und der vatikanische
Apoll als die vollendeten, unerreiaren Muster der griechischen Kunst
Heute wissen wir, daß es die Zeugnisse eines späteren Geschmacks
find, welcher der einfach ruhigen jön^eit das Effectvolle und das
Elegante vorzog. Denen, welche Reste des Parthenons sahen, stieg
»uerst die Ahnung der wahren nchen Kunst auf, seitdem hat der
wlssenschaftliche Vergleich die Entwlungsstufen der classischen Sculptur
festgestellt, und heute besitzt em Prlner, der in Kunstgeschichte dilettirt,
unzweifelhaft eine richtigere Kennh von den Perioden der griechischen
Kunst und ihren unterscheidendenierkmalen, als Winkelmann besaß
lg, „ ...
nicht angehörte, mit diesen Geldern angefangen habe. Er hat zu diesem
Zwecke die Directoren des „Avenir national", des „Siecle", des „Jour
nal de Paris" und der damals erscheinenden „Tribune" zusammenbe
rufen, so da'; Zeichner und Publikum alsbald vollständig aufgeklärt sein
dürft^r c^Emps" veröffentlicht folgende öfficiöse Note: Es ist nicht
richtig, daß die Bank von Frankreich sich anschickt, Billets von 10 Frcs.
oder andere Abschnitte unter 20 Frcs. auszugeben. Eine derartige Aus
gabe würde eine Arbeit von zwei oder drei Monaten nöthig machen
und vermöchte daher in keiner Weise den Erfordernissen der gegenwär
tigen Lage zu entsprechen.
Eine Note des „Journal officiel" führt den Buchdruckereibesitzern
die Bestimmung des Gesetzes wieder zu Gemüthe, die ihnen die Hinter
legung von Pflichtexemplaren und die Abgabe der Erklärung auferlegt,
in welcher Auflage sie ihre erscheinenden periodischen Schriften abziehen
lassen. '
Die diesjährige Jahressitzung der fünf Academien des Instituts
von Frankreich wird mit besonderer Feierlichkeit im Jndustriepalaste
der elysöischen Felder stattfinden. Thiers und Rsmusat gedenken dersel
ben beizuwohnen und Jules Simon wird präsidiren.
Italien.
* Rom, 22. October. Im Vatican scheint man sich wirklich ein
t aar Monate mit dem Gedanken getragen zu haben, den Pfiffigen
taatssecretär Antonelli eine Rundreise bei den europäischen Höfen
machen und um werkthätige Hülfe für das weltliche Papstthum bitten
zu lassen. Es scheint indeß, daß Antonelli selbst sich durchaus keinen
Erfolg von diesem Bittgang versprochen hat. Um der Sache enthoben
zu sein, soll er sich kränklicher gemacht haben, als er in Wirklichkeit ist.
und jetzt ist das Project definitiv aufgegeben. Haupturheber desselben
waren Beichtväter kaiserlicher und königlicher Prinzessinnen, die be
kanntlich meist der Gesellschaft Jesu angehören.
Nicht weniger als 17 italienische Priester haben die Berufung zu
bischöflichen Stühlen abgelehnt, darunter die Canonici von St. Peter
Tavoni und Montani. Auch Pater Cerino, General der Teatiner, hat
von Neapel geschrieben, daß er aus Gesundheitsrücksichten den ange
botenen Stuhl nicht annehmen köllne.
Der „A. Z." schreibt man von hier: Wie fremdenleer unsere Stadt
im letzten Winter, wie vereinsamt und zuletzt öde die Gesellschaft war,
so voll und glänzend verspricht der diesjährige zu werden.- Der Krieg
und die frischen Erinnerungen an seine Opfer mußten Tausende von
der gewohnten Romfahrt zurückhalten, niemand war in der rechten
Stimmung des Reisegenusses. Das Weh ist auch jetzt noch nicht
verwunden, aber Amerikanern, Engländern, Russen geht es nicht
zu Herzen; von ihnen begegnet man bereits gar vielen in den Straßen,
obgleich wir erst an der Schwelle der Saison stehen, auch an deutschen
Familien fehlt es nicht. Wer nicht zum erstenmal hier ist, kann
sich nicht genug wurdern, wie eine solche allgemeine Veränderung in
dem äußeren und inneren Comfort der ernstenStadt in so kurzer Frist
hat durchgeführt werden können. Der Corso ist nicht mehr zu erkennen,
moderne Eleganz und Luxus sind da in jedes Portone eingezogen. Die
Klöster aber ragen noch alle ,pch und keck oder massig und vierschrötig
mit aller Ursprünglichkeit rund umher in die Lüfte, auf die herausge
putzten Hauser da unten unmuthig und düster niederblickend, als wollten
sie ihnen die Freude an dem neuen Leben verderben. Es war eh e
allgemeine Restauration, welche die Stadt durchmachte, doch nicht frei*
wrllia, denn der Sindaco Fürst Pallavicini hat es so gewollt Cr bat
viel Verdruß davon gehabt, denn nicht jeder Hauseigenthümer war in
der Lage, m dieser Zeit der Bauunternehmungen Werkleute ru dinaen
um für den höchsten Arbeitslohn die Dächer umlegen, die Facade
bemalen neue Fenster Perfianen und Hausthüren machen zu lassen,
schließlich zum Schrecken der Miether, deren Zins auf einen so durch
aus soliden Beweggrund hin sofort um die Hälfte des frühern Satzes
hinaufgeschraubt wurde. Pallavicini will sich zurückziehen, um von den
administrativen Strapazen auszuruhen, Fürst Doria wird zum künftigen
Bürgermeister gewünscht. ' a
Pallavicim's Entlassungsgesuch soll bereits angenommen sein.
Die neue Hauptstadt hat somit in einem Jahre nicht weniger denn
drei Bürgermeister verbraucht. ^
, Die Draubenernte ist überall so reichlich ausgefallen, dast die
Weinbauer bereits über die mdrigen Preise klagen ^
. .. Di- „Stalia militare- bringt mehrere Ertaste/ aus die Reorgani-
satwn der ArNllerie bezüglich. M Compagnien sind aus 40 herunter-
. J, die Feldbatterien dagegen von 80 ans 90 erbSbt. -in d-mlelben
ilalte veröffentlicht der Kriegsminister auch eine Erklärung über den
s^L1in'ÄnSS°att°t'''Lr^ »nt» »°V» dem-
Wagner's Lohengrin wird am 1. November sein Glück vor dem
Bologna^^ ^"blikum versuchen, und zwar in dem Stadttheater von
^t. Bühne und Zuschauerraum in unserem
Utheater sind vollständig ausgebrannt und bieten mit ihren zerbröckelten
dem zahlreich durchglühten Eisenwerk, unter welchem
insbesondere der bald nach Ausbruch des Brandes herabgestürzte
Ä^Aige Kronleuchter m fernen Trümmern einen ungemein traurigen
Anblick gewahrt, ein grauenvolles Bild der Verwüstung. Von dcr
Garderobe ist was man gestern Abend stark bezweifelte, dennoch ein
nicht unbedeutender Theil gerettet worden; allein der Gesammtsckadcn
ist jedenfalls ern sehr beträchtlicher, weit über 500,000 fl., obwohl die
Umfassungsmauern bei dem Neubau zu verwenden sein werden. Das
Feuer lodert zur Stunde manchmal noch hoch auf, so daß immer nock
mehrere Spritzen m Thätigkeit sind. Mit der Aufräumung
des Schuttes wird man erst in einigen Tagen beginnen können
Ueber die Ursache der Entstehung des Feuers wird folgendes mitgetheilt -
"Dem bestehenden Relement zufolge soll die Beleuchtung der So fitten
zu etzt angezündet werden, um bei dem nach 5 Uhr eintretenden äu-
Zjnen dds Gasdrucks eme Feuersgefahr zu verhüten. Diese Vorschrift
scheint nicht beachtet worden zu sem, denn eine in der Nähe des Vvr-
hanges befindliche Soffitte sing zuerst Feuer. Der Beleuchter Mütz schien
L-S/ndung der Soffitten zuerst bemerkt zu haben. Angehörige des
Theaters, welche, als man die ersten Spuren des Brandes wahrnahm
dem Hause flohen, sahen ihn, wie er sich an einer Flugmaschine in
die Hohe ließ, vermuthlich m der Absicht, die brennende Soffitte oben
auf dem Speicher, an den Punkteii, wo sie befestigt war, abzuschneiden
und weiteres Unglück zu verhüten. Es gelang nicht, der grosse Vor-
6euer, und Mütz selbst scheint umgekommen zu sein, denn
Irl L 9 f e t tn9C ^X nb mrrd er vermißt. Man vermuthet daß ihn,
als er auf dem Speicher angekommen, die Kräfte verließen und er in
^ Tief stürzte. Das Hoftheater wurde am 3. November 1821 mit
Spontml's „Cortez" eröffnet. (Fr. I.) 1
^ -^—^blssrad, 16. Oct. Es war stets eine Lieblingsidee Beters
des Großen, emeVerblndung desSchwarzen und des Kaspischen DU'eres
dieser zwei für Rußlands Herrschaft im Südosten so wichtigen Wasser
becken, herzustellen Nach seinem Todte ruhten !n den Archiven qar
Z^nche nützliche Plane, unter ihnen auch der einer Verbindung dieser
zwei Seen, von denen es nicht unwahrscheinlich ist, daß sie früher ein
Ganzes gebildet haben. Erst im Jahr 1858 unternahm ein Hr. Berg-