Full text: Zeitungsausschnitte über Holbein

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N 
Der Präsident des Reichskanzleramts, Staatsmini 
ster Delbrück erinnert daran, daß die Fürsorge für 
die Reservisten und die Landwehr Sache der einzelnen 
Bundesregierungen sei. Da jedoch das Bedürfniß ein 
dringendes war, wurden die bewilligten 4 Millionen 
vorschußweise unter die Bundesregierungen vertheilt. 
Das Weitere müsse den einzelnen Negierungen überlassen 
bleiben. Der Reichsregierung stände kein Recht zu, 
über das Verfahren der einzelnen Negierungen nach 
zufragen. In Preußen wurden zwei Drittheile von 
beit ihm zufallenden 2,495,000 Thalern nach Ver 
hältniß der Neservistenzahl unter die einzelnen Pro 
vinzen vertheilt; das letzte Drittheil wurde für be 
sondere Bedürfnisse rcservirt. Sollte ein weiteres 
Bedürfniß, .welches bei einzelnen Bundesstaaten immer 
hin wahrscheinlich ist, eintreten, so wird die Befriedigung 
desselben Sache dieser Regierungen sein. 
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Nach. 
mittags V.>6 Uhr. (W. T. B.) Im Hoftheater ist 
Feuer ausgebrochen. Das ganze Gebäude steht 
bei starkem Oftwinde in Flammen. 
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Abends 
6 Uhr. (W. T. B.) Das Feuer macht große Fort- 
schritte. DaS Theater ist verloren, ein Funken« 
regen ergießt sich westwärts über die Stadt. Das 
Zeughaus schwebt in Gefahr, von den Flammen 
ergriffen zu werden. 
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Abends 
A7 Uhr. (W. T. B.) Die Garnison hat daS Zeug. 
Dresden, 25. October. 
Die neuesten Vorgänge auf socialem Gebiete 
haben der „Reuen Preußischen Zeitung" Anlaß 
gegeben zu einem Artikel, in welchem sie in ihrer Weise 
scharf gegen den Liberalismus zu Felde zieht. Bei der 
unverkennbaren Wichtigkeit des Gegenstandes lassen 
wir diesen^ Artikel hier vollständig folgen. Derselbe 
lautet: „Sw kann und darf es nicht fortgehen, wenn 
nicht in kurzer Zeit Alles auf den Kopf gestellt wer 
den und ein Krieg Aller gegen Alle entbrennen soll. 
Mit diesem Mahn- und Warnungsruse sind wir unab 
lässig, leider freilich zum großen Theil vergeblich, der 
liberalen Theorie und Praxis von oben und unten, auf 
socialem, staatlicheiu und kirchlichem Gebiete entgegen 
getreten. So lange cs dabei blieb, daß der Liberalis 
mus durch schöne Reden in Kammern und Volksver- 
sannnlungen, bei Zweckessen und sonst wo und sonst wie 
sich erlustigte, und der liberale Philister, im Hinblick 
auf seine gewählten und auserwählten Helden, sich die 
Hände rieb, wenn gegen Staat und Kirche mit Allem, 
was darin und daran war, tüchtig losgedonncrt wurde, 
— da konnte er noch ziemlich ungefährlich ersche neu. 
Es gab auch conservative oder conservativ sein wollende 
Leute genug, die dies vermeinten, weil die guten Ord 
nungen auf allen Gebieten, wie sie uns aus dem ab 
soluten Regimente überkommen waren, vor dem Wort 
schwall allerdings nicht zusammenbrachen; aber sie ver 
gaßen eben, daß es nach natürlichein Verlaufe und ge 
schichtlichem Vorgänge dabei nicht bleiben konnte. Die 
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heißen sind und werden, — der Ruf laut wird,' daß es 
so nicht fortgehen könne und dürfe, wenn nicht Alles 
auf den Kopf gestellt werden und ein Krieg Aller ge 
gen Alle entbrennen soll." 
Den Dementis hervorragender Führer der Tory- 
partei, welche entschieden läugnen, je an ein Bünd- 
niß mit den Radicalen gedacht zu haben, hat neuer 
dings ein gewisser Barry, „Schatzmeister des General 
raths" der'englischen Arbeiter, eine nicht minder kate 
gorische Bestätigung stattgehabter Verhandlungen mit 
der Versicherung entgegengesetzt, daß die Unterschriften 
conservativer Pairs sich in den Händen Scott Russel's 
befinden, sowie daß die Verhandlungen noch nicht ab 
gebrochen seien. Darf man auch solchen Behauptungen, 
gegenüber den förmlichen Erklärungen der toryistis'chen 
Führer, keinen vollen Glauben schenken, so scheint doch 
daraus hervorzugehen, daß ernstlichere Verhandlungen 
stattgefunden haben, als die Organe der Tories zuge 
stehen mögen. So betrachten auch whiggistische Blätter 
die Sache, indem sie sich des willkommenen Stoffes be 
mächtigen, ihren politischen Gegnern etwas am Zeuge 
zu flicken. „Daily News" hält der verunglückten 
Politik, durch welche Disraeli sich wieder auf die Höhe 
der Zeit habe stellen wollen, folgende ironische Leichen 
rede: „Wir unsrerseits bedauern aufrichtig, daß die 
Verhandlungen zu keinem günstigen Ergebnisse geführt 
haben. Dergleichen Versuche haben, wenn sie nicht von 
Erfolg gekrönt sind, meistens die Wirkung, daß sie das 
Mißverständniß schwieriger machen und die Discussion 
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rückzahlung der Bundeskriegsanleihen in 2. Lesung und 
ohne Debatte angenommen. (Vgl. den Sitzungsbericht 
in der Beilage.) Die Abgg. D,-. Völk und Wiggers 
haben eine, auch von den sächs. Abgg. Ackermann, Dr. 
Böhme, Eysoldt, Günther, Hirschberg und Ludwig un 
terzeichnete Interpellation eingereicht, dahin gehend: 
„Was ist in Bezug auf den Gesetzentwurf, betreffend die 
Cautwnspflichtigkeit periodischer Druckschriften und die Ent- 
Ziehung der Befugniß zum Betriebe eines Preßgewerbes, 
welcher in der Sitzung des Reichstags vom 15. Mai 1871 
dessen Zustimmung erhalten hat. geschehen? Wird dem ge 
genwärtigen Reichstage der Entwurf eines Reichspretz- 
gesetzes vorgelegt werden?" 
Eine andere Interpellation der Abgg. Schulze, Mi 
guel und Hölder, unterstützt auch von den sächsischen 
Mitgliedern der Fortschrittspartei, geht dahin: 
1) Welche Resultate sind durch Berthcitung der den Bundes 
regierungen durch das Reichsgesetz vom 22. Juni 1871 
zur Verfügung gestellten vier Millionen Thäter an die 
durch die Entziehung zur Fahne besonders schwer geschä 
digten Offiziere, Aerzte uni Mannschaften der Reserve 
und Landwehr in den Einzelstaaten erreicht worden? 
2) Ist bei der Vertheilung der Beihilfen von den einzelnen 
Regierungen nach gleichmäßigen Grundsätzen verfahren? 
3) Hat sich nach den gemachten Erfahrungen ein Bedürfniß 
Unterstützungen herausgestellt s 
tigt die Reichsregicrung, wenn dies der Fall sein 
fernerer 
4) Beabsichtigt ..... 
sollte, eine weitere Bewilligung aus Reichsmitteln zu den 
vorgedachten Zwecken zu beantragen? 
Der Reichskauzler hat die zusätzliche Uebereinkuuft 
zu dem Friedensvertrage mit Frankreich dem Rcichs- 
tage zur verfassungsmäßigen Berathung vorgelegt. Die 
selbe stimmt mit den Angaben des „D. Reichs-Anz." 
Feuilleton. 
(Redigirt von Htto Wancli.) 
Ein letztes Wort zur Holbeinfrage. 
Von Julius Hübner. 
(Schluß aus Nr. 247.) 
Ueberhaupt, wenn der Herr Verfasser aus den vier 
zehn Bildern gerade eine übereinstimmende Malart 
beweisen möchte, so muß ich vielmehr bekennen, daß 
mir umgekehrt nicht nur diese vierzehn Bilder, sondern 
alle jetzt und früher gesehenen Originalbilder Holbein's 
vielmehr den Eindruck einer großen und genialen Der 
ficht edenartigkeit gemacht haben und noch machen. 
Man betrachte doch einmal das bewunderteMorrettbildniß 
unserer Galerie, um sich zu überzeugen, daß bei aller 
Holbein'schen Glätte in der Behandlung der Neben 
sachen, gerade hier in Kopf und Hand eine Art pastoser 
Pinselführung erscheint, welche aufs Unvergleichlichste 
die runzliche Haut des Alten andeutet, eine Art der 
Behandlung, welche auf keinem einzigen Bilde Hol 
bein's, so weit sie mir bekannt, wieder so vorkommt. 
Diese Verschicdenartigkeit aber ist nicht etwa blos eine 
Auffassung meiner individuellen Anschauung, sie wird 
vielmehr von einer großen Mehrzahl anderer Künstler 
ebenso entschieden empfunden. Danach erscheint mir 
gerade die Annahme einer so durchaus typischen, eng 
beschränkten Weise des großen Meisters unwürdig und 
unstatthaft, wenn ich auch zugebe, daß es sich dabei 
eben immer wieder um ein größeres oder geringeres 
Betonen des Gleichartigen oder des Verschiedenartigen 
handelt, was Jeder immer nur nach seinen: individuellen 
Standpunkt zu Beglaubigung seiner subjectiven Ansicht 
brauchen wird. 
Wenn nun aber weiter sogar von der Beschaffen 
heit des Holbein'schen Farbenmaterials, von dem 
Bindemittel, welches „ein wahrscheinlich harziges" 
genannt wird, Beweise hergeleitet werden sollen, so 
müßte man vor allen Dingen vom unbefangenen 
Standpunkte aus zuerst bekennen, daß uns alle diese 
Dinge wesentlich unbekannt und eben nur Hypothe 
sen sind, welche allerdings Jedem, aber nur^MFÄch^' 
freistehen. Was weiter das Email der Holbein'schen 
Farbe und insbesondere die reliefartige Dicke des ver 
schiedenen Farbenauftrages betrifft, so muß darauf er 
widert werden, daß auch unser Madonnenbild diese Eigen 
thümlichkeit zeigt und insbesondere das Grün des Ma 
donnenkleides von sehr erheblicher Dicke des Auftrags 
ist, auch das Weiß stärker, als das Schwarz und andere 
Farben impastirt erscheint. Wenn der Herr Verfasser 
aber so weit geht, zu behaupten, „es würden die echten 
Bilder Holbein's in einem galvanoplastischen Nwder- 
schlag der Oberfläche die Umrißzeichnung deutlich er 
kennen lassen", und diese Behauptung wesentlich auf 
das Darmstädter Bild bezieht, so läßt sich dieser Um 
stand, so weit er vorhanden, ganz einfach dadurch er 
klären, daß sowohl das scheinbar stärkere Email, wie 
die Erhöhung der Farbenränder, gerade in diesem Bilde, 
eben nur eine wesentliche Folge des leider absichtlich so 
dick aufgetragenen Firnißüberzuges ist. Dieser Ueber- 
zug hat die ursprünglich mäßigen Erhöhungen mit je 
dem wiederholten Auftrage, der nicht etwa nur ein 
maligen, sondern oft wiederholten Firnißlage, ganz 
natürlich zu einer solchen Dicke erhoben, wie auf kei 
nem andern Bilde Holbein's. 
Unser Madonnenbild stimmt in dieser Beziehung 
ganz vollkommen mit dem Morrettbildniß übereiü, wo 
selbst das Grün und das Weiß sich kaum über die zarte 
Fläche aller andern Farben erhebt. 
In dem wunderbar schönen Kopfe (Nr. 26 3 des 
Ausstellungskatalogs), welcher dem Mler Milff ns in 
London gehört, ebenso wie in unsern unübertroffenen 
Godsalvebildnissen (Nr. 1813 des Galeriekatalogs) ist 
kaun: irgend eine Spur von Erhöhung zu sehen. 
Was weiter des Herrn Verfassers Beobachtungen 
über die Verschiedenheit des Goldauftragcs rc. anlangt, 
so kann auch diesen immerhin nur eine theilweise Wahr 
heit, nur eine relative Beweiskraft zugestanden werden. 
Jedenfalls treffen sie, wie er selbst zugesteht, „nicht den 
Kern, der in Worten unbeschreiblichen künstlerischen 
Ausführung", über welchen nach wie vor immer wie 
der nur das mehr oder minder geübte Auge sich die 
eigene Entscheidung vorbehalten wird. 
Der Herr Vefasser findet schließlich, „in Ueberein 
stimmung mit zahlreichen Kunstforschern und Künstlern", 
die von ihm vorausgesetzten Eigenthümlichkeiten Hol- 
bein'scher Malweise, welche er „auf dem Wege der ob 
jectiven (ich würde sagen subjectiven) Vergleichung 
unsers Bildes mit den beglaubigt echten Werken" ge 
funden zu haben meint, nicht in unserm Bilde. Da 
gegen ist nichts einzuwenden. Wenn er aber fortfährt, 
„vor dem Bilde selbst müssen wir erkennen, daß diese 
im Ganzen, wie im Einzelnen durch und durch Hol- 
bein'sche Composition von einer andern Hand ausge 
führt ist, als die beglaubigten Bilder", so muß ich 
allerdings um Erlaubniß bitten, anderer Meinung sein 
zu dürfen. 
Diese meine Meinung hat für mich noch den Vor 
zug, eine seit etwa 30Jahren im Wesentlichen unver 
änderte zusein, und sie wird es, denkeich, auch blei 
ben, so wie sie in der bekannten öffentlichen Erklärung 
ihren Ausdruck gefunden hat, bis der unwiderlegliche 
historische Beweis mich eines Andern belehrt. 
Auch das vom Verfasser und von allen Gegnern 
des Dresdner Exemplares so allgemein gestellte Ver 
gangen, bei der Frage nach dem Autor desselben, von 
1 
den ästhetischen Gründen und dem künstlerischen Werthe 
des Bildes gänzlich abzusehen, erscheint mir durchaus 
unbegründet. Desto mehr halte ich umgekehrt die Ver 
theidiger desselben Bildes für vollständig berechtigt, von 
ihren Gegnern, welche Holbein als Autor nicht aner 
kennen, die Nennung eines andern und geeignetern 
Künstlers an seiner Stelle zu beanspruchen. 
Vieles ließe sich noch sagen, auf die Gefahr hin, 
nicht etwa das überreiche Thema, wohl aber um so ge 
wisser die Geduld der Leser zu erschöpfen. Ist dies 
vielleicht, wie ich fast fürchte, schon jetzt der Fall, so 
bleibt mir immer nur dieselbe Entschuldigung: das In 
teresse an der Sache und der Werth, welchen ich auf 
die Aeußerungen des Hrn. Verfassers lege, wie ich dies 
Bekenntniß schon als Motiv an die Spitze meiner Be 
trachtungen stellte. 
Uebrigens können, dünkt mich, die Verehrer beider 
Bilder eine gemeinsame Beruhigung in der Gewißheit 
finden, daß beide kostbare Streitobjecte, auch aus dem 
Feuer dieses hitzigen Meinungsstreites, wohlbehalten 
und unversehrt, wie im bisherigen Zustande, hervorge 
gangen sind. Und zwar, wie ich nteine, nicht ohne eine 
gewisse Läuterung, welche beiden Theilen zu Gute kommt. 
Das Darmstädter Exemplar hat eine immer allgemei 
nere Anerkennung der Originalität und Priorität ge 
funden, wenn schon dem bedenklichen Zustande desselben 
noch eine weitere Ausdehnung zuerkannt wurde, als 
bisher. Das Dresdner Exemplar hingegen hat für seine 
idealern Qualitäten ein immer offeneres Zugestehen, 
auch bei unbefangenen Gegnern, wie unser Hr. Ver 
fasser, gefunden, gleichviel, ob man nun Holbein als 
den Autor anerkennt oder nicht. 
Schließlich bleibt überdies ja noch immer die Mög 
lichkeit, daß es der jetzt so rührigen, geschichtlichen 
Forschung gelingt, neue Documente zu ermitteln, welche
	        
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